Pflegemindestlohn

Mindestlohn für 24-Stunden-Pflege

07. September 2022
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Quelle: © Peter Maszlen / Foto Dollar Club

Eine Arbeitnehmerin, die im Rahmen einer „24-Stunden-Pflege zu Hause“ eingesetzt wird und die Pflegeleistungen praktisch allein erbringen muss, hat Anspruch auf eine Vergütung ihrer tatsächlichen Arbeitszeit nach dem Mindestlohn - so das LAG Berlin-Brandenburg.

Darum geht es:

Die Klägerin ist eine bulgarische Staatsangehörige. Sie wurde auf Vermittlung einer deutschen Agentur, die mit dem Angebot „24 Stunden Pflege zu Hause“ wirbt, von ihrem in Bulgarien ansässigen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt, um eine hilfsbedürftige, über 90 Jahre alte Dame zu betreuen. In ihrem Arbeitsvertrag war eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden vereinbart. 

Die ältere Dame lebte allein in ihrer Wohnung in einer Seniorenwohnanlage. Sie hatte mit dem Arbeitgeber der Klägerin einen Betreuungsvertrag geschlossen. Dieser sah eine umfassende Betreuung vor, mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts und Gesellschaftleisten und ein Betreuungsentgelt für 30 Stunden wöchentlich. Die Klägerin war gehalten, in der Wohnung der zu betreuenden Dame zu wohnen und zu übernachten.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin Vergütung von 24 Stunden täglich für mehrere Monate gefordert und zur Begründung ausgeführt, sie sei in dieser Zeit von 6.00 Uhr morgens bis etwa 22.00/23.00 Uhr im Einsatz gewesen und habe sich auch nachts bereithalten müssen, falls sie benötigt werde. Sie habe deshalb für die gesamte Zeit einen Anspruch auf den Mindestlohn. Der Arbeitgeber hat die behaupteten Arbeitszeiten bestritten und sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit berufen.

Mit Urteil vom 17.08.2020 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg der Klage schon einmal im Wesentlichen stattgegeben. Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht eine weitere Aufklärung der konkret geleisteten Arbeits- und Bereitschaftszeiten gefordert.

Das sagt das Gericht

Im neuen Verfahren hat das LAG Berlin-Brandenburg der Klägerin nach einer umfangreichen Beweisaufnahme den geforderten Mindestlohn erneut zugesprochen. 

Die Betreuung der älteren, pflegebedürftigen Dame habe 24 Stunden am Tag sichergestellt werden müssen. Die Klägerin habe nach der Beweisaufnahme neben ihren vergüteten Arbeitszeiten in erheblichem Umfang vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten erbringen müssen. In den Zeiten, zu denen sich keine andere Person zur Betreuung in der Wohnung der älteren Dame aufgehalten habe, sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Betreuung für den Fall der Fälle sicherzustellen.

Das LAG ist hierbei davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beweislast für die erbrachten Bereitschaftszeiten trägt. Für einen kleinen Teil der eingeklagten Zahlungen hat das LAG die Klage abgewiesen, da die alte Dame diese Zeiten mit Familienangehörigen in ihrer Wohnung oder im Restaurant verbracht habe. Das LAG hat diesmal die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Es besteht aber noch die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen.

Hinweis für die Praxis

Das LAG Berlin-Brandenburg bestätigt damit bereits zum zweiten Mal, dass auch aus dem Ausland entsandte Pflegekräfte Anspruch auf Bezahlung nach dem jeweils geltenden Mindestlohn haben. Damit ist das Urteil ein wichtiger Schritt, um diese Pflegekräfte wirksam vor Ausbeutung zu schützen. 

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (05.09.2022)
Aktenzeichen 21 Sa 1900/19
LAG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 22/22 vom 06.09.2022
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