BAG: Schwerbehindertenvertretung bleibt auch bei Absinken der Wahlberechtigten im Amt!

Darum geht es
Im Kölner Betrieb einer Arbeitgeberin mit ungefähr 120 Mitarbeitern wurde im November 2019 eine SBV gewählt. Zum 1. August 2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in diesem Betrieb auf vier Beschäftigte. Die Arbeitgeberin informierte die Schwerbehinderten-Vertrauensperson darüber, dass ihr Amt dann nicht mehr existiere und die schwerbehinderten Beschäftigten von SBV in einem anderen Betrieb vertreten würden.
Die örtliche SBV beantragte beim Arbeitsgericht festzustellen, dass ihre Amtszeit nicht wegen des Herabsinkens der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter zum 01.08.2020 endet. Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG) Köln wiesen den Antrag zurück.
Die Gerichte waren der Auffassung, der Grundsatz des Betriebsverfassungsrechts, dass bei Absinken der wahlberechtigten Beschäftigtenzahl unter fünf die Amtszeit des Betriebsrats endet, sei auf die SBV übertragbar (LAG Köln 31.8.2021 - 4 TaBV 19/21).
Das sagt das Bundesarbeitsgericht
Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte die Vertrauensperson mit ihrem Antrag Erfolg: Das BAG hob die Entscheidung aus Köln auf und entschied, dass das Amt der SBV nicht vorzeitig beendet ist.
Eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorsieht, bestehe im Gesetz nicht.
Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit sei auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten.
Hinweis für die Praxis
Diese rundum begrüßenswerte Entscheidung stärkt die Position der Vertrauensperson, denn nun können Arbeitgeber die Legitimität der SBV nicht mehr so leicht in Zweifel ziehen, falls die Zahl der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten im Laufe der Amtszeit schwankt. Denn wo eine SBV amtiert, kann sie sich über ihre volle Amtszeit dafür einsetzen, dass der Arbeitgeber Menschen mit Behinderung fair behandelt und auch neu einstellt.
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Quelle
Aktenzeichen 7 ABR 27/21
BAG, Pressemitteilung vom 19.10.2022