Führerschein für gute Zielvereinbarungen

Über Führungskultur wird viel geredet, in der Praxis am Arbeitsplatz muss sie sich bewähren. Eine Nagelprobe dafür ist die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten, etwa Gespräche über Zielvereinbarungen und Zielerreichung. In diese Besprechungen gehen Beschäftigte teils mit sehr gemischten Gefühlen: Oft wird einseitig über ihre Leistung geurteilt, nur das Gegenüber formuliert Erwartungen. Fair und auf Augenhöhe geht anders.
Weit verbreitet: Personalsteuerung über Ziele
In den letzten Jahren sind Zielvereinbarungsgespräche in den Unternehmen fest etabliert worden. Obwohl sie oft zur betrieblichen Routine gehören, sind viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer noch verunsichert. Sie sehen den institutionalisierten Austausch als einseitige Kontrolle seitens der Geschäftsführung, die Karte der Disziplinierung wird vielerorts systematisch ausgespielt.
Zudem handelt es sich nicht immer um Vier-Augen-Gespräche. Viele Beschäftigte sitzen vor zwei, drei Personen. Dies ist eine ungleichgewichtige Situation. Die Mitarbeiter/innen wissen oft nicht, was sie diesmal erwartet, Gesprächsthemen sind nicht klar umrissen. Dabei können die Gespräche Chancen bergen, wenn sie gut gestaltet werden. Eine Voraussetzung dafür ist es, klare und faire Abläufe einzuhalten und die Verantwortung des Arbeitgebers für diese Fairness zu betonen.
Mitbestimmung der Interessenvertretung
Wichtig zu wissen: Die Interessenvertretungen sind keine Zuschauer, sie bestimmen auf breiter Ebene mit!
Der Arbeitgeber muss die Interessenvertretung nach dem Betriebsversfassungsgesetz (BetrVG) und dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) rechtzeitig und umfassend über die Einführung von Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungssystemen unterrichten (nach § 80 Abs. 2 BetrVG und § 68 Abs. 2 BPersVG): Dabei geht es um die Kontrollfunktion der Interessenvertretung und die dafür erforderlichen Informationsrechte: Rechtzeitig ist eine Information, wenn die (Personal-)Maßnahme noch gestaltbar ist, also gleich zu Beginn der Planung. Umfassend ist eine Information, wenn der BR oder PR die Perspektiven der Maßnahme und ihre Konsequenzen für die Beschäftigten verstehen und beurteilen kann.
- Werden bei Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungssystemen Gesprächsprotokolle und/oder Formulare genutzt, ist deren Einsatz und Ausgestaltung mitbestimmungspflichtig (nach § 94 Abs. 1 BetrVG sowie nach § 75 Abs. 3 Nr. 9 BPersVG). Es geht um den Inhalt und Umfang der Protokolle, um den Verwendungszweck, die Zulässigkeit von Fragen und nicht zuletzt um den Datenschutz.
- Da Zielvereinbarungen und ihre Kontrolle sowie damit verbundene Gespräche immer auch der Beurteilung der Beschäftigten durch Vorgesetze dienen, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 BetrVG sowie nach § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG berührt (Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze).
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Mitbestimmungsrechte aus dem Beitrag von Andrea Breme in »Gute Arbeit« 12/2017 (S. 16-19): Sie führt weitere Mitbestimmungstatbestände aus, bietet Literaturhinweise (auch zur Gestaltung von Betriebs-/Dienstvereinbarungen) und erläutert, wie das »Leistungsprinzip der permanenten Bewährung« als außergewöhnliche Drucksituation – mit ständiger Kontrolle und Prüfung – die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz erhöhen kann. Das führt leicht zu Beanspruchungen (Fehlbelastungen), wenn die Interessenvertretungen nicht aufmerksam sind und gegensteuern.
Gesprächsleitlinien gestalten
Betriebs- und Personalräte können die im Artikel skizzierten Mitbestimmungsrechte und Gestaltungstipps nutzen, um ein faires Prozedere für Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen auszuhandeln und festzuschreiben – per Dienst- oder Betriebsvereinbarung. Klar definierte Inhalte und Abläufe schützen einzelne Beschäftigte besser vor Willkür und können zudem regelmäßig überprüft werden.
Außerdem unterscheidet der Beitrag zwischen Zielvereinbarung und Zielvorgabe: Können Beschäftigte nicht mitreden, wird nicht auf Augenhöhe über Ziele gesprochen und verhandelt, dann geht es um bloße Zielvorgaben, alles andere wäre Etikettenschwindel.
Weitere Informationen
Mehr zum Thema Führung und Gesundheit, die Wirkungen der Personalsteuerung auf das Wohlbefinden und das Stresserleben der Beschäftigten, im Titelthema »Gute Arbeit« 12/2017 (S. 8- 19).
Die österreichische Arbeitspsychologin Brigitta Gruber schreibt über »Wertschätzung als Gesundheitsressource« und vermittelt das Modell von der »Biologie der Enttäuschung« (S. 8-12). Dr. Michael Bretschneider-Hagemes erläutert, wie der Wandel der Personalsteuerung die Mitbestimmung aushebeln kann, wenn Beschäftigte sich selbst steuern und Ziele über alles stellen - ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit (S. 13-15).
Noch kein Abonnent der »Guten Arbeit« (GA)? Jetzt zwei Ausgaben kostenfrei testen!
© bund-verlag.de (BE)