Arbeitslosengeld

Keine Sperrzeit mehr nach Altersteilzeit

14. September 2017
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Quelle: © papalapapp / Foto Dollar Club

Positive Trendwende: Es wird keine Sperrzeit fällig, wenn eine Arbeitnehmerin sich Ende der Altersteilzeit erneut arbeitssuchend meldet, statt in Rente zu gehen – so das Bundessozialgericht. Nach Einschätzung des DGB-Rechtsschutzes wird das BSG diese Grundsätze auch auf weitere Verfahren von Arbeitnehmern anwenden, die ihren Rentenbeginn wegen der »Rente mit 63« verschoben haben.

Arbeitnehmerin will Rentenbeginn verschieben

Die Klägerin schloss 2006 mit der Stadt Heubach, bei der sie seit 1982 beschäftigt war, einen Altersteilzeitvertrag, der das bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis als Bürofachkraft in ein bis 30.11.2015 befristetes Arbeitsverhältnis umwandelte.

Ziel: »Rente ab 63«

Sie hatte ursprünglich beabsichtigt, nach Ende der Freistellungsphase vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen. Davon nahm sie wieder Abstand, als zum 1.07.2014 eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte (so genannte »Rente ab 63«) eingeführt worden war. Sie meldete sich deshalb zum 1. Dezember 2015 arbeitssuchend und beantragte Arbeitslosengeld.

Arbeitsagentur verhängt Sperrzeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) lehnte aber die Zahlung von Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit für einen Zeitraum von zwölf Wochen ab. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Ab 1.03.2016 bezog die Klägerin Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Das Sozialgericht hatte die Klage gegen die Sperrzeit abgewiesen. Im Berufungsverfahren hatte auch das Landessozialgericht die Sperrzeit im Grundsatz bestätigt, allerdings bei der Klägerin einen Härtefall anerkannt und die Sperrzeit auf sechs Wochen verkürzt (LSG Baden-Württemberg, 30.09.2016 - L 8 AL 1777/16). Dagegen hatte die BA Revision eingelegt.

BSG: Sperrzeit nicht gerechtfertigt

Diese Revision hat das Bundessozialgericht aber zurückgewiesen und entschieden, dass das Verhalten der Klägerin überhaupt keine Sperrzeit rechtfertigt. Die Klägerin hat ihr Beschäftigungsverhältnis zwar dadurch gelöst, dass sie durch eine Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat. Dadurch ist sie nach dem Ende der Freistellungsphase zum 1.12.2015 beschäftigungslos geworden. Jedoch kann sich die Klägerin auf einen wichtigen Grund für ihr Verhalten berufen.

Kündigung wegen Rentenantritts war berechtigt

Für den Fall der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag hatte der 7. Senat des Bundessozialgerichts bereits mit Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 6/08 R - entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund berufen kann, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine entsprechende Annahme bei prognostischer Betrachtung objektiv gerechtfertigt ist. Dies war bei der Klägerin der Fall.

Altersteilzeitler dürfen ihre Meinung ändern

Dass sie von ihren ursprünglichen Plänen dann im Jahre 2014 Abstand genommen hat, weil sich für sie - nachträglich - die Möglichkeit ergab, drei Monate nach dem geplanten Rentenbeginn Altersrente ohne Abschlag zu beziehen, ist für die Beurteilung des wichtigen Grundes unerheblich. Dieser ist nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin entgegen ihrer ursprünglichen Absicht keine Altersrente mit Abschlägen beantragt hat. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist inhaltlich und auch zeitlich allein bezogen auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen.

Gute Aussicht für weitere Betroffene

Auch in anderen Fällen haben Arbeitnehmer in der Altersteilzeit nach Einführung der Rente für langjährig Versicherte (»Rente mit 63«) entschieden, ihren Rentenantritt zurückzustellen und sich noch einmal arbeitssuchend zu melden. Deshalb hatte die Bundesagentur für Arbeit Sperrzeiten verhängt, die von den Gerichten bestätigt wurden, so z. B. das LSG Baden-Württemberg, 24.02.2017 - L 8 AL 3805/16 (vgl. »Sperrzeit bei Arbeitslosigkeit nach Ende der Altersteilzeit«, 19.04.2017).

Wie der DGB Rechtsschutz mitteilt, dürfte der 11. Senat des Bundessozialgerichts auch die anderen anhängigen Klagen gegen Sperrzeiten nach diesen Maßstäben beurteilen – und damit die Entscheidungsfreiheit von Arbeitnehmern kurz vor dem Rentenantritt stärken (siehe DGB Rechtsschutz, Meldung vom 13.09.2017).

 
Hinweis zur Rechtslage (Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III)

§ 159 SGB III - Ruhen bei Sperrzeit

(1) 1Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. 2Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn 1. die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),

[…]

(3) 1Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. 2Sie verkürzt sich … 2. auf sechs Wochen, wenn … b) eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.

Lesetipp:

Wichtige Infos zur »Rente mit 63 / Rente für langjährig Versicherte« bietet Ihnen der Ratgeber »Rente ab 63« von Brall/Hoenig/Kerschbaumer.

© bund-verlag.de (ck)

 
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