Whistleblower

DGB: Geplanter Hinweisgeberschutz reicht noch nicht

01. August 2022
crowd Menge Menschen Whistleblower
Quelle: www.pixabay.dom/de | Bild von kmicican

Wer im beruflichen Kontext Rechtsverstöße aufdecken will, soll dafür künftig zwei Meldewege zur Verfügung haben. Er wird als Hinweisgeber vor Repressalien geschützt. Ein neues Hinweisgeberschutzgesetz soll Rechtsklarheit schaffen. Doch den Gewerkschaften geht das geplante Gesetz noch nicht weit genug.

In Deutschland ist der Hinweisgeberschutz bislang vor allem durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geprägt. Man ging im Grundsatz vom Vorrang betriebsinterner Aufklärung aus, der Gang an
die Öffentlichkeit sollte nur als „letztes Mittel“ dienen. Das neue Hinweisgeberschutzgesetz, dessen Referentenentwurf nun vorliegt, soll eigentlich Rechtsklarheit schaffen. Das Gesetz erfolgt in Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie.

Die Kernregelungen des Gesetzes sind:

  • Geschützt alle Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Rechtsverstöße oder missbräuchliches Verhalten erlangt haben und diese melden wollen (sog. Hinweisgeber).
  • Es sind zwei Meldewege für hinweisgebende Personen vorgesehen, die gleichwertig nebeneinanderstehen und zwischen denen hinweisgebende Personen frei wählen können. Dies sind zum einen interne Meldekanäle innerhalb des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Behörde, zum anderen externe Meldekanäle, die bei einer unabhängigen Stelle eingerichtet werden.
  • Hinweisgebende Personen werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen umfangreich vor Repressalien geschützt. Hierzu werden alle ungerechtfertigten Nachteile wie beispielweise Kündigung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing gezählt, die eine hinweisgebende Person infolge einer Meldung oder Offenlegung erleidet.
  • Damit das neue Schutzsystem wirksam und funktionstüchtig sein kann, ist es unerlässlich, dass die Identitäten aller von einer Meldung betroffenen Personen weitgehend geschützt werden.
  • In bestimmten Notfällen oder wenn der Weg der externen Meldestelle versagt, sind Hinweisgeber befugt, mit ihren Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen. Hierbei ist auf eine Gefährdung des öffentlichen Interesses abzustellen.
     

Kritik des DGB und der Gewerkschaften

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt den Gesetzentwurf grundsätzlich als richtig, bemängelt aber, dass die Richtlinie dem deutschen Gesetzgeber mehr Potential geboten hätte, die strukturelle Unterlegenheit der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis auszugleichen.

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte am 27.7.2022 in Berlin: „Für uns ist klar: Wer den Mut hat, Missstände wie beispielsweise Gammelfleisch oder mangelnden Arbeitsschutz zu melden verdient Dank und Anerkennung, statt Repressalien und Nachteile befürchten zu müssen. Das muss ausdrücklich geregelt werden – schließlich sind solche Meldungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse.“

 Die Kritik des DGB zielt dabei vor allem auf folgende Punkte:

  • Die Rechte der Gewerkschaften müssten in den Anwendungsbereich des Gesetzes aufgenommen werden.
  • Nicht umfasst vom Gesetz sind Verstöße gegen Beschäftigtenrechte, die ausschließlich privatrechtlich geahndet werden. Dazu zählen Verstöße gegen das Urlaubsrecht, gegen das Teilzeit- und Befristungsrecht sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das ist misslich.
  • Auch die Verletzung der Mitbestimmungsrechte bzw. die Behinderung der betrieblichen Mitbestimmung sollten – so die Kritik - vollumfänglich und nicht nur eingeschränkt aufgenommen werden. Der Entwurf klammert Missstände aus, die von öffentlichem Interesse sind und keinen Gesetzesverstoß darstellen.
  • Erfasst werden sollten im Prinzip alle Verstöße oder Fehlverhalten, das im öffentlichen Interesse liegt. Auch anonyme Meldungen sollten nachverfolgt werden.
  • Die Schutzmaßnahmen – das Herzstück eines jeden Hinweisgeberschutzgesetzes – bleiben weitestgehend unreguliert. Der Gesetzentwurf sollte alle Diskriminierungen ein für alle Mal unterbinden.

Weitere Infos

„Kündigungsschutz - Mehr Schutz für Whistleblower“, 7.4.2022

„Informantenschutz – EU stärkt Schutz von Whistleblowern“, 11.10.2019

© bund-verlag.de (fro)

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