Krankenversicherung

Kasse zahlt keine Helme für Babys

22. Mai 2017
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Quelle: pixabay.de

Krankenkassen sind in der Regel nicht verpflichtet, den Eltern eines Säuglings die Kosten für eine Kopforthese zu erstatten. Dabei handelt es sich um einen speziell angefertigten Helm, mit dem Schädelverformungen bei Säuglingen behandelt werden. Die Helmtherapie sei eine neuartige Behandlung, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört – so das Bundessozialgericht (BSG). Ein Anspruch kann nur in Ausnahmefällen bestehen.

Das Bundessozialgericht hat am 11.05.2017 in drei Verfahren entschieden, dass Krankenkassen nicht für die Kosten einer so genannten Kopforthese zahlen müssen, mit der bei Säuglingen eine asymmetrische oder deformierte Schädelform behandelt wird.

Kein Anspruch auf Erstattung

Ein Anspruch auf Kostenerstattung von Eltern, die die Kopforthese privat bezahlt habe, scheide aus, weil die Versorgung mit einer bei der ärztlichen Behandlung eingesetzten Kopforthese nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.

Helmtherapie nicht anerkannt

Zwar kann schweren Formen der Schädelasymmetrie nicht von vornherein jeder Krankheitswert abgesprochen werden. Die Kopforthese ist aber untrennbar mit einer neuen Behandlungsmethode (so genannte »Helmtherapie«) verbunden, die darauf zielt, das Wachstum eines Säuglingskopfes mithilfe eines Helms in eine symmetrische Kopfform zu bringen. Für diese Methode fehlt eine erforderliche positive Bewertung des dafür zuständigen Gemeinsamen Bundesausschusses.

Es gibt Ausnahmefälle:

In den drei vom BSG entschiedenen Verfahren lagen die Ausnahmefälle nicht vor, unter denen ein Anspruch bestehen kann: Dies sind laut dem BSG die Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung, ein so genannter Seltenheitsfall oder ein Systemversagen.

Zudem gebe es insoweit die herkömmlich angewandte Lagerungs- und Physiotherapie für Säuglinge. Nach medizinischen Studien fehlten auch Anhaltspunkte dafür, dass eine unbehandelte Schädelasymmetrie andere schwerwiegende Erkrankungen verursachen könnte.

(BSG, Urteile vom 11.05.2017 -  B 3 KR 17/16 R, B 3 KR 6/16 R und B 3 KR 1/16 R)

Sonderfall: Schweigen der Kasse

In einem vierten Verfahren hat das BSG den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückverwiesen: Denn ein Versicherter hat Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse nicht in der gesetzlichen Drei-Wochen-Frist über den Leistungsantrag entscheidet und die Leistung privat bezahlt wird. Dies bestimmt § 13 Abs. 3a Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der Erstattungsanspruch nach dieser Vorschrift kann auch für Leistungen bestehen, die nicht zum anerkannten Katalog der Krankenkassenleistungen gehören, also auch die hier umstrittene Kopforthese.

Das Landessozialgericht muss nun in einem neuen Verfahren klären, ob sich der Kläger die Kopforthese erst nach Ablauf der 3-Wochen-Frist selbst beschafft hat, die das Gesetz den Krankenkassen zur Entscheidung einräumt

(BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 30/15 R)  
Hinweis auf Rechtsvorschriften
  • 13 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V)
(3) 1Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. ...  

eingefügt durch Gesetz vom 20.2.2013 (BGBl. I S 277) mit Wirkung vom 26.2.2013:

(3a) 1Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. ... 5Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. 6Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. 7Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. ...  
  • 23 SGB V
(1) Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind, 1. eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, 2. einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken, ...  
  • 33  SGB V
(1) 1Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. ...  
  • 135 SGB V
(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über 1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, ...
 

Weiterführende Informationen zu Kopforthesen:

Stellungnahme der Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin aus dem Jahr 2012

http://www.neuropaediatrie.com/info_fuer_aerzte/stellungnahmen.html.

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