Wiedereingliederung

Zurück nach langer Krankheit – worauf hat man Anspruch?

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Quelle: © D. Ott / Foto Dollar Club

Kann ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben, darf er dem Arbeitgeber nicht selbst eine andere Beschäftigung anbieten. Vielmehr ist es Aufgabe des Arbeitgebers, ihm einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz zuzuweisen, sofern es einen solchen gibt. Ansonsten macht sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig – so das LAG Köln.

Es geht um Nachzahlung des Arbeitslohns für mehrere Monate nach Rückkehr nach längerer Krankheit.

Das war der Fall

Der 1960 geborene Beschäftigte, war seit 1981 bei seiner Arbeitgeberin, einer Volksbank, zunächst als Auszubildender zum Bankkaufmann und ab 1984 als Angestellter beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag von 1983 enthält keine präzisen Tätigkeitsbeschreibungen. Er war zuletzt im Private Banking als Vermögensspezialist mit einem Bruttogehalt von 5.730,88 Euro tätig. Er erkrankte ab dem Oktober 2020 für längere Zeit. Als Ursachen gab er die belastende Situation am Arbeitsplatz an: Leistungsdruck, Zahlenstress und das Fehlen von Unterstützung seien an der Tagesordnung.

Nach seiner Genesung ist zunächst unklar, ob und wie er weiterbeschäftigt werden soll. Der Mitarbeiter ist aufgrund seines Lebensalters und seiner Beschäftigungsdauer tariflich vor ordentlichen Kündigungen geschützt. Der Mitarbeiter bietet sich ab dem 12.4.2022 für verschiedene Tätigkeiten an, die der Arbeitgeber mit Blick auf seine Erkrankung ablehnt. Ab Juli 2022 wird er schließlich wieder auf einem anderen Arbeitsplatz im Bereich Firmenkunden eingesetzt. Der Arbeitnehmer meint, der Arbeitgeber hätte ihn schon früher seinen Vorschlägen entsprechend beschäftigen können Er verlangt Nachzahlung seiner Vergütung für die Zeit vom 12.4. bis 15.7.2022, rund 17.600 Euro zuzüglich Zinsen.

Das sagt das Gericht

Das LAG gab in zweiter Instanz dem Arbeitgeber Recht. Hier hatte der Beschäftigte keinen Anspruch auf Nachzahlung des ausgebliebenen Lohns, da er bereits keinen Anspruch auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes hatte.

a) Kein Annahmeverzug bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit

Der Beschäftigte kann seinen Anspruch auf Nachzahlung des ausgebliebenen Gehalts nicht auf Annahmeverzug (§§ 615, 611a BGB) stützen. Wer aus gesundheitlichen Gründen seinen zuletzt zugewiesenen Job nicht mehr ausüben, kann nicht einfach selbst eine andere Tätigkeit anbieten. Geschuldet ist immer nur die vom Arbeitgeber zugewiesene Tätigkeit. Kann diese nicht mehr ausgeübt werden, kann der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten (BAG 14.10.2020 - 5 AZR 649/19).

b) Kein Schadensersatz für fehlenden „leidensgerechten“ Arbeitsplatz

Ein Beschäftigter, der aus gesundheitlichen Gründen seine ursprüngliche Tätigkeit nicht ausüben kann, kann vom Arbeitgeber unter bestimmten Umständen die Neuausübung seines Weisungsrechts nach § 106 GewO verlangen, bei der der Arbeitgeber die gesundheitlichen Einschränkungen berücksichtigen muss. Er muss versuchen, einen sog. „leidensgerechten" Arbeitsplatz für den Beschäftigten zu ermöglichen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, wird er nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig.

Dazu muss ein solcher Arbeitsplatz im Betrieb vorhanden und auch frei sein. Ist das nicht der Fall, kann er diesen auch nicht verlangen. Der Arbeitgeber konnte jedoch keine passenden Stellen finden, die seinen Anforderungen entsprachen. Die Entscheidung, wie Arbeitsplätze im Unternehmen gestaltet werden, liegt im Ermessen der Beklagten. Daher wird dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zugesprochen.

c) Keine Ansprüche aus Schwerbehindertenrecht

Da der Bankmitarbeiter unstreitig weder schwerbehindert noch einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, kann er sich auch nicht auf einen Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 SGB IX oder das Benachteiligungsverbot nach § 164 Abs. 2 SGB IX in Verbindung mit dem AGG berufen.

Hinweis für die Praxis

Ein Beschäftigter, der aus gesundheitlichen Gründen seinen zugewiesenen Job nicht mehr ausüben kann, kann einen Anspruch auf einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz haben. Dieser muss allerdings im Betrieb vorhanden sein, der Arbeitgeber braucht ihn nicht extra zu schaffen. Der Beschäftigte muss nachweisen, dass ein solcher Arbeitsplatz vorhanden ist.

Auf die besonderen Schutzrechte § 164 Abs. 4 SGB IX, die auch eine behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsplätze und -organisation einschließt und den Arbeitgeber zu weiteren Maßnahmen verpflichten kann, können sich in der Tat nur schwerbehinderte Menschen und ihnen Gleichgestellte berufen.

© bund-verlag.de (fro, ck)

Quelle

LAG Köln (17.10.2023)
Aktenzeichen 4 Sa 1/23
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