Verdienstausfall

Kommunen haften für fehlende KiTa-Plätze

01. November 2016
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Quelle: RioPatuca Images_Dollarphotoclub

Eltern können ihren Verdienstausfall einklagen, wenn kommunale Träger nicht in der Lage sind, ausreichend Betreuungsplätze bereit zu stellen. Das geht aus mehreren Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor. Die gesetzgeberische Entscheidung billige der öffentlichen Hand keinen »Kapazitätsvorbehalt« zu, so die Mahnung der obersten Richter an die Gemeinden.

Geklagt hatten drei Mütter, die nach ihrer einjährigen Elternzeit wieder in Vollzeit arbeiten wollten. Daher hatten sie für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der beklagten Stadt Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres angemeldet. Zum gewünschten Termin erhielten die Klägerinnen Absagen. Die Mütter hatten einen Verdienstausfall von rund 2.000 bis 7.000 Euro eingeklagt.

Verdienstausfall ist ersatzfähiger Schaden

Der BGH hat den Müttern Recht gegeben und entschieden, dass betroffene »Eltern im Wege der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 GG) den Ersatz ihres Verdienstausfallschadens verlangen können, wenn ihren Kindern entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII ab Vollendung des ersten Lebensjahres vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt wird und sie deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können«, wie es in einer Mitteilung zu den Verfahren heißt. Allerdings hat sich das oberste deutsche Zivilgericht nicht mit der Höhe des jeweiligen Schadens befasst. Dazu müssten die Vorinstanzen noch weitere Feststellungen treffen, ebenfalls zum Verschulden der jeweiligen Behörden-Mitarbeiter im Zusammenhang mit den Absagen.

Höhe des Schadens muss Vorinstanz ermitteln

Folgendes hat der BGH klargestellt: Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, sobald der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt. Auf fehlende Plätze kann sich die zuständige Behörde nicht berufen – der Gesetzgeber hat die Kommunen verpflichtet, ausreichend Plätze zu schaffen. Notfalls müssten »geeignete Dritte« wie freie Träger oder Tagesmütter herangezogen werden. Wichtig: Der Schadensersatzanspruch der Eltern ergebe sich aus dem Zusammenhang mit dem Anspruch auf einen Betreuungsplatz, der an sich nur dem Kind zusteht. Der Gesetzgeber habe mit dem Kinderförderungsgesetz, wo die Bereitstellung der Betreuungsplätze verankert ist, Anreize für Paare schaffen wollen, Kinder zu bekommen.

Kommunen müssen Plätze bereitstellen

Der Gesetzgeber bezweckte neben der Förderung des Kindeswohls auch die Entlastung der Eltern zu Gunsten der Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit. Daraus ergibt sich, dass ein Verdienstausfall wegen fehlender Plätze als Schaden einklagbar ist.

Wird der Betreuungsplatz nicht zur Verfügung gestellt, bestehe hinsichtlich des erforderlichen Verschuldens des Amtsträgers zugunsten des Geschädigten – das ist eine Voraussetzung des Amtshaftungsanspruchs – der Beweis des ersten Anscheins. Das bedeutet: Die Kommune ist gesetzlich verpflichtet, Betreuungsplätze vorzuhalten. Ist das nicht der Fall, kann davon ausgegangen werden, dass erwerbstätigen Eltern ein Verdienstausfall entsteht, wenn sie selbst ihre Kinder betreuen müssen.

© bund-verlag.de (mst)

Quelle:

Bundesgerichtshof vom 20.10.2016 Aktenzeichen: III ZR 278/15, 302/15 und 303/15 Pressemitteilung des BGH vom 20.10.2016

 

Buchtipp der Online-Redaktion:

»Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz« (Basiskommentar) von Inge Böttcher und Bettina Graue, Bund-Verlag 2016, 274 Seiten, kartoniert, 5. Auflage, ISBN: 978-3-7663-6477-7

   
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