Kündigungsschutz in der Diakonie

Wann betriebsbedingte Kündigungen trotz Kündigungsschutz zulässig sind

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Quelle: sakkmesterke_Dollarphotoclub

Ist ein Mitarbeiter der Kirche ordentlich unkündbar, so kommt nur die außerordentliche Kündigung in Betracht. Die ist ganz ausnahmsweise auch aus betriebsbedingten Gründen möglich – im Extremfall. Dafür muss der Arbeitgeber das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeiten nachweisen – so nun das LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Für Arbeitnehmer der Diakonie gelten besondere Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR-DD). Viele langjährige Beschäftige sind danach ordentlich nicht mehr kündbar und genießen einen besonderen – beamtenähnlichen – Kündigungsschutz. Betriebsbedingte Kündigungen sind danach eigentlich ausgeschlossen (§ 32 Abs. 4 AVR-DD).

Das war der Fall

Ein Altenpfleger war zuletzt in verantwortlicher Position als Bereichsleiter Altenhilfe bei der evangelischen Diakonie angestellt. Infolge massiver Umorganisationen ließ der Arbeitgeber die Funktion als Bereichsleiter entfallen und stellte dem Arbeitnehmer mehrere Änderungskündigungen zu, gegen die sich dieser zur Wehr setzte. Zuletzt kündigte der Arbeitgeber außerordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Der Arbeitsplatz sei entfallen.

Der Altenpfleger ist nun der Meinung, eine außerordentliche Kündigung sei nur noch aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen möglich. Betriebsbedingte Gründe reichten nicht.

Das sagt das Gericht

Das Gericht gibt dem Altenpfleger letztlich Recht. Die außerordentliche Kündigung war unwirksam. Existenznöte können eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung auslösen.

Zwar ist eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Änderungskündigung ausnahmsweise möglich. Sie kommt in Betracht, wenn der Arbeitgeber in echten wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist und ihm beispielsweise eine Insolvenz droht. Dann könne - so die Richter - der Arbeitgeber grundsätzlich auch von seinen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern einen Sanierungsbeitrag verlangen und im Wege der außerordentlichen Änderungskündigung durchsetzen (BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16).

Eine betriebsbedingte Kündigung sei auch möglich, wenn der Arbeitsplatz wegfällt und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jahrelang vergüten müsste, ohne eine entsprechende Gegenleistung in Anspruch nehmen zu können. Ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis muss nicht über Jahre hinweg aufrechterhalten werden – so die Richter.

Arbeitgeber muss das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit nachweisen

Allerdings ist unerlässlich, dass der Arbeitgeber zunächst sämtliche Anstrengungen unternimmt, um den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen (§ 31 Abs. 2 AVR -DD). Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum »wichtigen Grund«. Dies hat der Arbeitgeber hier nicht getan.

Das muss die Mitarbeitervertretung beachten

Eigentlich kann ein Beschäftigter nach § 32 Abs. 4 AVR -DD, der ordentlich unkündbar ist, nur aus einem in der Person oder in dem Verhalten liegenden wichtigen Grund außerordentlich gekündigt werden. Die Arbeitsvertragsrichtlinien gehen davon aus, dass es aufgrund der Sonderregelung unter § 31 Abs. 2 AVR -DD keiner außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen mehr bedarf.

Dennoch gehen die Gerichte davon aus, dass ganz ausnahmsweise auch betriebsbedingt gekündigt werden darf. Der Arbeitgeber darf nicht gezwungen werden, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg aufrechtzuerhalten. Die außerordentliche Kündigung ist aber nur in Extremfällen möglich. Dabei sind aber zumindest diejenigen Maßstäbe zu berücksichtigen, die für eine bei unkündbaren Mitarbeitern ausnahmeweise zulässige ordentliche Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gelten.

Zum Nachlesen:

Mehr zur Kündigung lesen Sie in unseren Lexika für die MAV:

Deppisch/Jung/Schleitzer: Praxis der Mitarbeitervertretung von A bis Z, Das Lexikon für Evangelische Kirche und Diakonie, 5. Auflage 2020, Stichwort: Kündigung, Seite 580ff.

Geisen: Lexikon der MAV für katholische Kirche und Caritas von A bis Z, 2. Auflage 2018, Stichwort: Kündigung, Seite 575ff.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Mecklenburg-Vorpommern (16.06.2020)
Aktenzeichen 5 Sa 53/20
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