Mobbing

So können sich Arbeitnehmer wehren

24. Juli 2014

Die Abfindung nicht akzeptiert und dann gemobbt: Die Geschichte ist beileibe kein Einzelfall. Nicht nur im Arbeitsteam gibt es Mobbing-Attacken. Manche Vorgesetzte mobben „strategisch“, wenn sie jemanden loswerden wollen.

Mütter mit kleinen Kindern, länger Erkrankte und ältere Beschäftigte stehen oft auf der Abschussliste von Führungskräften. Klappt es nicht mit dem Kreieren von Kündigungsgründen oder wird der „goldene Handschlag“, das Abfindungsangebot, abgelehnt, können Chefs ungemütlich werden und schrecken manchmal auch vor Mobbing nicht zurück. Ein konkreter Fall aus der Praxis, der vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main verhandelt (2012) und ein Jahr später vor dem Landesarbeitsgericht verglichen wurde, ist in der August-September-Ausgabe der Zeitschrift „Gute Arbeit“ beschrieben. Ein Rechtsanwalt stellt anschaulich dar, wie schwer der Mobbing-Nachweis durch Arbeitskräfte zu erbringen ist. Sie haben die Beweise darzulegen, doch das gelingt selten so gut, dass ein angemessener Schadensersatz dabei herauskäme: Die Opfer leiden, werden krank und kündigen nicht selten von selbst, weil sie keinen Ausweg mehr sehen, was nicht nur extreme finanzielle Einbußen verursachen kann.

Begriffsklärung: Was ist Mobbing?
Oft geht es los mit unangemessener fachlicher Kritik, dann kommen persönliche Angriffe. Gerät eine Person ins Visier der Mobber, lautet das Ziel: verdrängen oder vernichten. Die Zahl der am Mobbing Beteiligten nimmt mit der Zeit zu, der Prozess gewinnt an Dynamik. In fast 40% der Fälle geht Mobbing von Vorgesetzten aus, schätzt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), in rund 13% der Fälle mobben Vorgesetzte und Mitarbeiter/innen. Das bestätigen auch Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen aus ihrer Erfahrung.
Vorgesetzte spielen demnach in gut 50% der Fälle eine Schlüsselrolle. In einem Ratgeber der BAuA heißt es, es wären jeweils etwa drei von 100 Beschäftigten am Arbeitsplatz von Mobbing betroffen, sie werden diskreditiert, gedemütigt, verleumdet, beleidigt, seelisch zermürbt oder gar körperlich bedroht.
Mobbing hat nicht nur für die Betroffenen schwerwiegende gesundheitliche, private und berufliche Konsequenzen, sondern auch für die Unternehmen. Denn wenn Kollegen und Kolleginnen sich mehr mit dem Austausch von Gehässigkeiten als mit ihren Aufgaben beschäftigten, wenn Vorgesetzte sich weniger um das Wohl der Firma und mehr um das Schikanieren ihrer Mitarbeiter/innen kümmern, leiden alle, auch das Betriebsklima und das Betriebsergebnis. Der DGB schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden auf 15 bis 25 Milliarden Euro – pro Jahr.

Erfolgreiche Klagen sind schwierig
Mobbing kann Arbeitgeber teuer zu stehen kommen, denn sie müssen Beschäftigte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht vor Übergriffen, Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Dazu entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 25.10.2007 - 8 AZR 593/06): Beschäftigte, die von Vorgesetzten in ihrer fachlichen Qualifikation herabgewürdigt werden und deshalb psychisch erkranken, haben gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld.
Doch wer vor Gericht zieht und klagt, muss wissen: Arbeitnehmer/innen haben die Darlegungs- und Beweislast, dass ein bestimmtes Mobbingverhalten des Arbeitgebers oder das Verhalten anderer, das dem Arbeitgeber zugerechnet werden muss, kausal zu einer Störung des Arbeitsverhältnisses oder zu einem gesundheitlichen, finanziellen Schaden bzw. zu einer schweren Beeinträchtigung geführt hat. Die Arbeitsgerichtsbarkeit rollt Fakten auf und bewertet sie; Berichte aus der Erinnerung sind extrem schwierig und vor Gericht selten überzeugend oder als Beweis ausreichend. Arztberichte sind Quellen aus dritter Hand – von unbeteiligten Personen. Sie gehören dazu, sind aber allein kaum ausreichend zum Sichern der Beweislage.

Mobbing – Tipps für die Praxis
Wichtig ist, dass Betriebs- und Personalräte im Unternehmen Offenheit herstellen und informieren: Mobbing kann jede/n treffen! Wer sich Hilfe organsiert, den Betriebsrat einschaltet, Zeugen sucht und für Begleitung in Gesprächen sorgt, kann sich besser wehren. Diese Praxis-Tipps haben sich bewährt:

