Ersatzmitglieder

Sabbatical: Wegen »zeitweiliger Verhinderung« sind Nachrücker zu laden

07. September 2022
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Quelle: © kosmos111 / Foto Dollar Club

Ersatzmitglieder eines Personalrats werden »richtige« Mitglieder, sobald ein ordentliches Mitglied aus dem Gremium ausscheidet oder »zeitweilig verhindert« ist, sein Amt auszuüben. Dieses Prinzip gilt im BPersVG und in allen Landespersonalvertretungsgesetzen. Unstreitig liegt eine »zeitweilige Verhinderung« vor bei Krankheit oder Urlaub des Mitglieds. Das Verwaltungsgericht Berlin hat nun – erstmals – entschieden, dass auch Beschäftigte, die sich in der Freistellungsphase eines Sabbaticals befinden, für diese Zeit »verhindert« sind.

Das war der Fall

Die Antragstellerin, beim Land Berlin in Vollzeit als Lehrerin angestellt, war und ist ordentliches Mitglied des Berliner Hauptpersonalrats (HPR). Sie vereinbarte mit der zuständigen Senatsverwaltung im Januar 2015 Folgendes:

Vom 1.8.2015 bis 31.7.2021 arbeitet sie weiterhin in Vollzeit, erhält jedoch nur 6/7 ihres bisherigen Entgelts. Vom 1.8.2021 bis 31.7.2022 ist sie von ihrer Arbeitsverpflichtung völlig freigestellt, erhält aber weiterhin 6/7 des ursprünglichen Gehalts (Freistellungsphase). Danach arbeitet sie wieder in Vollzeit mit vollem Gehalt.

Sie meinte, sie könne auch während dieser Freistellungsphase (»Sabbatical«) weiterhin Personalratsarbeit machen, wann immer sie dies wolle, insbesondere an bestimmten Sitzungen teilnehmen. Dies wurde ihr vom HPR verweigert: Sie sei während dieses Jahres »zeitweilig verhindert«. Deshalb werde (und wurde) das entsprechende Ersatzmitglied für das gesamte Jahr zur Personalratsarbeit herangezogen, also auch zu den einzelnen Sitzungen geladen. Mit ihrem Antrag beim Verwaltungsgericht Berlin wollte sie feststellen lassen, dass sie nicht »zeitweilig verhindert« im Sinne des Gesetzes sei.

Das sagt das Gericht

Verhinderung muss objektiv vorliegen

Das Gericht hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen: Sie sei aufgrund der Freistellung von allen Arbeitspflichten während ihres Sabbaticals an der Ausübung ihres Amtes als Mitglied des HPR durchgehend »verhindert«. Eine solche Verhinderung (hier: nach § 28 Abs. 1 Satz 2 PersVG Berlin, in diesem Zusammenhang identisch: § 33 BPersVG) liege vor, wenn das Mitglied des Personalrats aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Das Gesetz stellt auf den objektiven Tatbestand einer Verhinderung ab. Weder das Gremium noch Personalratsvorsitzende haben diesbezüglich ein Ermessen, erst recht nicht das betreffende Mitglied.

Das Fehlen einer Arbeitspflicht führt zu einer »zeitweiligen Verhinderung«

Die Freistellungsphase im Sabbatical ist eine solche zeitweilige Verhinderung. Sie ist vergleichbar mit anderen Konstellationen, die nach einhelliger Rechtsprechung unstreitig zeitweilige Verhinderungen darstellen, nämlich Krankheit oder Erholungsurlaub. In beiden Fällen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Freistellung von den durch den Arbeitsvertrag bestehenden Arbeitspflichten, jedoch bei weiter bestehender Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Arbeitsentgelts (§ 611 BGB, § 1 BUrlG, § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG). Diese Regelungen sind der Freistellungsphase einer Vereinbarung für ein Sabbatical vergleichbar. Auch in dieser Zeit besteht keine Arbeitspflicht, aber ein Recht auf Entgelt.

Kein Ermessen bei der Feststellung einer Verhinderung

Das Personalratsmitglied selbst, das sich in der Freistellungsphase befindet, ist rechtlich nicht befugt, selbst zu entscheiden, ob überhaupt und ggf. in welchem zeitlichen Umfang es dennoch das Personalratsamt wahrnehmen möchte. »Verhinderung« ist ein objektiver Tatbestand. Er muss auch objektiv festgestellt werden und feststellbar sein. Anderenfalls, wenn die Frage der Verhinderung in der Verfügungsbefugnis des Personalratsmitglieds stünde, wäre eine Missbrauchsgefahr gegeben. Das Mitglied hat während der Freistellungsphase Zeiten von Krankheit oder Urlaub niemandem mitzuteilen, weder dem Arbeitgeber noch dem Gremium. Wann und ob das von der Arbeit freigestellte Mitglied im Sabbatical also krank oder im Urlaub ist, müssen weder Personalrat noch der Arbeitgeber erfahren.

Die Folgen einer Verhinderung sind weitreichend

Auch sonst gilt, dass es einem Personalratsmitglied nicht freisteht zu entscheiden, ob es an einer Personalratssitzung teilnimmt oder nicht: Die Teilnahme an der Sitzung ist gesetzliche Pflicht (einhellige Rechtsprechung). Es steht also einem Personalratsmitglied nicht frei, einen »Verhinderungsfall« durch beliebiges Fernbleiben herbeizuführen – oder die Verhinderung durch »Erscheinen« zu unterbrechen. Fehlt das Mitglied ohne rechtlich anerkannten Grund bei der Sitzung, darf kein Ersatzmitglied geladen werden. Es handelt sich also nicht etwa um eine »Stellvertretung«, die Vertretene nach Belieben eintreten lassen oder verhindern/beenden können. Das Gesetz bestimmt das Nachrücken des Ersatzmitglieds als zwingende Rechtsfolge beim Vorliegen einer Verhinderung. Dies hat auch für die Nachgerückten weitreichende Folgen (Versetzungsschutz, Vorrang der Personalratstätigkeit vor den arbeitsvertraglichen bzw. Dienstpflichten und aktueller sowie nachwirkender Kündigungsschutz). Diese Folgen gelten für die gesamte Dauer der Verhinderung, ohne dass die Anwendungszeit von dem verhinderten Mitglied beeinflusst werden kann und darf.

Sabbatical als besondere Form einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung

Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber wird vertraglich eine befristete Teilzeitbeschäftigung begründet. Im Gegensatz aber zu üblichen Vereinbarungen zeitlich befristeter Teilzeitbeschäftigungen ist die Antragstellerin hier während des Sabbatical-Jahres überhaupt nicht zur Arbeit verpflichtet. Es fehlt in der gesamten Zeit eine Einbindung in die Arbeitstätigkeit auf der Dienststelle. Deshalb tritt das entsprechende Ersatzmitglied für die gesamte Dauer in den Personalrat ein.

Wolfgang Daniels, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, dka Rechtsanwälte Fachanwälte Berlin.

Quelle

VG Berlin (12.04.2022)
Aktenzeichen VG 61 K 15/21 PVL
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