Betriebsratsarbeit

7 Fragen zur Freistellung

15. Januar 2018 Freistellung
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Quelle: © Marco2811 / Foto Dollar Club

Betriebsratsarbeit soll den beruflichen Pflichten vorgehen. Doch welche Möglichkeiten gibt es, den Job und das Ehrenamt als Betriebsrat unter einen Hut zu bringen? Worauf sollten Sie achten? Wir beantworten die 7 wichtigsten Fragen.

1. Muss der Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder von der Arbeit freistellen?

Es kommt darauf an. Damit Betriebsratsmitglieder ihre Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen können, gibt das Gesetz zwei Möglichkeiten vor. Zum einen muss der Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder für die Zeit von der Arbeit befreien, die für eine Teilnahme an Betriebsratsaufgaben erforderlich ist (§ 37 Abs. 2 BetrVG).

Tipp : Arbeitet ein Betriebsratsmitglied in der Nachtschicht und muss tagsüber außerhalb der Schicht an einer Betriebsratssitzung teilnehmen, so kann er die Arbeit vor Ende der Nachtschicht einstellen, wenn er nur dann die Erholungszeit von elf Stunden einhält (BAG 18.1.2017 – 7 AZR 224/15).

Zum anderen muss der Arbeitgeber, je nach Größe des Betriebs, Betriebsratsmitglieder völlig von der Arbeit freistellen (§ 38 BetrVG). Mindestens freistellen muss er bei einem Betrieb mit in der Regel:

Betriebsgröße (Arbeitnehmer)

Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder

200-500

1

501-900

2

901-1.500

3

1.501-2.000

4

2.001-3.000

5

3.001-4.000

6

4.001-5.000

7

5.001-6.000

8

6.001-7.000

9

7.001-8.000

10

8.001-9.000

11

9.001-10.000

12

 

Bei Betrieben mit über 10.000 Beschäftigten muss er für jeden weiteren 2.000. Arbeitnehmer ein weiteres Betriebsratsmitglied freistellen.

Setzt der Arbeitgeber regelmäßig Leiharbeitnehmer ein, sind sie bei der Betriebsgröße zu berücksichtigen (BAG 2.8.2017 – 7 ABR 51/15). Nicht zu berücksichtigen, sind die in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer (BAG 16.4.3 – 7 ABR 53/02).

Daneben kann der Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder auch nur mit einem Teil ihrer Arbeit freistellen oder Teilzeitbeschäftigte vollständig freistellen (§ 38 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Er kann dabei frei entscheiden, wie er die Teilfreistellungen konkret ausgestaltet.

Tipp: Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung können die Betriebsparteien anderweitige Regelungen über die Freistellung vereinbaren (§ 38 Abs. 1 S. 4 BetrVG).

2. Entscheidet der Arbeitgeber welches Betriebsratsmitglied er freistellt?

Nein. Welches bzw. welche Betriebsratsmitglieder der Arbeitgeber freistellen muss, entscheidet der Betriebsrat durch eine Wahl (§ 38 Abs. 2 BetrVG). Dafür reichen die Betriebsratsmitglieder Wahlvorschläge ein. Nachdem das Gremium mit dem Arbeitgeber beraten hat, findet eine geheime (durch Stimmzettel) und vom Betriebsratsvorsitzenden geleitete Wahl statt.

Ist nur ein Betriebsratsmitglied zu wählen, ist dasjenige gewählt, das die Mehrheit der anwesenden Betriebsratsmitglieder auf sich vereinigen konnte (§ 38 Abs. 2 S. 2 BetrVG).

Sind mehrere Mitglieder freizustellen, ist jeder Wahlvorschlag als Liste anzusehen und es findet eine Verhältniswahl statt (§ 38 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt, können die Wähler nur eine Stimme pro Liste abgeben. Bei der Auswertung findet das d’Hondtsche Wahlverfahren Anwendung (§ 15 Wahlordnung (WO)).

Bei mehreren Freizustellenden, kann sich das Betriebsratsgemium aber auch auf einen Wahlvorschlag (1 Vorschlagsliste mit mehreren Kandidaten) verständigen. Dann findet auch hier das Mehrheitswahl-/Persönlichkeitswahlrecht Anwendung und die Wähler haben so viele Stimmen wie Freizustellende!

Der Betriebsrat kann Mitglieder durch Beschluss abberufen. Bei einem nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen gewählten Mitglied bedarf es dafür aber einer Mehrheit von drei Viertel der Stimmen (§ 38 Abs. 2 S. 8 i. V. m. § 27 Abs. 1 S. 5 BetrVG). Bei einem nach Mehrheitswahlgrundsätzen gewählten Mitglied reicht die einfache Mehrheit aus. Die Neuwahl eines nachgerückten Mitglieds ist ohne Abberufung nichtig (BAG 13.11.1991 – 7 ABR 18/91).

