Betriebsvereinbarung

Wann besteht ein Unterlassungsanspruch der Gewerkschaften?

26. Januar 2023
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Quelle: © alibaba / Foto Dollar Club

Gewerkschaften haben einen Unterlassungsanspruch gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen. Dieser besteht allerdings nur, wenn der Arbeitgeber unmittelbar tarifgebunden ist. Fällt die Tarifbindung, entfällt auch der Unterlassungsanspruch – so das Bundesarbeitsgericht.

Darum geht es:

Die Arbeitgeberin streitet mit einer Gewerkschaft darüber, ob der Gewerkschaft verlangen kann, dass die Arbeitgeberin es unterlässt, eine Betriebsvereinbarung umzusetzen (gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch).

Die Arbeitgeberin betreibt ein Eisenbahnverkehrsunternehmen und ist Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Dieser vereinbarte mit zwei Gewerkschaften Tarifverträge, die ua. Regelungen zur Dienst- und Schichtplanung mit unterschiedlich ausgestalteten Tariföffnungsklauseln vorsahen. Auf eine Anwendung der Tarifkollisionsregel (§ 4a Abs. 2 TVG) hatten die Tarifvertragsparteien bis zum 31. Dezember 2020 verzichtet.

 Im Jahr 2019 schloss die Arbeitgeberin mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Schicht- und Einsatzplanung. Eine der Gewerkschaften klagte gegen die Arbeitgeberin mit der Forderung, sie möge es unterlassen, diese Betriebsvereinbarung in Anspruch genommen. Die Betriebsvereinbarung verstoße gegen den Tarifvorrang vor Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 3 BetrVG) und verletze ihre Koalitionsfreiheit.

Die Vorinstanzen haben die Anträge abgewiesen. Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die antragstellende Gewerkschaft mit der Arbeitgeberin im Februar 2022 Nachfolgetarifverträge vereinbart.

Das sagt das BAG

Die Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Der gewerkschaftliche Anspruch auf Unterlassung der Durchführung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen besteht nur den Voraussetzungen von § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Diese Vorschriften erfordern eine unmittelbare und zwingende Tarifgebundenheit des in Anspruch genommenen Arbeitgebers an die maßgebenden Tarifbestimmungen.

Daran fehlt es laut dem BAG in diesem Fall, denn die Tarifverträge, auf welche die Gewerkschaft ihren Unterlassungsanspruch aus gestützt hat, gelten aufgrund ihrer Ablösung durch die Nachfolgetarifverträge nicht mehr unmittelbar und zwingend. Das hat zur Folge, dass der Unterlassungsanspruch entfällt, weil das Recht auf koalitionsgemäße Betätigung durch von diesem Tarifvertrag abweichende betriebliche Regelungen nicht mehr beeinträchtigt werden kann.

Die Gewerkschaft konnte den Unterlassungsanspruch auch nicht auf das Betriebsverfassungsrecht stützen (§ 23 Abs. 3ä iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG) stützen. Die Betriebsvereinbarung verstößt zwar gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da die Schicht- und Einsatzplanung bereits im Tarifvertrag der antragstellenden Gewerkschaft geregelt war.

In Anbetracht der schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, die sich im Fall der Anwendbarkeit kollidierender Tarifverträge mit unterschiedlichen Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen stellen, hat das Landesarbeitsgericht aber einen groben Verstoß in nicht zu beanstandender Weise verneint. Auf die von der Gewerkschaft angeführte Verfassungswidrigkeit der Tarifkollisionsregel (§ 4a TVG) kam es für die Entscheidung des BAG nicht an.

Hinweis für die Praxis

Tarifvereinbarungen haben nach § 77 Abs. 3 BetrVG Vorrang vor Betriebsvereinbarungen. Ein Unterlassungsanspruch gegen eine bestimmte Betriebsvereinbarung steht der zuständigen Gewerkschaft aber nur zu, wenn der Arbeitgeber selbst tarifgebunden ist. 

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (25.01.2023)
Aktenzeichen 4 ABR 4/22
BAG, Pressemitteilung vom 25.1.2023
Micha Heilmann, u.a.
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