Befristungen

Weg vom Wettbewerbsfetisch

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Quelle: © Style Media & Design / Foto Dollar Club

Flexibel durch Befristungen – was wohl mal gut gemeint war, wird im Hochschulbereich über das gesunde Maß hinausgeschossen. Ute Kittel, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für Bildungspolitik, erklärt der Fachzeitschrift »Der Personalrat« 7-8/2019, was sich ändern muss.

Frau Kittel, »Frist ist Frust« sagen Sie. Auch in Anspielung auf eine aktuelle Kampagne?

Unsere gemeinsame Kampagne »Frist ist Frust« mit der GEW und dem Mittelbaunetzwerk NGAWiss hat das Thema Befristung auf die Tagesordnung der Verhandlungen gesetzt. Unser Ziel ist, dass mit den dauerhaften Mitteln auch nur Dauerstellen finanziert werden. In wenigen Wochen haben wir dafür 16.000 Unterschriften gesammelt. Das zeigt: der Frust ist groß. Nichts wird an den Hochschulen als so demotivierend empfunden, wie das völlig außer Kontrolle geratene Befristungsunwesen.

Eine Vielzahl der Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen erhält nur befristete Stellen – was ist zu tun?

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Bis vor Kurzem galten Befristungen regelrecht als Qualitätsmesser; je mehr, desto besser. Inzwischen mehren sich kritische Stimmen, etwa im Wissenschaftsrat. Dafür haben wir uns lange eingesetzt. Was fehlt, sind rechtliche und politische Konsequenzen. Die Hochschulen brauchen mehr solide Grundfinanzierung und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz muss grundlegend geändert werden

Wie können die Personalräte gegen Befristungen vorgehen – brauchen diese mehr Handhabe und Rechte?

Ja, die brauchen sie. Viele Personalvertretungsgesetze schränken z. B. die Mitbestimmung bei wissenschaftlich Beschäftigten – wo an die 90 Prozent befristet sind – ganz wesentlich ein und binden Personalräten damit quasi einen Arm fest. Es gibt dennoch gute Beispiele für Dienstvereinbarungen, die viel für befristete Beschäftigte erreichen, seien es Mindestlaufzeiten oder Verlängerungsoptionen. Mehrfach haben Personalräte in den letzten Jahren dafür Preise erhalten, etwa an der Viadrina Frankfurt/Oder oder jüngst an der TU Dresden.

Wie könnte ein realisierbares Finanzierungsmodell aussehen, um befristete Beschäftigung einzudämmen?

Der Zukunftsvertrag geht einen richtigen Schritt Richtung verlässliche Grundfinanzierung. Das ist die Hauptfrage. Rund 80 Prozent der Drittmittel kommen direkt oder indirekt von der öffentlichen Hand. Was hindert uns, einen Teil davon in die Grundhaushalte umzulenken? Die Politik muss sich von ihrem Wettbewerbsfetisch verabschieden und aufhören, nur auf internationale Rankings zu schielen. Wir sind nicht mal in der Lage, Studierenden zu garantieren, dass die Dozentin, bei der sie ein Seminar besuchen, am Ende des Semesters noch da sein wird, um ihre Hausarbeiten zu korrigieren. Exzellenz sieht anders aus.

bund-verlag.de (mst)

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