Teilzeitarbeit

Gleicher Lohn für alle Lebensretter

19. Januar 2023
Ambulanz Rettungswagen Notarzt Arzt
Quelle: Pixabay.com/de

Ein geringfügig beschäftigter Rettungsassistent darf bei gleicher Qualifikation für dieselbe Tätigkeit nicht schlechter bezahlt werden als eine Vollzeitkraft. Dass die geringfügig Beschäftigten ihre Schichtdienste frei anbieten können, während Vollzeitkräfte verbindlich eingeteilt werden, rechtfertigt keinen geringeren Stundenlohn – so das Bundesarbeitsgericht.

Darum geht es

Der Kläger verlangt eine Lohnnachzahlung, da er sich als geringfügig Beschäftigter gegenüber vergleichbaren in Vollzeit beschäftigten Rettungskräften benachteiligt sieht.

Die Arbeitgeberin führt Notfallrettungen und Krankentransporte durch. Der Kläger ist bei ihr als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses angestellt. Die vorgesehenen 16 Stunden pro Monat können überschritten werden.

Die Arbeitgeberin unterscheidet zwischen sog. »hauptamtlichen« und »nebenamtlichen« Rettungsassistenten. Die »hauptamtlichen« Rettungskräfte arbeiten in Voll- und Teilzeit für eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto. Der Kläger ist als „nebenamtlicher“ Rettungsassistent tätig, diese Gruppe erhält pro Stunde 12,00 Euro brutto.

Die »nebenamtlichen« Rettungsassistenten teilt die Arbeitgeberin nicht einseitig zu Diensten ein, sie können Wunschtermine für Einsätze benennen. Die Arbeitgeberin versucht diesen zu entsprechen, ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt sie den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit.

Kläger fordert Gleichbehandlung beim Lohn

Mit seiner Klage hat der Kläger zusätzliche Vergütung in Höhe von 3.285,88 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Er hat geltend gemacht, er werde durch die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern wegen seiner Teilzeittätigkeit benachteiligt.

Die Arbeitgeberin hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.

Das LAG München hat die Arbeitgeberin zur Zahlung der geforderten Vergütung verurteilt (LAG München 19.1.2022 - 10 Sa 582/21). 

Das sagt das BAG

Die Arbeitgeberin legte Revision ein, hatte aber vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung benachteilige den Kläger ohne sachlichen Grund, so das BAG. Dies sei ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitkräfte (§ 4 Abs. 1 TzBfG).

Kein sachlicher Grund für Ungleichbehandlung beim Lohn

Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten seien gleich qualifiziert und übten die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Arbeitgeberin pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der neben-amtlichen Rettungsassistenten sei kein sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung. Es sei bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist.

Gestaltungsfreiheit der »Nebenamtlichen« ist unerheblich

Auch wenn man unterstelle, dass die Arbeitgeberin durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen ihre Schichten einseitig zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt den das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen.

Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre »Einsatzreserve«. Unerheblich ist, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Arbeitgeberin lasse insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat.

Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist für die öffentlichen Aufgaben eines Rettungsdienstes ergangen, die hier dargelegten Grundsätze lassen sich aber ohne Weiteres auch auf Teilzeit-Verhältnisse in anderen Branchen übertragen. Auch geringfügig Beschäftigte sind Teilzeit-Arbeitnehmer und genießen den vollen gesetzlichen Benachteiligungsschutz gegenüber in Vollzeit Beschäftigten in § 4 TzBfG.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (18.01.2023)
Aktenzeichen 5 AZR 108/22
BAG, Pressemitteilung vom 18.1.2023
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