Sinnlose Zeugnisse abschaffen
06. September 2016

Es ist eine beeindruckende Zahl: 10 Millionen Arbeitszeugnisse müssen jedes Jahr geschrieben werden – ziemlich überflüssig, finden die Forscher Steffi Grau und Klaus Watzka von der Jenaer Ernst-Abbe-Hochschule und plädieren für eine andere Lösung. Damit ein ausscheidender Mitarbeiter eine Bestätigung über die ausgeübten Tätigkeiten und wahrgenommenen Funktionen erhält, reicht nach ihrer Ansicht ein schlichtes, einfaches Zeugnis. Das soll vorrangig auf die geleisteten Tätigkeiten abstellen.
Eine Ursache für den Niedergang des Dokuments Arbeitszeugnis ist nach Auffassung der Jenaer Experten in der Rechtsprechung zu suchen. Die verlange zwar ehrliche, aber eben auch wohlwollende Formulierungen. »Ich behaupte: Wahrheit und Wohlwollen, das kann gar nicht zusammengehen«, sagt Forscher Watzka.Oft beschönigende Zeugnisse
Das Dilemma wird oftmals gelöst, indem beim qualifizierten Zeugnis beschönigende Formulierungen auftauchen. »Dieses Paradox hat dazu geführt, dass die Bewertungen in Zeugnissen oft nur Sprechblasen sind, von denen man nie weiß, ob sie wahr oder frisiert sind.« Hinzu kommt noch die Angst vor juristischen Auseinandersetzungen. Daher müssen Beschäftigte den Zeugnisemntwurf oft selbst anfertigen.Bewerberauswahl wird nicht besser
Hilft das Arbeitszeugnis wenigstens bei der Auswahl von Bewerbern? Wohl kaum. Bei Analyse einer Bewerbungsmappe sind Arbeitszeugnisse nicht ausschlaggebend. Wichtiger sind der Lebenslauf und das Anschreiben. Zeugnisse dagegen werden nur überflogen. Den größten Nutzen hat die Tätigkeitsbeschreibung, vermittelt sie doch einen Eindruck über das Arbeitsgebiet, in dem der Bewerber bislang tätig war.Wie clevere Betriebe sich der lästigen Pflicht der Zeugnisausstellung entziehen und wie Experten die versteckten Zeugniscodes entschlüsseln, lesen Sie im Beitrag von Klaus Heimann in der Fachzeitschrift »Arbeitsrecht im Betrieb«, Ausgabe 9/2016, ab S.33.
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