Eingliederungsmanagement

So geht die stufenweise Wiedereingliederung

13. September 2018
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Quelle: Bund-Verlag GmbH

Nach § 74 SGB V soll die stufenweise Wiedereingliederung arbeitsunfähigen Beschäftigten helfen, sich schrittweise wieder an die bisherige Arbeitsbelastung zu gewöhnen. Welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, lesen Sie kostenfrei in einem Auszug aus unserem druckfrischen Ratgeber »BEM – Wiedereingliederung in kleinen und mittleren Betrieben« von Edeltrud Habib.

Die Stufenweise Wiedereingliederung, oft auch »Hamburger Modell« genannt, ist nur möglich, solange noch ein Krankengeldanspruch besteht. Sie wird vom Arzt in Abstimmung mit Patient, der Krankenkasse und dem Arbeitgeber angeregt. Sie soll nach längerer Krankheit den Wiedereinstieg in den alten Beruf erleichtern.

Individuell angepasste Steigerung der Arbeitszeit

Schrittweise wird der Beschäftigte wieder an die volle Arbeitsbelastung am bisherigen Arbeitsplatz herangeführt, um so den Übergang zur vollen Arbeitsfähigkeit zu erreichen. Durch eine individuell angepasste Steigerung von Arbeitszeit und Arbeitsbelastung im Rahmen eines medizinisch, arbeitsphysiologisch und psychologisch begründeten sowie ärztlich überwachten Wiedereingliederungsplans (Stufenplan) wird angestrebt, den Genesungs- und Rehabilitationsprozess günstig zu beeinflussen. Dabei wird den arbeitsunfähigen Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben,

  • ihre berufliche Belastbarkeit kennen zu lernen,
  • ihre Selbstsicherheit wiederzugewinnen und
  • die Angst vor Überforderung und einem Krankheitsrückfall abzubauen.

Arbeitnehmer muss ausreichend belastbar sein

Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Grundsätzlich haben alle Beschäftigten nach längerer Krankheit Anspruch auf eine stufenweise Wiedereingliederung durch die gesetzliche Krankenkasse. Medizinische Voraussetzung für eine stufenweise Wiedereingliederung ist eine ausreichende Belastbarkeit und die Prognose, dass die stufenweise Eingliederung wieder zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit am alten Arbeitsplatz führen wird. (aus: »BEM – Wiedereingliederung in kleinen und mittleren Betrieben«, S. 54)

Hinweis der Online-Redaktion:
Anspruch gegen den Arbeitgeber

Nach mittlerweile wohl herrschender arbeitsrechtlicher Auffassung haben Beschäftigte Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen die stufenweise Wiedereingliederung ermöglicht. Diese Auffassung fasst das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm wie folgt zusammen:

»Zu den gebotenen Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX (seit 1.1.2018: § 167 Abs. 2 SGB IX) gehört auch die Durchführung einer ärztlich empfohlenen stufenweisen Wiedereingliederung. Die frühere Auffassung, dem Arbeitgeber stehe die Entscheidung hierüber frei, ist nach Einführung des § 84 SGB IX überholt. Im Weigerungsfall kommen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gemäß § 280 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 84 Abs. 2 SGB IX in Betracht.« (LAG Hamm, Urteil vom 4.07.2011 - 8 Sa 726/11).

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Teilnahme ist für die Beschäftigten freiwillig

Wird vom Arbeitgeber oder vom Arzt eine stufenweise Wiedereingliederung vorgeschlagen, können die Beschäftigten selbst entscheiden, ob sie das Angebot annehmen. Dafür ist eine schriftliche Zustimmung erforderlich. Eine Ablehnung hat keine negativen Folgen – auch nicht für die weitere Zahlung des Kranken- oder Übergangsgeldes bis zur Genesung.

  • Die Gesetzliche Krankenversicherung zahlt während der stufenweisen Wiedereingliederung Krankengeld in voller Höhe. Es gelten dieselben Voraussetzungen, die auch für Zahlung von Krankengeld für Arbeitsunfähigkeit gelten.
  • Die Gesetzliche Rentenversicherung zahlt bis zum Ende der stufenweisen Wiedereingliederung Übergangsgeld weiter, wenn
    a) die stufenweise Wiedereingliederung innerhalb von vier Wochen nach dem Ende der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Gesetzlichen Rentenversicherung beginnt (vgl. § 15 SGB VI in Verbindung mit § 28 SGB IX [seit 1.1.2018: § 44 SGB IX]) und
    b) die Notwendigkeit der stufenweisen Wiedereingliederung bis zum Ende der von der gesetzlichen Rentenversicherung finanzierten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Rehabilitationseinrichtung festgestellt und die Wiedereingliederung von dieser eingeleitet wurde.

Krankenkasse kann Wiedereingliederung anregen

Wird von der Rehabilitationseinrichtung eine stufenweise Wiedereingliederung zu Lasten der Rentenversicherung nicht eingeleitet, kann die zuständige Krankenkasse innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die Einleitung einer stufenweisen Wiedereingliederung beim zuständigen Träger der Rentenversicherung anregen.

Voraussetzung hierfür ist, dass die veränderten individuellen Verhältnisse nach der Entlassung aus der Rehabilitationseinrichtung für die Einleitung der stufenweisen Wiedereingliederung sprechen und diese innerhalb von vier Wochen nach dem Ende der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beginnen kann.

(aus: »BEM – Wiedereingliederung in kleinen und mittleren Betrieben«, S. 55)

Wie die Stufenweise Wiedereingliederung nach § 74 SGB V und nach § 44 SGB IX funktioniert, lesen Sie bei Edeltrud Habib, »BEM – Wiedereingliederung in kleinen und mittleren Betrieben« ab S. 54.

Quelle:
Edeltrud Habib, »BEM – Wiedereingliederung in kleinen und mittleren Betrieben«, S. 54, 55. © bund-verlag.de (ls)


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