Corona-Impfung

Prof. Wedde zur Abfrage des Impfstatus bei der Arbeit

01. September 2021 Corona-Impfung, Impfstatus
Impfnachweis
Quelle: pixabay

Darf der Arbeitgeber nach dem Covid-19-Impfstatus der Beschäftigten fragen? Darüber streiten Politik und Wirtschaft. Gesundheitsminister Jens Spahn denkt über eine entsprechende Gesetzesänderung nach. Aber wäre das überhaupt zulässig? Was wären die Folgen für Beschäftigte? Und was müssen Interessenvertretungen beachten? Antworten gibt Prof. Dr. Peter Wedde im Interview.

1. Wäre eine gesetzliche Regelung möglich, auf deren Grundlage Arbeitgeber die Beschäftigten nach dem Impfstatus fragen können?

 Prof. Dr. Peter Wedde:

Grundsätzlich könnte der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, die Arbeitgeber berechtigt, nach dem Impfstatus zu fragen. Naheliegend wäre eine Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) oder der gesetzlichen Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. In jedem Fall bleibt die Sinnhaftigkeit einer solchen Regelung schon deshalb fraglich, weil sich auch geimpfte Beschäftigte weiterhin mit dem SARS-CoV-2-Virus infizieren und dann andere Personen anstecken können. Somit müssen Arbeitgeber in jedem Fall weiterhin alle einschlägigen Hygienemaßnahmen vorsehen und umsetzen.

2. Was wären die Folgen einer solchen gesetzlichen Offenbarungspflicht?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Eine Verpflichtung zur Mitteilung des Impfstatus ist nichts anderes als ein Impfzwang für die rund 33,5 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland. Zudem müssten konsequenterweise nicht nur Impfungen abgefragt werden, sondern auch überstandene Erkrankungen. Hinzu müsste eine Erfassung der Beschäftigten kommen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Insbesondere bereits erkrankte Beschäftigte müssten dann befürchten, dass Arbeitgeber sich aus Angst vor möglichen künftigen Arbeitsunfähigkeiten durch »Long-Covid« von ihnen trennen, wenn dies arbeitsrechtlich möglich ist.

3. Ist die Erhebung des Impfstatus datenschutzrechtlich zulässig?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Die DSGVO lässt die Verarbeitung absolut geschützter Gesundheitsdaten nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe g) ausnahmsweise beim Vorliegen eines absoluten öffentlichen Interesses zu, verlangt dafür aber angemessen und spezifische Maßnahmen zum Schutz der Interessen der betroffenen Personen. Diese müsste eine gesetzliche Ausnahmeregelung zwingend festschreiben, was zu Mehrbelastungen für Arbeitgeber führt.

Bezogen auf Beschäftigungsverhältnisse ist die Vorgabe in § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG zu beachten, die nur erforderliche Verarbeitungen zulässt. Im Ergebnis der zur Feststellung der Erforderlichkeit durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung muss die Verarbeitung von Gesundheitsdaten unterbleiben, wenn zum Schutz vor Infektionen andere Maßnahmen zur Verfügung stehen wie etwa ein wirksames Hygienekonzept. Damit ist die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer gesetzlichen Offenbarungspflicht zweifelhaft.

4. Müssten Beschäftigte dann wahrheitsgemäß antworten, wenn der Arbeitgeber sie nach dem Impfstatus fragt? Droht sonst die Kündigung?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Geben Beschäftigte zu ihrem Impfstatus keine Auskunft, kann der Arbeitgeber die Einhaltung spezifischer Schutzmaßnahmen verlangen und beispielsweise Betretungsverbote für bestimmte Betriebsbereiche aussprechen. Halten Beschäftigten diese Vorgaben ein, bleibt für eine Kündigung kein Raum.

5. Was sollten Interessenvertretungen beachten, wenn es zu einer solchen Gesetzesänderung käme?

Prof. Dr. Peter Wedde:

Beinhaltet eine gesetzliche Regelung für Arbeitgeber Gestaltungsspielräume, haben beispielsweise Betriebsräte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von Abfragen. Unabhängig hiervon müssen Interessenvertretungen auf Basis ihrer gesetzlichen Beteiligungsrechte darauf hinwirken, dass die erhobenen Daten herausragend geschützt werden. Dies schließt beispielsweise eine Erhebung des »Impfstatus« durch unmittelbare Vorgesetzte ebenso aus wie eine offene oder zentrale Verarbeitung dieser Daten in betrieblichen Personalinformationssystemen.

Der Interviewpartner:

Wedde_Peter_kleinDr. Peter Wedde

Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences, wissenschaftlicher Leiter der d+a consulting GbR in Eppstein und wissenschaftlicher Berater der Rechtsanwältinnen Steiner Mittländer Fischer in Frankfurt.

 

© bund-verlag.de (ls)

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