Arbeitsvertrag

EuGH klärt Arbeitgeberstellung bei LKW-Fahrern

21. Juli 2020
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Quelle: © industrieblick / Foto Dollar Club

Mit einem besonderen Fall von Outsourcing hat sich der EuGH auseinandergesetzt: Niederländische Transportunternehmen hatten ihre LKW-Fahrer bei einer Firma mit Sitz auf Zypern anstellen lassen. Dagegen ging die niederländische Sozialversichung vor. Arbeitgeber ist unabhängig vom Arbeitsvertrag das Unternehmen, das die Lohnkosten der Fahrer trägt, ihnen Weisungen erteilen und sie entlassen kann - so der EuGH.

Darum geht es

Mehrere in den Niederlanden ansässige Transportunternehmen hatten Verträge mit einer Gesellschaft in in Zypern geschlossen. Die Transportunternehmen übertrugen gegen Zahlung einer Provision die Verwaltung ihrer Lastkraftwagen auf die Gesellschaft. Die Gesellschaft in Zypern schloss auch Arbeitsverträge mit Lkw-Fahrern mit Wohnsitz in den Niederlanden, in denen sie als deren Arbeitgeber bezeichnet wurde.

Die betroffenen Lkw-Fahrer waren für Rechnung der Transportunternehmenn im internationalen Güterkraftverkehr in mehreren EU-Mitgliedstaaten und Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) tätig. Die niederländische Sozialversicherung (Svb) stellte fest, dass auf die Lkw-Fahrer die niederländischen Rechtsvorschriften zur sozialen Sicherung anwendbar seien. Nach Ansicht der Svb waren nämlich allein die Transportunternehmen als Arbeitgeber dieser Fahrer einzustufen.

In dieser Frage kam es zu einem Rechtsstreit. Ein niederländisches Gericht legte die Frage dem EuGH vor, ob die Transportunternehmen oder die Gesellschaft in Zypern – als »Arbeitgeber« der betroffenen Fahrer anzusehen seien. Diese Frage ist umstritten. Denn nach zwei EU-Verordnungen ist auf Personen wie die hier in Rede stehenden Fahrer das Recht der sozialen Sicherung des Mitgliedsstaates anzuwenden, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Dies setzt voraus, dass die Fahrer in zwei oder mehr Mitgliedstaaten tätig sind, ohne überwiegend im Gebiet des Mitgliedstaats beschäftigt zu sein, in dem sie ihren Wonhnsitz haben (Verordnungen Nr. 1408/71 (ABl. 2004, L 100, 1) und Nr. 883/2004 (ABl. 2012, L 149, 4)).

Das sagt der EuGH

Der EuGH hat entschieden, dass im Sinne der Verordnungen Arbeitgeber eines im internationalen Güterkraftverkehr tätigen Lkw-Fahrers das Unternehmen ist,

  • das diesem Lkw-Fahrer gegenüber tatsächlich weisungsbefugt ist,
  • das in Wirklichkeit die entsprechenden Lohnkosten trägt
  • und das tatsächlich befugt ist, ihn zu entlassen.

Nach Auffassung des EuGH muss dies nicht das Unternehmen sein, mit dem der Lkw-Fahrer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat. Die Verordnungen verwiesen für die Bestimmung der Begriffe »Arbeitgeber« und »Personal« nicht auf nationale Rechtsvorschriften. Die Begriffe seien nach dem Wortlaut, dem Zweck und dem Regelungszusammenhang der Verordnungen auszulegen.

Dem Wortlaut und Zusammenhang nach setze die Beziehung zwischen einem »Arbeitgeber« und dessen »Personal« ein Unterordnungsverhältnis voraus. Zudem sei der objektiven Situation des Arbeitnehmers und allen Umständen seiner Beschäftigung Rechnung zu tragen. Insoweit könne zwar der Abschluss eines Arbeitsvertrags ein Indiz sein. Es komme aber auch auf die Art und Weise an, in der die Pflichten des Arbeitnehmers und des betreffenden Unternehmens praktisch erfüllt werden.

Unabhängig vom Wortlaut der Vertragsunterlagen sei es daher notwendig zu ermitteln, welcher Stelle der Arbeitnehmer tatsächlich untersteht, wer in Wirklichkeit die entsprechenden Lohnkosten trägt und wer tatsächlich befugt ist, diesen Arbeitnehmer zu entlassen. Eine rein formale Auslegung nach dem Arbeitsvertrag würde den Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, den Ort zu beliebig verlegen, nach dem sich bestimmt, welches einzelstaatliche Sozialrecht für das Arbeitsverhältnis gilt.

Im vorliegenden Fall stellte der EuGH fest, dass die Fahrer offenbar zum Personal der Transportunternehmens gehörten und diese ihre Arbeitgeber waren. Allerdings muss das vorlegende niederländische Gericht noch prüfen, ob die niederländischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit auf die Fahrer anwendbar sind. Dafür spricht laut der Pressmitteilung des EuGH, dass die Transportunternehmen die Fahrer selbst ausgewählt haben, die in Zypern angestellt wurden, dass sie über die Provisionen die Lohnkosten der Fahrer getragen haben und dass sie den Fahrern gegenüber weisungsbefugt und entlassungsbefugt waren.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

EuGH (16.07.2020)
Aktenzeichen C-610/18
Pressemitteilung des EuGH Nr. 93/2020 v. 16.07.2020
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