  • Dokumentation anlegen: Tritt Mobbing oder der Verdacht auf, Vorfälle möglichst lückenlos, sorgfältig schriftlich und über einen längeren Zeitraum (z.B. mindestens sechs Monate) dokumentieren. Das ist unangenehm, aber vor Gereicht oft anerkannt und verwertbar, weil Mobbing sich in der Regel über Monate hinzieht. Außerdem sinnvoll: Beweise und Indizien sammeln, Gesprächsprotokolle anlegen.
  • Betriebsrat einschalten: Vom Beschwerderecht nach § 85 BetrVG Gebrauch machen und darauf hinwirken, dass der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt erachtet. Das erleichtert vor Gericht oft die Beweissituation, besonders wenn über die Berechtigung der Beschwerde eine Einigungsstelle angerufen werden musste. Ggf. auch den Arbeitgeber in Kenntnis setzen, sofern er unbeteiligt ist.
  • Verbündete suchen: Kolleginnen und Kollegen sowie Dritte einweihen, die vor Gericht als Zeugen ihre Wahrnehmung schildern oder Aussagen der Betroffenen bestätigen könnten etc. Zu empfehlen ist auch, möglichst frühzeitig schriftliche Stellungnahmen zu sammeln.
  • Begleitpersonen mobilisieren: Mobbt ein Vorgesetzter, dann zu jedem Personalgespräch, das geführt wird, ein Betriebsratsmitglied des Vertrauens hinzuziehen, §§ 82, 83 BetrVG analog.
  • Rechtsbeistand hinzuziehen: Rechtzeitig den Rechtsschutz der Gewerkschaft oder einen Anwalt einschalten, ein (kostengünstiges) Erstberatungsgespräch beim Anwalt nutzen, um sachkundig zu werden und um Fehler zu vermeiden.
  • Sich wehren: Je eher man in die Offensive geht, desto größer ist die Chance, den Konflikt im Keim zu ersticken. Ursachen des Konflikts suchen und Lösungsvorschläge machen, aber das gelingt nicht immer auf eigene Faust. Eventuell mit Mediation als Unterstützung oder begleitet vom Betriebsrat.
  • Vertraute suchen: Nicht das Problem allein mit sich herumschleppen, sondern möglichst auch am Arbeitsplatz mit vertrauten Personen über das Problem reden, inner- und außerbetriebliche Beratungs- und Hilfsangebote nutzen.
  • Perspektiven finden: In Unternehmen mit schlechtem Betriebsklima und häufigen Mobbing-Attacken frühzeitig auch einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht ziehen und nach vorne agieren.

Abschließend ist festzuhalten: Das Gericht stellt keine Gerechtigkeit her, indem es Arbeitgeber bestraft, weil sie Mobbing-Opfer nicht ausreichend geschützt oder weil sie selbst psychische Gewalt ausgeübt haben. Eine Klage kann auch keine Genugtuung für üble Erfahrungen und Erlebnisse durch Mobbing verschaffen. Das Gericht kann nur anhand der von Arbeitnehmerseite behaupteten Darlegungen und Beweise ein Urteil fällen und evtl. im Sinne der Kläger/innen Schadensersatz zusprechen. Aber um dies zu erreichen, ist Sorgfalt geboten – seitens der Betroffenen und ihres Rechtsbeistands. Sorgfältig ist abzuwägen, ob Mobbing bewiesen werden kann, und eine Klage aussichtsreich vorbereitet werden kann. Sonst droht, wie in vielen Fällen vor Gericht, eine Klageabweisung für ohnehin psychisch angeschlagene Betroffene.

Weitere Informationen
Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main: ArbG Ffm vom 26.6.2012 - AZ 8 Ca 781/12 (nicht veröffentlicht). Links mit Zusatzinfos: www.baua.de , www.dgb.de (Suchbegriff „Mobbing“), www.soliserv.de , www.mobbing-beenden.de .
Weitere Urteile zum Thema:
BAG vom 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12: Schmerzensgeldanspruch - Nichtanwendung von Ausschlussklauseln auf Ansprüche auf Schadensersatz wegen Mobbings.
BAG vom 16. Mai 2007 - 8 AZR 593/06: Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Arbeitgeber wegen zurückliegender Mobbinghandlungen.
BAG vom 25. Oktober 2007 - 8 AZR 709/06: Grundsätzlicher Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitgeber.
(BE)

Buchtipps zum Thema aus dem Bund-Verlag:
Offensiv gegen Mobbing und psychische Gewalt

Unbewältigtes Mobbing ist ein Indiz für ein schlechtes Betriebsklima. Die Betroffenen leiden unter psychischem Druck und Existenzängsten. Die Furcht vor dem sozialen Absturz hindert sie oft daran, offen gegen ihre Peiniger vorzugehen. Auch der Mobbing-Nachweis scheint schwer zu führen. Und Betriebs- und Personalräte sind in der Regel unsicher: Wo hören Probleme im Arbeitsalltag auf und ab wann fängt Mobbing an? Wie nimmt man mit den Konfliktparteien am besten Kontakt auf? Wie soll man reagieren und kann man helfen? Wie lässt sich die Betriebskultur verbessern? Bei der Aufklärung und der Beantwortung von Fragen hilft das bewährte Standardwerk für Betroffene und Interessenvertretungen, das im November 2014 in neuer Auflage erscheint:
Axel Esser, Martin Wolmerath: „ Mobbing und psychische Gewalt. Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung “. Reihe „Job Aktuell“, Bund-Verlag Frankfurt am Main 2014, 9. Auflage, 300 Seiten, 19,90 Euro.

Außerdem gibt es den Praxisratgeber „ Werkbuch Mobbing “ der beiden erfahrenen Autoren, das wirksame Methoden und Instrumente beschreibt, um effektiv und offensiv gegen Mobbing und psychische Gewalt am Arbeitsplatz vorzugehen:
Axel Esser, Martin Wolmerath: „ Werkbuch Mobbing. Offensive Methoden gegen psychische Gewalt am Arbeitsplatz “. Bund-Verlag Frankfurt am Main 2012, 1. Auflage, 310 Seiten, 29,00 Euro. 


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