Keine halbe Sache! – Gibt es Urlaubstage nur als ganze Tage?

Was war geschehen?
Ein Arbeitnehmer war seit 1977 als Zerspannungsmechaniker in Vollzeit beschäftigt. Es gab 2015 einen Betriebsübergang. Ihm standen vertraglich 31 Urlaubtage pro Jahr zu. Nach dem Betriebsübergang hat die neue Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer 2015 an insgesamt 18 Tagen und im Jahr 2016 an 13 Tagen halbe Urlaubstage gewährt. Ab dem Jahr 2017 war sie nur noch bereit, sechs halbe Urlaubstage pro Jahr zu gewähren. Dies wollte der Arbeitnehmer nicht hinnehmen, weil er mehr halbe Tage Urlaub im Jahr benötigte, und klagte.
Hintergrund der Klage
Der Arbeitnehmer war nebenberuflich Weingärtner und brauchte auch halbe Tage Urlaub, weil wegen der Wetterbedingungen und dem Wachstum der Reben er häufig kurzfristige Arbeitseinsätze im Weinberg durchführen musste. Diese halben Tage waren ihm immer gewährt worden. Er meinte, es bestehe eine betriebliche Übung, die die Arbeitgeberin nicht einfach einseitig kürzen dürfe. Der Hobby-Weingärtner klagte deswegen vor dem Gericht auf 10 halbe Urlaubstage pro Jahr.
Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht verlor er. Das Verfahren ist nun beim BAG als Nichtzulassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen BAG, 9 AZN 496/19 anhängig und muss entschieden werden.
Begründung des Arbeitsgerichts und Landesarbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht meinte, dass weder die Beklagte noch ihr Rechtsvorgänger sich verpflichten wollten, dem Arbeitnehmer dauerhaft zehn halbe Urlaubstage zu gewähren.
Das Landesarbeitsgericht verwies in seiner Begründung auf das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) und lehnte auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf halbe Tage Urlaub ab.
§ 7 BUrlG – rechtliche Grundlage versagt halbe Tage
Nach § 7 BUrlG hat die Arbeitgeberin die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Das gilt aber nur, wenn dem Urlaubswunsch
- weder dringende betriebliche Belange
- noch Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang haben,
nicht entgegenstehen.
Dabei ist nach § 7 BUrlG der Urlaub zusammenhängend zu gewähren ist. Dadurch soll der Erholungszweck des Urlaubs erreicht werden. Ausnahmen hiervon sind möglich, wenn Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, eine Teilung erforderlich machen. Dies wäre generell hier vielleicht der Fall gewesen. Das LAG verneinte aber eine Aufteilung auf so viele halbe Tage. Das LAG sagte deutlich, dass zwar der Wunsch des Arbeitnehmers auf Teilung vorliege, aber bei einer Gewährung eine Zerstückelung des Urlaubs in viele kleine Einheiten wegen des Erholungszweckes nicht in Betracht komme. »Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Kläger gerade eine »Atomisierung« seines Urlaubsanspruchs in viele Bruchteile von Urlaubstagen begehrt. Dies ist nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 BUrlG unzulässig.«, so das LAG wörtlich.
Damit gab das LAG dem Anspruch auf halbe Urlaubstage aus dem BUrlG eine Absage.
Kein vertraglicher Anspruch auf die halben Tage
Das LAG verneinte auch einen Anspruch auf halbe Urlaubstage aus Vertrag im vorliegenden Fall.
Es gilt der Grundsatz, dass der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht auf halbe Tage aufgedröselt werden kann. ABER: Das LAG meinte richtigerweise, dass die Möglichkeit bestehe, vertraglich halbe Urlaubstage zu vereinbaren, wenn es den Urlaub betreffe, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.
Leider hatte der Kläger genau eine solche Vereinbarung nicht abgeschlossen bzw. nicht so vorgetragen, dass klar war, dass man halbe Tage für die den Mindesturlaub übersteigenden Urlaubstage vereinbart hatte.
Auch keine betriebliche Übung
Der Arbeitnehmer macht in der Klage geltend, ihm seien all die Jahre halbe Tage gewährt worden, so dass auch ein Anspruch für die Zukunft bestehe und machte die sog. betriebliche Übung geltend.
Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen. Aus dieser Wiederholung können die Arbeitnehmer schließen, dass ihnen eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer vom Arbeitgeber eingeräumt wird. Es erwächst aus dieser Übung ein Anspruch der Arbeitnehmer für die Zukunft.
Das LAG meinte im vorliegenden Fall, dass sich eine betriebliche Übung immer an alle Beschäftigten eines Betriebs oder zumindest an eine kollektiv abgrenzbare Gruppe richten muss. Im Fall des klagenden Arbeitnehmers handele es sich nur um eine individuelle Sonderregelung. Da nur er als Einziger im Betrieb die halben Tage bekommen habe, komme eine betriebliche Übung nicht in Betracht. Daher scheiterte der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall auch an dem Anspruch aus betrieblicher Übung.
Praxistipp
Das BUrlG ist nicht gleich auf den ersten Blick verständlich. Es sieht den Samstag als vollen Werktag an. Will man ersehen wie hoch der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist, muss man von einer 6 Tage-Woche ausgehen (Montag bis Samstag). Damit hat man 24 Urlaubstage bei einer 6 Tage- Woche und 20 Urlaubstage bei einer 5 Tage-Woche.
Für diesen Urlaubsanspruch kann man keine halben Tage Urlaub beantragen und bewilligt bekommen.
Aber die meisten haben mehr Urlaubstage als den gesetzlichen Mindesturlaub. Für diese Tage kann man auch Bruchteile von Tagen vereinbaren und nehmen. So besteht trotz des Urteils des LAG eine Möglichkeit als Arbeitnehmer halbe Urlaustage zu bekommen. Ob dies aber so sinnvoll ist, ist zu bezweifeln. Dem Urlaub liegt ja der Zweck von arbeitsfrei und Erholung inne. Bei halben Tagen kann dies schlechterdings eher nicht erfüllt werden. Nichtsdestotrotz eröffnet auch das LAG diese Option.
Der Arbeitnehmer hat im vorliegenden Fall Rechtsmittel beim BAG eingelegt, so dass es sicher interessant sein wird, wie das BAG entscheidet. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass das BAG die Frage der halben Tage anders sieht. Das BAG hat 2018 (Urteil 19.6.2018 – 9 AZR 615/17) entschieden, dass soweit kein Bruchteil von Urlaubstagen geschuldet ist, gemäß § 7 Abs. 2 BUrlG die Arbeitsbefreiung durch Erteilung von Urlaub nur für den ganzen Tag gewährt werden. Das Ergebnis beim BAG bleibt trotzdem spannend abzuwarten.
Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH
Quelle
Aktenzeichen 4 Sa 73/18
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 17.7.2019.