Sonderpreisträger im Interview

Pflege-Azubis werden verbrannt

01. Dezember 2022
Martin Voß

Ausbildung: Woran hakt es in der Pflege-Ausbildung? Martin Voß, Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung der Helios Klinik Sangerhausen, wurde zusammen mit seinen JAV-Kolleg:innen mit einem Sonderpreis beim Deutschen Betriebsräte- Preis 2022 ausgezeichnet

Laut einer aktuellen ver.di-Studie sind Azubis in der Pflege häufig unzufrieden. Woran liegt das aus Deiner Sicht?

Aus meiner Sicht liegt die aktuelle Unzufriedenheit bei den Azubis vor allen an den schweren Arbeitsbedingungen in der Pflege und dem Fachkräftemangel, unter denen die Auszubildenden oft leiden. Sie werden wegen der Unterbesetzung, vor allem in den späteren Ausbildungsjahren, wie »normale« Fachkräfte auf Station bzw. dem Wohnbereich eingesetzt. Somit liegt der Fokus nicht mehr auf dem Lernen und Ausbilden. Diese »vollwertigen« Kräfte werden dann auch noch in andere Bereiche geschickt, um dort auszuhelfen, das
wäre das sogenannte Stations-Hopping. Sie bekommen somit keine individuelle Anleitung und erreichen oft nicht ihre gesetzten Ziele in den eigentlichen Einsatzbereichen. In dieser Hinsicht herrscht ein regelrechtes Verbrennen der Azubis. Die meisten schaffen es nicht, Beruf mit Privatleben zu vereinbaren oder leiden unter dem Berufsalltag mit den fehlenden Pausen, Zeitdruck und mehr. Sie schaffen es nicht, sich genügend zu erholen. Die Sichtweise der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist auch ein Problem. Diese sind meist in der Annahme, dass Azubis nur zum Aushelfen da sind. Das stimmt aber nicht. Sie sollen in Zukunft diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ersetzten und müssen dafür lernen. Es fehlt die Wertschätzung.

Ihr habt im Jahr 2020 die Azubis zur Qualität der Ausbildung befragt: Was waren die größten Kritikpunkte?

Die Kritikpunkte von damals stimmen mit den aktuellen Pflegereport zum Großteil überein. Bei uns nahmen das Stations-Hopping und die
Praxisanleitung dabei den größten Teil ein. Bei der Praxisanleitung war das Problem, dass sie nicht durch qualifizierte Praxisanleiter, sondern quasi von jedem durchgeführt wurde. Dadurch litt die Qualität, als auch die Individualität der Anleitung und führte auch dazu, dass die Auszubildenden ihre Prüfung nicht so ablegen konnten, wie sie wollten.

Was habt ihr als JAV unternommen, um die Situation zu verbessern?

Nachdem wir von den Problemen erfahren haben, erörterten wir direkt mit den anderen Parteien im Betrieb, wie man das Problem »Azubi-Flucht« und die Unzufriedenheit verändern könnte und haben uns konkrete Lösungsvorschläge ausgedacht und an die Auszubildenden weitergegeben, Feedback eingeholt und weitergemacht, bis wir letztendlich das Ergebnis, die Betriebsvereinbarung »Praktische Ausbildung«, erreicht haben.

Euer Tipp für andere JAVen, die sich mit einem ähnlichen Thema beschäftigen?

Kommunikation ist der erste Schritt, um von den Problemen der Auszubildenden zu erfahren, denn von allein wird keiner auf die JAV zukommen. Deshalb ist ein regelmäßiger Austausch sehr wichtig. Ein weiterer Faktor ist, dass jeder Betrieb anders handelt und man stark auf die Umsetzbarkeit seiner Ideen achten muss. Deshalb muss man sich mit allen Beteiligten austauschen, um die Meinungen aller einzufangen. Kompromissbereitschaft sollte hier auch großgeschrieben werden. Dennoch sollte man trotzdem an seinen Ideen festhalten und nicht aufgeben!

Aus: Arbeitsrecht und Betrieb (AiB) 12/2022, S. 8

►Mehr zum Preisträger »Sonderpreis Moderne Ausbildung«

 

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