Sonderpreisträger im Interview

Gutes Feeling für Verhandlungen

03. März 2023
Sabine Craemer-Böcker

Inklusion: Sabine Craemer-Boecker, Betriebsratsvorsitzende und Schwerbehindertenvertretung der BASF Polyurethanes GmbH, Lemförde, erhielt für eine umfassende Inklusionsvereinbarung eine Sonderauszeichnung beim Deutschen Betriebsräte-Preis 2022.


Was sind die zentralen Inhalte eurer Inklusionsvereinbarung?

Wir konnten dafür sorgen, dass es zu einer deutlichen zeitlichen Entlastung in der Wochenarbeitszeit für schwerbehinderte und gleichgestellte Kolleginnen und Kollegen kommt. Davon profitieren gerade die älteren Mitarbeitenden und es ermöglicht ihnen eine längere Berufstätigkeit, um möglichst nicht frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu müssen. Schwerbehinderte bekommen per Gesetz fünf Tage Zusatzurlaub im Jahr, für unsere Gleichgestellen konnten wir darüber hinaus zwei Tage Zusatzurlaub mit dem Arbeitgeber vereinbaren.
 

Aber das ist längst noch nicht alles?

Im Rahmen unserer Verhandlungen haben wir es geschafft, dass bei Bedarf eine zusätzliche Betreuungskraft im Rahmen der Ferienbetreuung in den Schulferien für Mitarbeiterkinder mit besonderem Betreuungsbedarf zur Verfügung gestellt wird. Das eröffnet auch diesen Kindern die Möglichkeit, an der Ferienbetreuung teilzunehmen. Weiter haben wir bis zu sechs Tage Freistellung für Eltern mit schwerbehinderten Kindern bis zum Ende der ersten Ausbildung für Therapie-, Arzt- oder Kliniktermine vereinbart. Hinzu kommt die Bereitstellung von möglichst leidensgerechten Arbeitsplätzen für betroffene Kolleginnen und Kollegen in den jeweiligen Einheiten. Bei Bedarf wird der  Qualifizierungsbedarf ermittelt und die Teilnahme an Weiterbildungs-maßnahmen gezielt gefördert. Außerdem konnten wir erreichen, dass bei Betrieblichen Eingliederungsmaßnahmen die Schwerbehindertenvertretung grundsätzlich immer mit einzubinden ist.

Wie habt ihr es geschafft, so weitgehende Entlastungen zu erreichen?

Hier war gute Recherche das A und O. Wir haben uns konzernintern kundig gemacht, aber auch geschaut, was andere so machen und was davon auch für uns passen könnte. Im Rahmen unserer intensiven Vorbereitung und auf Grundlage der gewonnenen Informationen haben wir dann den ersten Entwurf einer Inklusionsvereinbarung erstellt. Eine weitere wichtige Rolle spielte die umfassende Vorbereitung auf die konkreten Verhandlungen mit dem Arbeitgeber: Denn ohne stimmige Argumentation geht nichts. Gespräche machen dann wenig Sinn oder enden schnell da, wo man gar nicht hinwill bzw. man geht mit leeren Händen raus. Außerdem haben wir immer unsere »Antennen« ausgefahren, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann es gerade günstig ist, mit dem Arbeitgeber zu verhandeln.

Wie ist die Resonanz bei den Kolleginnen und Kollegen?

Sie nehmen die Entlastungen gerne in Anspruch, denn sie profitieren gesundheitlich enorm von der zeitlichen Entlastung. Auch die Eltern mit schwerbehinderten Kindern sind immer sehr positiv überrascht, wieviel Unterstützung sie vom Unternehmen bekommen.

Worauf sollten Gremien bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber achten?

Ein enger Zusammenschluss von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung ist ganz wichtig, und natürlich sollte man auch immer die gesamte wirtschaftliche Situation des Unternehmen im Blick haben. Denn Sparmaßnahmen erschweren Verhandlungen und freiwillige Goodies von Seiten des Arbeitgebers sind dann extrem schwierig durchzusetzen. Wichtig ist es auch, immer noch Verhandlungsmasse »zum Nachgeben« zu haben, um dem Arbeitgeber das Gefühl zu vermitteln,  er hat der Arbeitnehmervertretung noch was abgenommen.

Aus: Arbeitsrecht und Betrieb (AiB) 3/2023, S. 7

►Mehr zum Sonderpreisträger »Inklusion gestalten«2022


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