Fortbildungskosten

Rückzahlungsklausel muss differenzieren

12. Februar 2020
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Quelle: © Jeanette Dietl / Foto Dollar Club

Arbeitgeber verlangen häufig eine Rückzahlung, wenn der Arbeitnehmer von sich aus kündigt, nachdem er eine vom Unternehmen bezahlte Fortbildung absolviert hat. Allerdings sind Rückzahlungsklauseln unwirksam, wenn sie für jeden Fall einer Eigenkündigung gelten. Von Margit Körlings.

Darum geht es:

Der Arbeitnehmer ist seit 2015 als Gesundheits- und Krankenpfleger beschäftigt. Von 2016 bis 2018 machte er eine Fachweiterbildung Intensivpflege/Anästhesie. Diese schloss er Ende September 2018 erfolgreich ab.

Er wurde während des Lehrgangs im Umfang von 670 Stunden unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt. Die Vergütungskosten betrugen 15.200 Euro. Die Kosten des Lehrgangs an sich betrugen weitere 5.300 Euro.

Der Pfleger kündigte sein Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.09.2018. Die Arbeitgeberin verlangte die Rückzahlung der kompletten Fortbildungskosten, mithin 20.500 Euro.

Das Arbeitsgericht wies die Klage der Arbeitgeberin auf diesen Betrag ab.

Das sagt das Gericht:

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Die Klausel zur Rückzahlung der Fortbildungskosten sei unangemessen benachteiligend im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und daher unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB).

Die Formulierung der Rückzahlungsklausel, das Arbeitsverhältnis ende »auf Wunsch des Mitarbeiters« sei systematisch so auszulegen, dass sie alle Fälle umfasst, in denen das Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers endet.

Rückzahlungsklauseln müssen sich, wenn sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) formuliert sind, daran messen lassen, ob sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 BGB).

Dies ist der Fall, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu beachten und auszugleichen (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18).

Die Rückzahlungsklausel war ausschließlich an die Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der Bindungsfrist gekoppelt. Dadurch schränkt sie aber die arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitsnehmers unzulässig ein. Diese Freiheit ist Teil des Grundrechts auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

Es ist erforderlich, dass die Rückzahlungspflicht nach dem Grund des Ausscheidens differenziert, denn auch eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers kann Gründe haben, die im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers liegen, z. B. wenn der Arbeitnehmer wegen Mobbing kündigt. Da die verwendete Klausel auf diese Situationen keine Rücksicht nimmt, ist sie nach dem Urteil des LAG komplett unwirksam.

Hinweise für die Praxis

Grundsätze für Rückzahlungsklausel und Bindungsfrist

Allerdings sind Rückzahlungsklauseln im Zusammenhang mit Fortbildungsverträgen nicht immer unwirksam. Diese Kosten, die der Arbeitgeber erbringt, kann er ggf. auf den Arbeitnehmer umlegen:

  • Fortzuzahlende Vergütung bei Freistellung für die Fortbildung
  • Lehrgangskosten
  • Lehrmittel
  • Reisekosten
  • Übernachtungskosten
  • Sonstige Kosten, wie etwa Kosten für Kinderbetreuung

Zudem stellt sich die Frage, wie lange sich der Arbeitnehmer nach einer bezahlten  Fortbildung an den Arbeitgeber binden muss, damit der Arbeitgeber durch die qualifizierte Arbeit einen Ausgleich für die Kosten erhält (so genannte Bindungsfrist).

Für die Bindungsfrist ist auf die Fortbildungsdauer und die Qualität der erworbenen Qualifikation des Arbeitnehmers abzustellen. Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Das BAG hat dazu Richtwerte entwickelt, wobei es allerdings immer auf die Prüfung des Einzelfalls ankommt.

Lehrgangsdauer

Bindungsfrist

bis 1 Monat

bis 6 Monate

bis 4 Monate

bis 24 Monate

6 bis 12 Monate

bis 3 Jahre

über 2 Jahre

bis 5 Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Betriebsvereinbarungen zu Fortbildungskosten

Die Rückzahlungspflicht in einer Betriebsvereinbarung zu regeln ist sehr schwierig, weil die Rückzahlungsklauseln der AGB-Kontrolle unterliegen.

Ein Beispiel: In einer Betriebsvereinbarung war die Rückzahlung der Kosten für den Fall des Nichtbestehens der Prüfung vorgesehen. Das Gericht hat entschieden, dass diese Klausel unwirksam ist, da nicht differenziert wurde, ob der Arbeitnehmer das »Nichtbestehen« selbst zu vertreten hatte, z. B. wegen Faulheit, oder nicht, z. B. wegen Krankheit.

In diesem Fall muss die Betriebsvereinbarung die Vorgaben des AGB-Rechts voll beachten, sonst ist die Rückzahlungsklausel unwirksam (LAG Niedersachen 29.10.2014 – 17 Sa 274/14).

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Hamm (11.10.2019)
Aktenzeichen 1 Sa 503/19
Sie erhalten diese Entscheidungsbesprechung als Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 12.2.2020.
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