Vergütung

Das sagen die Experten zur Betriebsratsvergütung

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Quelle: © Sailorr / Foto Dollar Club

Die Diskussionen um die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern kochen wieder hoch. Seit langem fordern Arbeitsrechtler eine Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Wir haben die Autoren unseres neuen Handbuchs, Prof. Dr. Gregor Thüsing und Dr. Matthias Denzer, zu dem Thema befragt.

Betriebsratsmitglieder werden aktuell wie »vergleichbare Arbeitnehmer« ihrer Qualifikation bezahlt. Was ist von diesem Prinzip zu halten? Sollte das so bleiben?

DENZER: Die Regel ist Konsequenz des Ehrenamtsprinzips. Und bei dem soll es bleiben. Es sichert die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der Betriebsratsarbeit. Jeder Mitarbeiter weiß: Wer Betriebsrat wird, der wird dies aus Überzeugung, sinnvolle Sacharbeit leisten zu wollen, nicht aus Karriereüberlegungen heraus. Das ist für die Betriebsverfassung ganz wichtig.

Die Qualifikationen und Entwicklungen als Betriebsrat spielen also keine Rolle?

THÜSING: Meines Erachtens schon, aber die Meinungen, die hierzu vertreten werden gehen weit auseinander. Die Rechtsprechung hat sich hier noch nicht festgelegt. Im Fitting heißt es, dass besondere Leistungen des Betriebsratsmitglieds in seiner Amtsführung ein Indiz für seine überdurchschnittliche Qualifikation im Allgemeinen sein können, und Georg Annuß schreibt noch weitergehend, dass die Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit erworbenen besonderen Qualifikationen sowie der dabei gezeigten besonderen Leistungen durch das Gesetz nicht verboten, sondern im Gegenteil sogar gefordert wird. Das ist nicht unplausibel. Das BAG wird hierzu hoffentlich irgendwann einmal Stellung nehmen. Dann hätten wir Klarheit.

Viele Arbeitsrechtler – vor allem aus den Gewerkschaften – fordern eine Eingruppierung der Betriebsratsmitglieder: Was halten Sie davon?

DENZER: Das wird ja zurzeit bereits in einigen Unternehmen praktiziert. In der Presse heißt es, Daimler hatte zumindest früher eine solche Regelung. Gruppiert man einfach ein, unabhängig von der Qualifikation, so liegt darin ein glasklarer Verstoß gegen die Konzeption des Gesetzes. Da gibt es nichts zu deuteln. Aber: Man kann auch auf krummen Wegen zum richtigen Ziel kommen. Auch solcherlei »eingruppierte« Betriebsräte können im Einzelfall das richtige Entgelt erhalten, weil es sich eben aus ihrer individuellen Erwerbsbiographie ergibt. Das gilt es dann im Einzelfall nachzuhalten.

Wie könnte ansonsten eine »gerechte Vergütung« aussehen?

THÜSING: Es scheint mir richtig zu sein, dass der Gesetzgeber die vorhandenen Pfade besser ausleuchtet. Bereits jetzt gilt: Der Arbeitgeber muss den Betriebsräten eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Von dem Benachteiligungsverbot erfasst wird nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich aus ihr ergebende Entgelt. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann daher den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen. Das aber ist oftmals nur schwer nachzuweisen und jede Unsicherheit kann zum Streit unter den Beteiligten führen, insbesondere wenn außertarifliche Vergütungen in Rede stehen.

Und was könnte der Gesetzgeber da tun?

THÜSING: Zum einen können die Kriterien geschärft werden, nach denen die fiktive Karriere zu ermitteln ist. Das Bundesarbeitsgericht spricht etwas hilflos von »Hilfstatsachen«, die es zu ermitteln und in ihrer Gesamtheit entsprechend den Umständen des Einzelfalls zu bewerten gilt. Die Praxis kann sich nur mühsam hier ein Bild machen. Das kann durch den Gesetzgeber vorstrukturiert werden: Welche Indizien sind relevant, wie sind sie zu gewichten? Man könnte aber beispielsweise auch die Regelung der Betriebsratsvergütung zur Konkretisierung den Tarifpartnern überlassen. Ein Tarifvertrag kann dann Transparenz und Verlässlichkeit schaffen. Dies ist ein bewährtes Modell, undeutliche oder allzu abstrakte gesetzliche Regelungen maßgeschneiderten betrieblichen Lösungen zu überantworten. Die Betriebsratsvergütung eignet sich hierfür besonders.

Braucht es Obergrenzen, um Exzesse in der Vergütung zu verhindern?

DENZER: Exzesse sind immer zu verhindern, aber was sind Exzesse? Etwas, was regelkonform im Rahmen des gegebenen oder künftigen Rechts zustande kommt, das mag im Einzelfall hoch sein, kann aber kein Exzess sein. Etwas, was rechtswidrig ist, mag gerade deswegen ein Exzess sein. Dann brauchen wir aber keine Grenzen. Das aktuelle System kennt keine starren Obergrenzen.

Die Interviewpartner:

Prof. Dr. Gregor Thüsing,

LLM., Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn
 

 

 

 

Dr. Matthias Denzer,

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn

 

Buchtipp:

Thüsing/Denzer: »Rechtssichere Betriebsratsvergütung«, 1. Auflage 2019, Bund-Verlag.

Mehr lesen:

5 Fragen zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

© bund-verlag.de (fro)

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