Tipp: Durch Beschluss kann der Betriebsrats festlegen, welche Mitglieder der Arbeitgeber für den Fall, dass gewählte Mitglieder zeitweise verhindert sind ersatzweise freistellen muss.

3. Müssen die Betriebsratsmitglieder die Freistellung beim Arbeitgeber beantragen?

Nein. Nach der Wahl muss der Betriebsrat dem Arbeitgeber lediglich die Namen der freizustellenden Mitglieder mitteilen.

Freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich, wenn sie Betriebsratstätigkeiten außerhalb des Betriebs wahrnehmen beim Arbeitgeber abmelden und anzeigen, wenn sie in den Betrieb zurückkehren. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran zu wissen, ob sie im Betrieb als Ansprechpersonen für Mitbestimmungsrechte zur Verfügung stehen.

4. Bekommt das freigestellte Betriebsratsmitglied weiterhin Lohn?

Ja. Der Arbeitgeber darf das Arbeitsentgelt nicht mindern (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Die Mitglieder müssen alle Zulagen und Zuschläge erhalten, die sie bei regulärer Arbeit verdient hätten. Bis zu einem Zeitraum von einem Jahr nach Ende der Betriebsratstätigkeit darf der Arbeitgeber das Entgelt nicht geringer bemessen.

Gewährt der Arbeitsvertrag die private Nutzung eines Dienstwagens, kann das Betriebsratsmitglied auch während der Freistellung den Wagen privat nutzen.

Tipp: Eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, dass die private Nutzung des Dienstwagens bei Freistellung endet, ist unwirksam, da sie gegen das Benachteiligungsverbot verstößt (§ 78 S. 2 BetrVG).

5. Kann das Betriebsratsmitglied »normal« weiterarbeiten, wenn eine Freistellung endet?

Ja. Der Arbeitgeber muss die Betriebsratsmitglieder sogar bis zu einem Zeitraum von einem Jahr nachdem die Amtszeit endet mit einer Tätigkeit beschäftigen, die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gleichwertig ist (§ 37 Abs. 5 BetrVG).

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsratsmitglied außerdem die Möglichkeit geben, innerhalb eines Jahres die berufliche Entwicklung nachzuholen (§ 38 Abs. 4 BetrVG).

6. Kann der Arbeitgeber nach Ende der Freistellung einfach kündigen?

Nein. Betriebsratsmitglieder sind vor Kündigungen besonders geschützt (§ 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Eine ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt bei betriebsbedingten Kündigungen wegen Betriebsstilllegung. Außerordentlich kann der Arbeitgeber nur dann kündigen, wenn er zuvor die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats einholt.

Der Schutz reicht so weit, dass auch nach Ende der Amtszeit der Arbeitgeber ein Jahr lang nicht ordentlich kündigen kann.

7. Welche Möglichkeiten hat der Betriebsrat bei Streitigkeiten?

Hält der Arbeitgeber die Wahl der freizustellenden Arbeitnehmer für sachlich ungerechtfertigt, ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung. Ruft der Arbeitgeber innerhalb der Frist von zwei Wochen nicht die Einigungsstelle an, gilt sein Einverständnis zur Freistellung als erteilt (§ 38 Abs. 2 S. 3 bis 7 BetrVG). Den Spruch wiederum kann der Betriebsrat im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren überprüfen lassen. Streiten sie über den Umfang der freizustellenden Mitglieder, kann der Betriebsrat ebenfalls das Arbeitsgericht anzurufen.

Wenn die Wahl gegen wesentliche Wahlvorschriften verstößt und der Wahlvorsitzende das Wahlergebnis nicht berichtigt, können in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder die Wahl binnen einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Ergebnisses anfechten. Es sei denn, der Fehler hat auf das Wahlergebnis keinen Einfluss.

Autorin:

Jana Lorenz, Rechtsassessorin, Karlsruhe

Quellen:

Schoof, Betriebsratspraxis von A bis Z, 13. Auflage, Bund- Verlag

Däubler/ Kittner/ Klebe/Wedde, BetrVG, 16. Auflage, Bund- Verlag

BAG 13.11.1991 – 7 ABR 18/91

BAG Beschluss v. 16.4.2003 – 7 ABR 53/02

BAG, Beschluss v. 2.08.2017- 7 ABR 51/15

BAG Urteil v. 18. 1. 2017, 7 AZR 224/15

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