Krankenversicherung

Krankengeld trotz verspäteter AU-Bescheinigung fällig

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Quelle: nmann77_Dollarphotoclub

Die gesetzliche Krankenkasse muss dem Versicherten auch dann Krankengeld zahlen, wenn der zuständige Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst an die Krankenkasse schickt und diese verspätet ankommt. Von Bettina Krämer.

Eine Arbeitnehmerin war länger erkrankt, so dass der Arbeitgeber bereits die vorgeschriebenen sechs Wochen Entgeltfortzahlung (§ 3 Abs. 1 EFZG) geleistet hatte. Dann sollte die Krankenkasse direkt im Anschluss Krankengeld bezahlen, weigerte sich aber, weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) erst nach der einwöchigen Meldefrist  bei ihr eingegangen war.

Arzt übermittelt AU-Bescheinigung zu spät

Die Arbeitnehmerin hatte sich rechtzeitig zu ihrem Hausarzt begeben, um die Arbeitsunfähigkeit  attestieren zu lassen. Der Arzt händigte das Formular für die Krankenkasse ihr aber nicht aus, sondern versendete dies selbst an die Krankenkasse. Dies machte er u.a. auch, weil ihn dies nichts kostete. Die Krankenkasse hatte ihm nämlich Freiumschläge zur Verfügung gestellt.

Die Weigerung wollte die Arbeitnehmerin nicht hinnehmen, weil sie sich nichts zu Schulden hatte kommen lassen. Das Sozialgericht (SG) Detmold gab ihr in diesem besonderen Fall Recht. Die Krankenkasse muss das Krankengeld auch bei verspäteter Vorlage der Bescheinigung sofort, also ohne Ruhezeit, bezahlen.

Krankenkasse trägt ausnahmsweise Verspätungsrisiko

Grundsätzlich muss der Versicherte sich selbst um den rechtzeitigen Eingang der AU-Bescheinigung bemühen. Im vorliegenden Fall konnte sich die Krankenkasse aber nicht auf diesen Grundsatz berufen. Denn die Klägerin hatte keine Möglichkeit, für den rechtzeitigen Zugang der Meldung zu sorgen. Sie war insbesondere nicht verpflichtet, die Krankenkasse auf andere Weise über das Fortbestehen ihrer Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Sie hat sich vielmehr darauf verlassen dürfen, dass der Arzt für eine rechtzeitige Übermittlung sorgt. Vor allem die Tatsache, dass die Krankenkasse der Arztpraxis Freiumschläge zur Verfügung gestellt hatte, musste bei der Klägerin den Eindruck erwecken, der Übermittlungsweg geht in Ordnung.

Der Arzt hatte innerhalb seiner berufsrechtlichen Befugnisse als Vertragsarzt gehandelt. Dann aber liegt das Risiko für den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung bei der Krankenkasse, entschied das SG Detmold. Die Krankenkasse kann sich in diesem Fall nicht darauf berufen, dass der für den Versicherten vorgesehene Vordruck den Hinweis enthält, dass eine verspätete Meldung zum Ausschluss von Krankengeld führen kann.

Anspruch auf Krankengeld

Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer nach Ablauf des Zeitraums, in dem der Arbeitgeber das Entgelt fortzahlt, selbst dafür sorgen, dass die Krankenkasse die AU-Bescheinigung rechtzeitig erhält.

Geht die Bescheinigung verspätet ein, führt dies zu einem Ruhen des Krankengeldanspruchs, d.h. es muss kein Krankengeld bezahlt werden, vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Es genügt, wenn die AU-Bescheinigung noch innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse eingeht, dann ruht der Anspruch nicht.

Die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist eine Obliegenheit des Versicherten, also eine Verpflichtung. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dazu entschieden, dass der Versicherte grundsätzlich das Risiko für einen Verspätung trägt und dies konsequent zu handhaben ist (BSG 16.12.2014- B 1 KR 35/14 R). Wenn demnach die Meldung trotz rechtzeitiger Aufgabe auf dem Postweg verloren geht oder wenn sie an einen unzuständigen Sozialleistungsträger versendet wird, hat der Versicherte Pech und bekommt kein Krankengeld.

Praxistipps

Die AU-Bescheinigung muss nicht der behandelnde Arzt persönlich ausstellen, so dass die Arbeitsunfähigkeit durch alle Ärzte festgestellt werden kann. Damit muss man bei Abwesenheit des behandelten Arztes nicht auf diesen warten. Im Übrigen muss die Krankmeldung nicht zwingend mit dem Standardformular erfolgen, sondern unterliegt keinen Formerfordernissen. Ruft man allerdings nur an, hat man später erhebliche Beweisprobleme. Am besten ist eine schriftliche Mitteilung, eingeworfen unter oder von Zeugen.

Liegt man im Krankenhaus, gilt die Meldeobliegenheit selbstverständlich nicht. Wer jedoch aus der Klinik entlassen und immer noch arbeitsunfähig ist, sollte für eine nahtlos anschließende AU-Bescheinigung sorgen und diese entweder dem Arbeitgeber oder der Krankenkasse vorlegen. Dann ist man auf der sicheren Seite. Seit dem 1. Juli 2017 dürfen die Ärzte im Krankenhaus die AU-Bescheinigung auch bis zu sieben Tage nach der Entlassung des Patienten ausstellen. Erhält ein Patient dies im Krankenhaus nicht schon direkt angeboten, sollte er das Krankenhaus danach fragen und eine nachträgliche AU-Bescheinigung erbitten, um es leichter zu haben.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

SG Detmold (15.11.2017)
Aktenzeichen S 5 KR 266/17 (rechtskräftig)
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters »AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat« vom 21.3.2018.
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