Betriebliches Eingliederungsmanagement

Strenge Anforderungen an den Datenschutz im BEM

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Quelle: dessauer_Dollarphotoclub

Ein BEM kann nur mit Einwilligung des Beschäftigten durchgeführt werden. Der muss auch mit der Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten einverstanden sein. Dabei ist darauf zu achten, dass mögliche Einwilligungserklärungen nicht zu weit gehen und freiwillig erfolgen. Die sensiblen Gesundheitsdaten braucht er nicht Dritten im Betrieb offen zu legen.

Das war der Fall

Eine langjährige im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmerin fehlte häufig wegen Kurzerkrankungen. Der Arbeitgeber sandte ihr im Januar 2020 ein BEM-Einladungsschreiben. Dem Schreiben war eine sog. »Datenschutzerklärung« beigefügt, mit der die Arbeitnehmerin aufgefordert wurde, in die Nutzung ihrer Gesundheitsdaten im Rahmen eines BEM einzuwilligen.

Dagegen ist nichts zu sagen. Das BEM erfolgt nur mit Einverständnis des betroffenen Beschäftigten. Für die Verarbeitung der Gesundheitsdaten ist zudem eine datenschutzrechtliche Einwilligung des Beschäftigten (Art. 9 Abs. 2 a) DSGVO) erforderlich. Allerdings stand in der vom Arbeitgeber vorgegebenen Einwilligungserklärung, dass sich die Arbeitnehmerin nicht nur mit der »Erhebung« und »Nutzung« ihrer Gesundheitsdaten im BEM einverstanden erklären sollte, sondern auch mit der »Bekanntmachung« dieser Daten u.a. gegenüber ihrem »Vorgesetzten« und der »Standortleitung«. Auf diese BEM-Einladung reagierte die Arbeitnehmerin nicht.

Das sagt das Gericht

Der Arbeitgeber konnte nicht kündigen, da er das BEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt hatte. Er verletzte dabei datenschutzrechtliche Grundsätze.

Wie genau ist ein BEM durchzuführen?

Wie genau das BEM durchzuführen ist, darüber sagt das Gesetz nichts Genaues (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Klar ist, dass es sich beim BEM um einen – so das Gericht – »Suchprozess« handele, der Lösungen zur Vermeidung künftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll. Folgende Mindeststandards lassen sich aus dem Gesetz ableiten:

  • Der Arbeitgeber muss die Initiative zum BEM ergreifen.
  • Die gesetzlich vorgesehenen Stellen und Ämter müssen beteiligt werden.
  • Außerdem ist die Interessenvertretung hinzuzuziehen, vorausgesetzt der Arbeitnehmer ist einverstanden.
  • Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Ziele des BEM erläutern. Dazu zählt die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden soll und die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden kann.
  • Daneben ist ein Hinweis zum Datenschutz von Bedeutung. Der Arbeitgeber darf nur solche Daten erheben, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können (Art. 9 Abs. 1, 4 Nr. 15 DSGVO).
  •  Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines BEM die Rede sein.

Was hat der Arbeitgeber hier falsch gemacht?

Die von ihm vorgefasste und der Beschäftigten übermittelte datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung ging inhaltlich zu weit, so das LAG. Denn die Arbeitnehmerin hätte einer »Bekanntmachung« ihrer Gesundheitsdaten (einschließlich der Diagnosen) nicht nur dem unmittelbaren Vorgesetzten, sondern auch gegenüber der Standortleitung und weiteren Personen im Betrieb zustimmen sollen. Dazu aber besteht nach Ansicht des LAG kein nachvollziehbarer Grund. Daher war die Unterrichtung hier nicht ordnungsgemäß.

Das muss die Interessenvertretung beachten

Zwar ist ein vorheriges BEM keine notwendige Voraussetzung für eine wirksame Krankheitskündigung ist. Dennoch sind die meisten Kündigungen unverhältnismäßig, wenn nicht ein BEM-Verfahren versucht wurde. Zum BEM gehört immer eine ordentliche datenschutzrechtliche Unterrichtung. Und die ist heikel: Denn zwar kann der Arbeitgeber ohne gewisse Kenntnisse der Krankheit und der Gesundheitsdaten nichts ausrichten, aber er darf auch nur die nötigen Daten bekommen und vor allem dürfen diese nur ihm, nicht allen möglichen Leuten im Betrieb bekannt gemacht werden.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Baden-Württemberg (28.07.2021)
Aktenzeichen 4 Sa 68/20
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