Unfallversicherung

BSG: Weg zum Briefkasten ist unfallversichert

04. April 2023
Briefkasten Post Postbriefkasten Winter Brücke Dresden
Quelle: Pixabay.com/de | Bild von Mike Ljung

Stürzt ein erkrankter Arbeitnehmer auf dem Weg zum Briefkasten, weil er seinem Arbeitgeber die ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung per Post zuschicken will, liegt ein gesetzlich versicherter Arbeitsunfall vor – so das Bundessozialgericht.

Darum geht es

Krankenkasse und Berufsgenossenschaft streiten darum, welcher Träger für die Folgen eines Unfalls verantwortlich ist. Die Arbeitnehmerin war bei der klagenden Krankenkasse versichert. Am 16.11.2013 war sie arbeitsunfähig erkrankt. An diesem Tag wollte sie ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Post an ihren Arbeitgeber senden. Allerdings stürzte sie auf dem Weg zum Briefkasten und zog sich Verletzungen zu.

Sie wurde aufgrund des Sturzes auf Kosten ihrer Krankenkasse medizinisch behandelt und bezog Krankengeld. Die Berufsgenossenschaft lehnte es allerdings ab, der Krankenkasse die Kosten zu erstatten. Ebenso lehnte sie es ab, der Arbeitnehmerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren: Der Sturz sei kein Arbeitsunfall. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Die Erstattungsklage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Die Gerichte waren der Ansicht, die Klägerin habe keinen versicherten Wegeunfall erlitten. Das Einwerfen des Briefes in den Briefkasten sei arbeitsvertraglich nicht geschuldet gewesen und auch nicht vom Arbeitgeber angeordnet worden. Die Arbeitnehmerin habe mit der Übersendung ausschließlich eigene Rechte sichern wollen (zuletzt LSG Berlin-Brandenburg - L 3 U 194/18, 10.12.2020).

Dagegen wehrt sich die Krankenkasse mit der Revision.

Das sagt das BSG

Vor dem Bundessozialgericht (BSG) hatte die Krankenkasse Erfolg. Die Berufsgenossenschaft muss der Krankenkasse vollumfänglich die Kosten für die der Arbeitnehmerin erbrachten Krankenbehandlung sowie für das geleistete Krankengeld erstatten. Auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung besteht kein Anspruch, weil sie als Folge eines Arbeitsunfalls zu erbringen sind.

Dem steht auch nicht der bestandskräftige Verwaltungsakt entgegen, mit dem die Berufsgenossenschaft gegenüber der Arbeitnehmerin abgelehnt hat, das Sturzereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Denn die Ablehnung, so das BSG, war »offensichtlich fehlerhaft«, weil ein Arbeitsunfall zweifelsfrei und ohne jegliche weiteren Ermittlungen zu bejahen ist.

Weg zum Briefkasten war versichert

Die Arbeitnehmerin wollte mit dem Einwurf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in den Postbriefkasten ihre gesetzliche Nachweispflicht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 5 Absatz 1 Satz 2 und 4) erfüllen, dem Arbeitgeber eine zuverlässige Information über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit zukommen zu lassen.

Dementsprechend befand sie sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auf einem ihrer versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Betriebsweg.

Hinweis für die Praxis

Hier haben Krankenversicherung und Berufsgenossenschaft knapp ein Jahrzehnt um die Unfallfolgen gestritten, während die Arbeitnehmerin sich offenbar schon mit der rechtskräftigen Ablehnung abgefunden hatte.

Zumindest werden ab 2023 weniger Arbeitnehmer in die Verlegenheit kommen, sich mit diesem Weg zum Briefkasten in Gefahr zu begeben. Denn seit 1. Januar 2023 gilt zumindest für gesetzlich Krankenversicherte, die sich von einem Kassenarzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen, das elektronische Meldeverfahren - auch im Verhältnis zum Arbeitgeber. Für privat Krankenversicherte gilt dieses Verfahren nicht. 

Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer müssen sich nach wie vor in der üblichen Weise bei ihrem Arbeitgeber krankmelden. Dieser kann dann die vom Arzt erstellte elektronische AU-Bescheinigung auf dem vorgeschriebenen Weg digital abrufen - ist dies möglich, besteht keine Vorlagepflicht des Arbeitnehmers mehr.

Achtung: Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) weist auf ihrer Homepage darauf hin, dass ggf. noch nicht alle Arbeitgeber auf das digitale Verfahren umgestellt haben. Deswegen sollen Arztpraxen selbst entscheiden, ob sie den Ausdruck der elektronischen AU-Bescheinigung vorerst weiterhin erstellen, um nachträgliche Anfragen nach einer Papierbescheinigung zu vermeiden.

Im Einzelfall sollten sich Arbeitnehmer daher vergewissern, ob ihrem Arbeitgeber eine elektronische AU-Bescheinigung genügt oder noch eine schriftliche verlangt wird. Dauert die Umstellung in einem Unternehmen länger, kann auch der Betriebsrat eine Klarstellung verlangen und der Belegschaft regelmäßig mitteilen, bis zu welchen Stichtagen ggf. noch papiergebundene Nachweise nötig sind. 

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BSG (30.03.2023)
Aktenzeichen B 2 U 1/21 R
BSG, Pressemitteilung vom 30.3.2023
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