Gesundheitsschutz

Hygieneschutz ist Arbeitsschutz

24. März 2020 Arbeitsschutz
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Quelle: © DOC RABE Media / Foto Dollar Club

In Zeiten des Coronavirus steht der Arbeitsschutz für die Beschäftigten an erster Stelle. Im Einzelhandel und in anderen Dienstleistungsbetrieben sind Arbeitnehmer vor allem durch den Kontakt mit Kunden gefährdert. Unser Experte Prof. Dr. Wolfhard Kohte gibt Hinweise, welche Anforderungen das Arbeitsschutzgesetz stellt und wie der Schutz für Menschen mit Vorerkrankungen aussieht.

Vor drei Wochen haben wir an dieser Stelle erste Informationen zur Bedeutung und Beachtung des Arbeitsschutzes vor allem in Einrichtungen des Gesundheitswesens veröffentlicht. In der Zwischenzeit hat sich gezeigt, wie wichtig es für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen ist, dass auch zu ihrem eigenen Schutz die Regeln des Arbeitsschutzes eingehalten werden.

Im Unterschied zu einigen anderen Ländern sind in Deutschland noch keine Todesopfer unter den Beschäftigten im Gesundheitswesen zu verzeichnen. Der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe hat am 13.3. weitere Hinweise veröffentlicht, wie zusätzliche organisatorische Maßnahmen getroffen werden können, weil vor allem Schutzausrüstungen fehlen.

Gefährdung durch Kunden

Inzwischen betrifft der Schutz vor Infektionen aber auch die Beschäftigten fast in allen anderen Betrieben, in denen noch keine Kurzarbeit eingeführt ist bzw. eine behördliche Schließung erfolgt ist. Der Kontakt mit Menschen, die möglicherweise unerkannt infiziert sind, ist  überall eine große Herausforderung. Im Einzelhandel und in anderen Dienstleistungsbetrieben wird diese Gefährdung vor allem durch Kunden vermittelt.

In Betrieben, die weiter aufrechterhalten werden, wie zum Beispiel in der Energie- und Versorgungswirtschaft, in der Eisen- und Stahlindustrie und den Anlagen der Chemie, die nicht herunter gefahren, kann diese Gefährdung auch durch die eigenen Kolleginnen und Kollegen erfolgen. In der Inkubationszeit vor allem in der ersten Woche gibt es unerkannte Übertragungsmöglichkeiten, die so weit wie möglich verhindert müssen. Kontaktschutz und Abstand sind daher in allen Betrieben geboten und durch klare Regeln zu organisieren.

Daher sind angesichts der Verbreitung der Pandemie in allen Betrieben Maßnahmen zum Infektionsschutz erforderlich. Dies sind generelle Arbeitsschutzpflichten nach §§ 3, 4 Nr. 3 Arbeitsschutzgesetz, weil in jedem Betrieb die Grundsätze der Hygiene zu beachten sind. Eine kurze Zusammenfassung dieser Grundsätze ist zum Beispiel auf www.infektionsschutz.de zu finden.

Arbeitsschutz muss organisiert werden. Die Beteiligung der Betriebs- und Personalräte ist dafür eine wichtige Voraussetzung. In betriebsratslosen Betrieben ist eine Arbeitsschutzberatung mit den Beschäftigten erforderlich (§ 81 Abs. 3 BetrVG).  In allen diesen Betrieben sind daher eine kurze und einfache Gefährdungsbeurteilung, eine konkrete Unterweisung sowie die Nutzung von Schutzausrüstungen und Desinfektionsmitteln erforderlich. Zur Desinfektion am Arbeitsplatz und zum regelmäßigen Händewaschen sind auch regelmäßige Kurzpausen geboten.

Es muss weiter gesichert werden, dass der erforderliche Abstand in Pausenräumen und Kantinen eingehalten wird. Einzubeziehen ist hier auch das Reinigungspersonal; auch in Fremdfirmen muss der Arbeitsschutz sichergestellt werden.

Eine praktische und überschaubare Liste dieser unverzüglich umzusetzenden Maßnahmen hat die Berufsgenossenschaft Bau (www.bgbau.de) veröffentlicht. Sie ist gut handhabbar und auch in allen anderen Betrieben, in denen die Produktion bzw. Dienstleistung aufrechterhalten wird, kurzfristig realisierbar.

Arbeitsschutz für Menschen mit Vorerkrankungen

Besondere Anstrengungen sind im Arbeitsschutz für Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderungen erforderlich (§ 4 Nr. 6 ArbSchG). Dazu hat die Berufsgenossenschaft für Handel und Warendistribution (www.bghw.de) sehr hilfreiche Hinweise gegeben.

Wer Vorerkrankungen hat, die zu besonderen Risiken bei einer Infektion führen, wie zum Beispiel Asthma, koronare Erkrankungen, Diabetes, muss das Recht erhalten, an einem anderen Arbeitsplatz mit Minimierung des Kundenkontakts, zum Beispiel im Lager oder im Home-Office, zu arbeiten. In den Betrieben ist eine kurze Liste dieser Vorerkrankungen nach dem Muster der BGHW zu veröffentlichen, damit die Betroffenen ärztliche Bescheinigungen, dass sie zu einer der Risikogruppen gehören (die Diagnose gehört natürlich nicht in eine solche Bescheinigung), vorlegen können. Dann kann zügig mit dem Betriebsrat  und der Schwerbehindertenvertretung gemeinsam eine Versetzung oder bezahlte Freistellung geregelt werden kann. In Einzelfällen kann die ärztliche Beratung auch zum Ergebnis haben, dass hier Arbeitsunfähigkeit vorliegt und die Arbeitspflicht entfallen ist.

Betriebe mit einer funktionierenden Arbeitssicherheitsorganisation sind im Vorteil. Der Arbeitsschutzausschuss kann in einer kurzfristig realisierbaren Telefonkonferenz die Aufgaben verteilen und priorisieren. Wenn ein ortsnaher betriebsärztlicher Dienst verfügbar ist, kann die ärztliche Vorsorge und Beratung gesichert werden. Das ist gerade für Menschen mit Vorerkrankungen sehr wichtig.

Für alle sichtbar haben inzwischen viele Betriebe des Einzelhandels mit Maßnahmen zum Hygieneschutz begonnen. In Betrieben, in denen kein Hygieneschutz realisiert wird, können die Beschäftigten sich auf ihr Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 BGB berufen. Das Entgelt ist dann fortzuzahlen. Trotz Hygieneschutz kann für Menschen mit Vorerkrankungen die Arbeit unzumutbar sein, dann können sie nach § 275 Abs. 3 BGB von der Arbeit fernbleiben.

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Autor:

Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Gründungsprofessur Zivilrecht II, Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches, Arbeits-, Unternehmens- und Sozialrecht sowie Zentrum für Sozialforschung Halle (ZSH).

© bund-verlag.de

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