Krankmelden durch Boten ist erlaubt

Darum geht es
Der Arbeitnehmer ist seit 2018 bei seinem Arbeitgeber als Schlosser beschäftigt. Am 12.9.2021 verletzte er sich und erlitt eine Fingerquetschung. Er setzte seine zunächst seine Arbeit fort, entschied sich später jedoch dafür, einen Arzt aufzusuchen. Er teilte dies einem Kollegen mit und bat diesen, den Arbeitgeber entsprechend über seine Abwesenheit zu unterrichten. Der zuständige Arzt bescheinigte dem Arbeitnehmer wegen der Verletzung vom 22.9. bis 8.10.2021 Arbeitsunfähigkeit.
Allerdings erteilte ihm der Arbeitgeber eine Abmahnung, weil er seine krankheitsbedingte Abwesenheit lediglich über einen Kollegen mitgeteilt hatte. Damit war der Arbeitnehmer nicht einverstanden und klagte gegen den Arbeitgeber, die Abmahnung aus seiner Personalakte zu entfernen.
Das sagt das Gericht
Das Arbeitsgericht (ArbG) Emden gab der Klage des Arbeitnehmers statt. Die Abmahnung muss aus der Personalakte entfernt werden, da sie dem Kläger zu Unrecht erteilt worden ist. Die Arbeitgeberin habe nicht nachgewiesen, dass der Kläger gegen die ihm obliegende (Ab)Meldeverpflichtung verstoßen habe.
Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (5 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Dies habe der Kläger getan, denn es ist ausreichend, wenn die Abmeldung gegenüber einem zur Entgegennahme von Erklärungen befugten Mitarbeiter erfolge. Der ausgewählte Kollege sei im vorliegenden Fall zu einer solchen Entgegennahme zwar nicht befugt, das spreche aber nicht dagegen, dass der erkrankte Arbeitnehmer den Kollegen als Boten an den zuständigen Vorgesetzten einsetzt.
Zwar trage im Anschluss der Arbeitnehmer das Risiko, dass die Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht rechtzeitigen oder nicht korrekt übermittelt wird. Im hier entschiedenen Fall geht das Gericht jedoch davon aus, dass der Bote jedoch die Meldung sowohl unverzüglich als auch korrekt abgegeben hat, denn eine Verspätung habe die Arbeitgeberin auch vor Gericht nicht geltend gemacht.
Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung des ArbG Emden ist zutreffend und sachgerecht. Zwar wird die gesetzliche Pflicht, den Arbeitgeber rechtzeitig von Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten, streng gehandhabt. Dennoch wird eine Krankmeldung nach einer Verletzung am Arbeitsplatz oft in Eile stattfinden, denn es gilt als ja erstes, schnell einen Arzt aufzusuchen. Daher ist es richtig, wenn der erkrankte Arbeitnehmer auch einen Arbeitskollegen als Boten einsetzen darf. Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird ja seit 1.1.2023 zwischen Krankenkasse und Arbeitgeber elektronisch übermittelt, so dass hier keine eigene Vorlagepflicht des Arbeitnehmers mehr besteht.
Tipp für den Betriebs- und Personalrat
Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Krankmeldung ist gesetzlich vorgegeben (§ 5 Abs. 1 EFZG). Das Meldeverfahren im Betrieb oder in der Dienststelle unterliegt aber als Frage der betrieblichen Ordnung der Mitbestimmung des Betriebs- oder Personalrats, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (vgl. BAG 23.8.2016 - 1 ASBR 43/14) bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 18 BPersVG. Hier kann der Betriebs- oder Personalrat dafür sorgen, dass keine Regelungen eingeführt werden, die erkrankte Arbeitnehmer noch zusätzlich belasten.
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Quelle
Aktenzeichen 2 Ca 263/21