Bewerbung Deutscher Personalräte-Preis 2019

Projekt:

Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie – belastungsabhängige Absenkung der Arbeitszeit – Verbesserung der Arbeitsbedingungen

Bewerber/in:

Personalrat der Berliner Feuerwehr

Beschäftigtenzahl:

über 1000

Projektzeit:

6/2017 bis 1/2019

 

Kurzbeschreibung

Personalrat erreicht, dass die Arbeitszeit in Anlehnung an die EU-Arbeitszeitrichtlinie gesenkt wird

Motiv

Die Berliner Feuerwehr ist die älteste und zugleich größte deutsche Berufsfeuerwehr. Derzeit beschäftigt sie über 4300 Mitarbeiter, davon sind 3600 im Einsatzdienst tätig. In den letzten Jahren stieg der Krankenstand unter den Mitarbeitern wegen der hohen Arbeitsbelastung stetig. 2009 schlossen die Parteien eine Dienstvereinbarung, in der der politische Wille festgeschrieben wurde, vorrangig die Fahrzeuge zu besetzen. Bereits damals war klar, dass das nur mit Überstunden der Mitarbeiter aufgefangen werden kann. 2011 wollte der Personalrat die Dienstvereinbarung wegen der vielen Mehrarbeitsstunden kündigen. In einer Personalversammlung stimmten die Mitarbeiter darüber ab, ob weiterhin Mehrarbeit geleistet werden soll. Im Ergebnis wurde der Geltungsbereich erweitert und die Dienstvereinbarung modernisiert (Dienstvereinbarung AMA). Im Laufe der Zeit verschlimmerte sich die Arbeitssituation im Einsatzdienst: es gab die prognostizierte jährliche Steigerung der Einsatzzahlen von 6%, ohne dass neue Mitarbeiter eingestellt wurden; teilweise mussten Mitarbeiter über 60 Stunden in der Woche arbeiten. Ausgleich durch Freizeit zur Regeneration war nicht möglich. Zusätzlich wurden weitere Rettungsmittel in Dienst gestellt, um die Schutzzielvereinbarung zwischen Feuerwehr und Politik – Rettungswagen sollen innerhalb von 8 Minuten nach dem Anruf bei dem Patienten sein – umzusetzen. Das war auf Dauer nicht erreichbar und führte zu einem massiven Anstieg des Krankenstands, vor allem bei den psychischen Erkrankungen. Die Krankenstatistik von 2017 zeigte, dass jeder Mitarbeiter im Durchschnitt 48 Tage im Jahr krank ist, der Überstundenberg war auf knapp 500.000 angestiegen. Der Personalrat wollte diese untragbare Situation nicht mehr weiterführen.

Vorgehen

Das Gremium diskutierte, teils sehr heftig, über mögliche Maßnahmen: Sollte keine Mehrarbeit geleistet werden, würden die Rettungswagen nicht besetzt werden und es könnte nicht zu einem Einsatz gefahren werden. Der Personalrat entschied sich dennoch, die Dienstvereinbarung zu kündigen und teilte dem Landesbranddirektor mit, dass er künftig keiner Mehrarbeit mehr zustimmen würde. Die Kündigung setzte die Behördenleitung unter Zugzwang und es wurde eine Projektgruppe unter Beteiligung des Personalrats gegründet, um über den Inhalt einer neuen Dienstvereinbarung zu sprechen.

Ergebnis

Da es nunmehr keine Rufbereitschaft gibt, gibt es für jeden Mitarbeiter einen fest planbaren Dienstrhythmus. Durch den einheitlichen Dienstplan, der keine 24-Stunden-Dienste im Rettungsdienst mehr zuließ, gab es aber erhebliche Schwierigkeiten, die Verantwortlichen für den Rettungsdienst zu planen. Die Vereinbarung funktionierte nicht, die Wochenarbeitszeit musste um 4 Stunden in der Woche reduziert werden. Da die Behördenleitung diese Entscheidung nicht allein treffen wollte, kam es im März 2018 zu einem Treffen mit dem Innensenator. In dem Gespräch formulierte der Personalrat seine Forderungen (Absenkung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 44 Stunden, Einführung eines 12-Stunden-Regeldienstplans ohne Zusatzdienste etc.), fand jedoch kein Gehör beim Innensenator. Dieser wollte keine verbindlichen Aussagen machen. Die Mitarbeiter waren darüber sehr erbost und es kam zu einer Mahnwache vor dem roten Rathaus. Unter dem Motto #BerlinBrennt standen Mitarbeiter 5 Wochen, 24 Stunden bei jedem Wetter an einer brennenden Tonne und demonstrierten gegen die schlechten Arbeitsbedingungen. Die Medien berichteten über die Mahnwache und der Druck auf die Politiker wuchs spürbar. Im Hintergrund wurden viele Gespräche mit Abgeordneten geführt und die schlechte Arbeitssituation bei der Feuerwehr im Abgeordnetenhaus und im Senat von Berlin wurde breit diskutiert. Es wurden weitere Gespräche mit dem Innen- und dem Finanzsenator geführt, am 30.4.2019 unterzeichneten die Parteien eine neue Vereinbarung, in der alles geregelt wurde, was der Personalrat erreichen wollte: Für über 3400 Mitarbeiter aus dem Einsatzdienst wurde die Arbeitszeit von 48 auf 44 Stunden gesenkt, Rufbereitschaft und auch Zusatzdienst gibt es nicht mehr. Die alten belastenden 24-Stunden-Dienste wurden abgeschafft und durch einen 12-Stunden-Dienst ersetzt, der der EU-Arbeitszeitrichtlinie entspricht. Der Aufbau von Mehrarbeit ist auf 48 Stunden in vier Monaten begrenzt, angefallene Überstunden müssen in den nachfolgenden 4 Monaten abgegolten werden. Die Berliner Feuerwehr ist die erste Berufsfeuerwehr, die den 24-Stunden-Dienst abschaffte. Nachdem 2019 der neue Dienstplan und die herabgesetzten Arbeitszeiten gelten, sank der Krankenstand kontinuierlich und beträgt inzwischen je nach Monat zwischen 10,7 und 13%.