Sozialhilfe

Kein Anspruch auf Toilettengeld

02. Februar 2022
Toilette Hütte Berge Wanderung
Quelle: Pixabay.com/de | Bild von Robert Smith

Auch wenn in einer Stadt nur noch gebührenpflichtige öffentliche Toiletten vorhanden sind, besteht deshalb kein Anspruch auf eine höhere Grundsicherung. Auch das Recht auf selbstbestimmten Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung begründet keinen Mehrbedarf - so das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.

Darum geht es

Der Kläger ist Rentner und bezieht aufstockende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Er machte bei der beklagten Stadt Essen geltend, er müsse dreimal täglich außer Haus eine Toilette aufsuchen. Kostenlose öffentliche Toiletten habe die Stadt schon vor langer Zeit abgeschafft. Im Durchschnitt koste jeder Toilettenbesuch zwei Euro. Auf 30 Tage gerechnet errechne sich ein zusätzlicher Bedarf von 180 Euro pro Monat. Das Sozialgericht (SG) Duisburg wies die Klage ab.

Das sagt das Gericht

Das nordrhein-westfälische Landessozialgericht (LSG) in Essen hat auch die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Für den geltend gemachten Anspruch fehle eine Rechtsgrundlage:

Die Voraussetzungen für die Annahme eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs aus medizinischen Gründen nach § 30 Abs. 5 SGB XII lägen nicht vor. Die Regelung sei nach dem gesetzgeberischen Willen abschließend. Mangels Regelungslücke scheide eine analoge Anwendung aus.

Der Fall des Klägers biete auch keinen Raum für eine abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB XII. Denn der durch die Regelbedarfe abgedeckte Bedarf liege nicht auf Dauer unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe.

Der Kläger sei nach seiner eigenen Schilderung altersentsprechend gesund und weise daher keine überdurchschnittliche Notwendigkeit von Toilettengängen auf. Der geltend gemachte Aufwand liege jenseits des üblichen Verhaltens der Durchschnittsbevölkerung und sei daher eine Frage der Freizeitgestaltung.

Im Regelsatz seien für die Bereiche Freizeit/Kultur, Gastronomie/Beherbergung sowie andere Waren/Dienstleistungen Anteile enthalten. Wie der Kläger das Geld einsetze, liege in seiner Eigenverantwortung. Bei Personen, die zum Lebensunterhalt im Alter Grundsicherungsleistungen benötigten, müsse nicht jeder Freizeitgestaltungswunsch bezahlt werden.

Hinweis für die Praxis

Ohne besondere medizinische Veranlassung sieht das LSG keine Grundlage, dem Rentner täglich drei Toilettengänge außer Haus zuzubilligen und sieht dies als Frage der persönlichen Freizeitgestaltung.

Zudem legt die Pressemitteilung nahe, dass das LSG auch andere Motive hinter der Klage vermutet, denn darin heißt es, es spiele für die Entscheidung keine Rolle wie die Situation vor Ort sei. Das sozialgerichtliche Verfahren sei »insbesondere kein Vehikel zur Durchsetzung lokalpolitischer Forderungen«.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

LSG Nordrhein-Westfalen (31.01.2022)
Aktenzeichen L 20 SO 174/21
LSG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 1.2.2022
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