BVerwG bestätigt Mitbestimmungsrecht bei Urlaubsgrundsätzen

Die Dienststelle betreibt eine Klinik für Psychiatrie und Neurologie. Per Mail bat sie die in den allgemeinen psychiatrischen Abteilungen tätigen Sozialarbeiter:innen, sich zukünftig nur noch abteilungsintern gegenseitig im Urlaub zu vertreten und diese Planung mit den Chefärzten abzustimmen. Bisher war eine abteilungsübergreifende Urlaubsvertretung möglich, sodass die als Anweisung empfundene »Bitte« bei den Beschäftigten auf Widerstand stieß. Der daraufhin eingeschaltete Personalrat machte gegenüber der Klinikleitung erfolglos sein Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 4 Nr. 4 Alt. 1 Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) NRW bei der Festlegung dieses Urlaubsgrundsatzes geltend und leitet dann ein Beschlussverfahren ein.
Das sagt das Gericht
Das BVerwG stellt fest, dass sich aus der Formulierung »Aufstellung des Urlaubsplans« nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe, dass auch sogenannte allgemeine Urlaubsgrundsätze vom Mitbestimmungsrecht erfasst seien.
Änderung der bisherigen Rechtsprechung
Die Systematik und die Entstehungsgeschichte, mit der der Senat sich ausführlich auseinandersetzt, stünden diesem Ergebnis nicht entgegen. Soweit das Gericht in der Vergangenheit eine andere Auffassung vertreten habe (BVerwG 23.08.2007 – 6 P7.06), halte der Senat daran nicht mehr fest. Bei der Anweisung, zukünftig abteilungsinterne Urlaubsvertretungen durchzuführen, handele es sich um einen solchen allgemeinen Urlaubsgrundsatz. Es gehe um eine abstrakt-generelle Regelung, die eine Vorfestlegung für die spätere Koordinierung des Urlaubsplans zum Ausgleich der dienstlichen Interessen und der Urlaubsansprüche der Beschäftigten, beinhalte.
Keine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nötig
Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts, wie es der Senat früher für erforderlich gehalten hat (BVerwG 19.01.1993 – 6 P 19.90), wenn eine streitige Anordnung eines Urlaubsgrundsatzes mit unabweisbaren dienstlichen Notwendigkeiten begründet wurde, hält das Gericht nicht mehr aufrecht. Eine derartige tatbestandliche Einschränkung des Mitbestimmungsrechts sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Grenzen des Mitbestimmungsrechtes könnten sich allenfalls aus dem im Grundgesetz verankerten Demokratieprinzip ergeben. Hieraus leiteten sich die »Schutzzweckgrenze« und »Verantwortungsgrenze« ab. Die Schutzzweckgrenze des Mitbestimmungstatbestands wird als überschritten angesehen, wenn eine Anweisung die Interessen der Beschäftigten nicht berührt und damit keinen innerdienstlichen Charakter aufweist. Dass durch eine innerdienstliche Maßnahme auch die Wahrnehmung der Amtsgeschäfte betroffen sein kann (hier die Sicherstellung der Abteilungsbesetzung), ändert nichts daran, dass die Maßnahme auch im vorliegenden Fall innerbetrieblich sei und damit innerhalb der Schutzzweckgrenze des Mitbestimmungstatbestandes liege. Die Verantwortungsgrenze bedeute, dass eine Angelegenheit nicht der Letztentscheidungsbefugnis der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle entzogen werden darf, sofern im Einzelfall Auswirkungen auf das Allgemeinwohl gegeben sind. Die Verantwortungsgrenze sei bei dem Mitbestimmungstatbestand »Aufstellens des Urlaubsplans« in der nun richtigen Auslegung beachtet, da nach § 66 Abs. 7 Satz 4-9 LPVG NW auch im Fall einer bindenden Entscheidung der Einigungsstelle das Letztentscheidungsrecht der nach § 68 LPVG NRW zuständigen Stelle bestehe.
Das bedeutet die Entscheidung für Sie
Die hinsichtlich der Auslegung des Mitbestimmungstatbestands zutreffende Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für das LPVG NRW, sondern wird überall dort Anwendung finden, wo vergleichbare Formulierungen in den Personalvertretungsgesetzen enthalten sind.
Es ist jeweils zu überprüfen, ob eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme auch die Interessen der Beschäftigten berührt und daher innerdienstlichen Charakter hat. Dies wird bei den gesetzlich geregelten Mitbestimmungstatbeständen immer der Fall sein. Es ist also nicht ersichtlich, dass die Schutzzweckgrenze die Anwendung eines Mitbestimmungstatbestands zukünftig einschränken könnte.
Allerdings wird § 66 Abs. 7 Satz 4 LPVG NW i.V.m. § 68 LPVG NRW (und den entsprechenden Regelungen in anderen Personalvertretungsgesetze) als Ausdruck der Verantwortungsgrenze eine größere Bedeutung zukommen. Danach kann innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Spruchs der Einigungsstelle vom Dienstherrn bei den Stellen nach § 68 LPVG eine Überprüfung des Spruchs beantragt werden. Voraussetzung ist eine Maßnahme, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwohl wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sein kann. Das stellt eine ganz erhebliche Hürde dar und muss in jedem Einzelfall vom Dienstherrn begründet werden. Es ist zu hoffen, dass die zuständigen Stellen nach § 68 LPVG NRW mit ihrer Verantwortung sehr sorgfältig umgehen. Dazu dient, dass sie ihre Entscheidung ebenfalls begründen müssen und auch die vorsitzende Person der Einigungsstelle von ihrer Entscheidung zu informieren haben.
Regine Windirsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Düsseldorf.
Quelle
Aktenzeichen 5 P 17.21