Preisträger Gold - Deutscher Betriebsräte-Preis 2011

Gold_2011

Projekt: »Betroffene zu Beteiligten machen«
Bewerber/in: Betriebsrat der Airbus Operations GmbH 
Beschäftigtenzahl: ca. 17.000
Branche: Luftfahrt
Gewerkschaften: IG Metall

Stichworte zum Projekt

  • Vertrauensleute und Betriebsrat aus dem Bereich F&E entwickeln das Konzept »Engineering Forum« zur direkten Einbindung der Kollegen
  • Von der Stellvertreterpolitik zur Beteiligungsorientierung: Foren ermöglichen direktes Feedback und Austausch zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern

Motiv

Beim Airbus-Konzern wurde im Jahr 2009 eine neue Unternehmensstrategie vorgestellt. Die »Airbus Vision + Strategie 2020« bedeutete einen grundlegen den Wandel und zum Teil tief greifende Veränderungen für viele Mitarbeiter. So wurden unter anderem eine deutlich reduzierte Entwicklungstiefe und eine Internationalisierung von Entwicklung und Produktion angestrebt. Unter den Vertrauensleuten der IG Metall aus dem Unternehmensbereich Engineering entwickelte sich eine rege Diskussion. Es kam die Frage auf, wie die Beschäftigten über mögliche Auswirkungen informiert und wie auf diese Strategie reagiert werden sollte. Aus Sicht des Betriebsrates stand fest, dass die Strategie nicht unkommentiert akzeptiert werden konnte und dass hier die Notwendigkeit bestand, Gegenpositionen zu entwickeln und die Betroffenen intensiv dabei einzubeziehen. Der Betriebsrat suchte daher mit den Vertrauensleuten aus dem Engineering nach einer Plattform, um Gespräche anzuschieben und aktiv die neue Strategie zu diskutieren. Zentrales Ziel war es, Betroffene zu Beteiligten zu machen.
Allen Beteiligten war allerdings klar, dass dazu im Vorfeld auch Vorbehalte gegenüber der bisherigen Arbeit des Betriebsrates auszuräumen waren. Zwar gab es bereits einen Bereichsausschuss (BA) Engineering im Betriebsrat. Doch dieser wurde als eher unterbesetzt wahrgenommen und auch die Anbindung an die Belegschaft wurde zum Teil kritisch bewertet. Bemängelt wurde eine feh lende Strategie des Betriebsrates/Gesamtbetriebsrates. Auch aufseiten des Betriebsrates mussten dazu Skepsis und Vorbehalte überwunden werden. Denn die bisherige »Stellvertreterpolitik« sollte grundlegend verändert werden.

Vorgehen

Betriebsrat und die IG Metall-Vertrauensleute aus dem Bereich Engineering bildeten daher ein gemeinsames Organisationsteam und luden im Oktober 2009 zu einer Auftaktveranstaltung ein. Unter dem Titel »Zukunft des Engineering bei Airbus« wollten sie dabei mit den Beschäftigten folgende Fragen diskutieren:

  • Was plant die Geschäftsleitung?
  • Wie stellen wir uns die Zukunft des Engineering vor?
  • Wie können wir gemeinsam mit dem Betriebsrat unsere Zukunft gestalten?

Vertrauensleute und Betriebsrat präsentierten im Rahmen der Veranstaltung ein gemeinsam erstelltes Positionspapier und luden zum Dialog dazu ein. Zu dieser ersten Veranstaltung kamen über 400 Teilnehmer aus allen Bereichen der Forschung und Entwicklung (F&E). Dazu zählten Leih- und Stammarbeiter,gewerkschaftlich Organisierte, aber auch Nichtmitglieder und ein breites Spektrum an Berufsgruppen vom Ingenieur bis zur Sekretärin. Die Veranstaltung war der Auftakt für das so genannten »Engineering Forum«. Dieses berichtet seit diesem Zeitpunkt regelmäßig über die Arbeit des Bereichsausschusses Engineering, diskutiert die aktuelle Entwicklung mit den Beschäftigten und holt sich gleichzeitig Feedback für die weiteren Schritte. Für den Betriebsrat bietet das Forum eine gute Gelegenheit, um für Unterstützung und Akzeptanz zu werben und die Mitarbeiter unmittelbar zu beteiligen. Gleichzeitig schaffen diese Foren die Möglichkeit zum direkten Austausch mit interessierten Kollegen.
Auch vonseiten der Unternehmensleitung wurde das Forum positiv aufgenommen. Es erfolgte eine Übersetzung des Positionspapiers und der weiteren Unterlagen. Das Management aus dem Bereich F&E entwickelte eine Road
show, um darin die im Forum aufgeworfenen Fragen für alle Mitarbeiter zu beantworten.
Die Organisationsform des Engineering Forums erfolgt als monatliche Betriebsratssprechstunde. Durchschnittlich etwa 80 Teilnehmer informieren sich dabei über aktuelle Entwicklungen im Unternehmen, haben die Gelegenheit
zum Meinungsaustausch und finden bei den Betriebsräten Zuhörer, die ihren Anliegen dann eine Stimme verleihen. Gestützt auf § 39 BetrVG können diese Veranstaltungen während der Arbeitszeit im Hause durchgeführt werden.

Ergebnisse

Die gemeinsam im Forum erarbeiteten Positionen sind direkt in die Betriebsratsarbeit eingeflossen. Dazu zählen Verhandlungen um den so genannten »Zukunftstarifvertrag«, in dem es um Beschäftigungssicherung, Fremdvergabequo
ten und Beschränken der Leiharbeit geht. Außerdem wurde ein Fragenkatalog an den Arbeitgeber zur Beschäftigung im Rahmen von AÜG und Werkverträgen im Engineering erstellt.
Insgesamt konnte der Betriebsrat dadurch einen grundlegenden Wechsel vollziehen: Statt der bisher geübten Stellvertreterpolitik liegt jetzt der Schwerpunkt auf der aktiven und intensiven Beteiligungsorientierung. Das Engineering Forum wird von den Mitarbeitern als erweiterte Betriebsversammlung wahrgenommen. Geplant sind nun weitere Maßnahmen, um die Öffentlichkeitsarbeit des Forums zu verbessern, die Attraktivität durch externe Gäste zu steigern und das Forum auch für die Werbung von neuen Gewerkschaftsmitgliedern zu nutzen.
Mittlerweile agieren alle Ausschüsse im Betriebsrat nach diesem Prinzip und auch der Gesamtbetriebsrat nutzt die Möglichkeit der aktiven Beteiligung der Belegschaft, um ein direktes Feedback auf seine Themen zu erhalten. Auch an anderen Standorten wird diese Vorgehensweise inzwischen umgesetzt.Durch den ständigen Dialog mit den Kollegen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung konnte der Betriebsrat Ansehen und Akzeptanz deutlich verbessern. Dies führte auch dazu, dass das Gremium nicht mehr nur als Vertreterder gewerblichen Kollegen wahrgenommen wird.