Befristungsrecht

Archäologisches Projekt als Befristungsgrund?

26. September 2019
Archäologie Forschung Ausgrabung Wissenschaft
Quelle: www.pixabay.com/de | Bild von JamesDeMers

Der Arbeitgeber kann befristet einstellen, wenn in seinem Betrieb vorübergehend mehr Personalbedarf besteht. Bloße wirtschaftliche Unsicherheit rechtfertigt aber keine Befristung - selbst bei Wissenschaftlern in einem langjährigen Ausgrabungsprojekt, entschied das BAG.

Das war der Fall

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter erhielt im Rahmen eines langfristigen archäologischen Ausgrabungsprojekts immer wieder befristete Arbeitsverträge. Der letzte Vertrag bezog sich auf ein Projekt, bei dem er als technischer Grabungsleiter bei einer so genannten Rettungsgrabung eingesetzt wurde. Nach Ablauf der letzten Befristung klagte der Mitarbeiter auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, da für die Befristung kein sachlicher Grund bestanden habe.

Der Arbeitgeber wendete dagegen ein, es habe sich bei den Rettungsgrabungen nicht um eine Daueraufgabe, sondern um ein zeitlich begrenztes Projekt gehandelt. Solche Grabungen würden nur durchgeführt, wenn dies zum Schutz von Kulturdenkmälern erforderlich sei. Die Befristung sei nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) damit sachlich gerechtfertigt.

Das sagt das Gericht

Das BAG sieht als möglichen Befristungsgrund die Tatsache, dass eine Rettungsgrabung nur ein begrenztes Projekt ist, für das vorübergehend Personal benötigt wird. Das BAG verweist den Fall zu sachlichen Entscheidung an das LAG zurück, macht zugleich aber grundsätzliche Ausführungen zur Befristung wegen vorübergehend erhöhtem Beschäftigungsbedarf.

Ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG) liegt vor, wenn:

  • entweder ein vorübergehender Anstieg des Arbeitsvolumens im Bereich der Daueraufgaben vorliegt
  • oder durch die Übernahme eines Projekts oder einer Zusatzaufgabe mehr Beschäftigungsbedarf entsteht (sog. Projektbefristung).

Keinesfalls darf es sich – so das BAG - um permanent anfallende Daueraufgaben handeln. Denn hier müsste der Arbeitgeber dauerhaft einstellen. Eine Befristung ist daher nur für Zusatzaufgaben denkbar, die gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers klar abgrenzbar sind, in dem sie entweder ein ganz neues, aber nur vorübergehendes Projekt darstellen oder im Volumen deutlich über die Daueraufgaben hinausgehen.

Arbeitgeber darf Daueraufgaben nicht als Projekte tarnen

Der Arbeitgeber muss bei Abschluss des befristeten Vertrags eine Prognose anstellen, nach der mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach Ende des Befristungsvertrags kein Bedarf mehr für den Beschäftigten besteht. Im Bereich der Daueraufgaben kann sich der Arbeitgeber nicht dadurch Befristungsmöglichkeiten schaffen, dass er diese Aufgaben künstlich in »Projekte« zergliedert. Zu guter Letzt: Die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko jedes Arbeitgebers und rechtfertigt eine Befristung nicht. Als gesetzlicher Normalfall gilt immer noch das unbefristete Arbeitsverhältnis.

Das müssen Betriebsrat und Personalrat beachten

Zwar ist die Mitbestimmung bei befristeten Arbeitsverträgen beschränkt. Die Befristung selbst kann im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nicht überprüft werden. Dennoch hat der Interessenvertreter eine wichtige Beratungsfunktion – vor allem, wenn es um die Entfristung geht. Arbeitnehmer sollten wissen, dass die Projektbefristung bei Arbeitgebern ein beliebter Befristungsgrund geworden ist. Immer häufiger werden Arbeitsverträge mit dem Hinweis auf die Mitarbeit des Arbeitnehmers an einem Projekt befristet. Häufig ist aber die Mitarbeit an einem »Projekt« von Arbeitgeberseite nur vorgeschoben, um einen befristeten Vertrag abschließen zu können. Der Arbeitnehmer ist gut beraten, wenn er nicht jede Befristung hinnimmt bzw. diese hinsichtlich der obigen Kriterien überprüft. Interessenvertreter sollte Beschäftigte in dieser Richtung unbedingt beraten.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

BAG (23.01.2019)
Aktenzeichen 7 AZR 212/17
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