Digitalisierung

Personalabbau – So sollten sich Betriebsräte verhalten

14. Januar 2019 Personalabbau, Digitalisierung
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Nehmen uns Roboter und schlaue Software künftig die Jobs weg? Diese Angst geistert schon lange in vielen Köpfen umher. Wie sieht es in der Praxis aus? Die »Arbeitsrecht im Betrieb« 1/2019 hat Marc-Oliver Schulze, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei den AfA Rechtsanwälten, gefragt.

1. Nehmen betriebsbedingte Kündigungen durch Digitalisierung und Automatisierung zu?

Marc-Oliver Schulze:

Digitalisierung, Automatisierung oder Arbeit 4.0 sind Schlagworte, die seit Jahren heiß diskutiert werden. Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt stark verändern. Eine Zunahme betriebsbedingter Kündigungen sehe ich jedoch aktuell und in absehbarer Zeit nicht. Die Arbeitslosigkeit erreicht immer neue Rekordtiefstände, was zunächst einmal dem Fachkräftemangel geschuldet ist. Aber auch die Digitalisierung wird daran nicht nennenswert etwas ändern. Es wird nur andere Arten von Arbeiten geben. Ganz entscheidend ist die ständige Weiterqualifizierung – auch und vor allem der älteren Beschäftigten –, damit diese mit dem Wandel Schritt halten.

Aktuell sind Betriebsschließungen eher selten und häufig nicht einmal mit einem Stellenabbau verbunden, da man die qualifizierten Arbeitskräfte halten möchte und ihnen dann Homeoffice-Arbeitsplätze anbietet. Das ist gerade aber durch die fortschreitende Technik erst möglich geworden, so dass die Digitalisierung sogar zur Verhinderung von betriebsbedingten Kündigungen führen kann. Allerdings mit der Folge, dass sich die bisherige betriebliche Gemeinschaft und damit auch der soziale Zusammenhalt schrittweise immer mehr auflösen. In solchen Strukturen wird auch die Betriebsratsarbeit komplexer, so dass hier perspektivisch ganz neu gedacht werden muss.

2. Also ist die Welt noch in Ordnung und wir sehen rosigen Zeiten entgegen?

Marc-Oliver Schulze:

Nein. Leider nicht ganz. Trotz prosperierender Unternehmensentwicklung gibt es noch viele Unternehmen, die auf Kosten der Arbeitnehmer, zum vermeintlichen Wohle ihrer Anteilseigner Standorte schließen und massiv Personal abbauen, um die Rendite um ein paar Prozentpunkte zu steigern.

Da muss und kann gegengesteuert werden. Neben den Gewerkschaften sind auch die Betriebsräte gefordert, denn mit Arbeit spielt man nicht! Das war eine sehr zutreffende Kritik von Papst Franziskus anlässlich der Ankündigung von Thyssenkrupp, in seinem italienischen Werk in Terni Stellen zu kürzen. Wir haben diesen Ausspruch zum Motto unserer nächsten Sommertagung im Juli 2019 in Potsdam gemacht. Hier wollen wir mit Arbeitsrechtsexperten aus allen gesellschaftlichen Bereichen herausfinden, wie Betriebsräte angemessene Arbeitsbedingungen mitgestalten und mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe verhandeln können.

3. Aber befördert die Digitalisierung wohlmöglich verhaltensbedingte Kündigungen?

Marc-Oliver Schulze:

Ein spannender Aspekt. In der Tat: Ein Anstieg von verhaltensbedingten Kündigungen in den letzten Jahren ist feststellbar. Durch technische Mittel, sei es durch Kameraüberwachung oder Auswertung diverser Software: Die Arbeitgeber haben immer mehr Möglichkeiten, den Arbeitnehmern (vermeintliche) Pflichtverletzungen nachzuweisen. Auch hier ist der Betriebsrat gefordert, um zu verhindern, dass die Mitarbeiter dauerüberwacht werden und irgendwann der komplett gläserne Mitarbeiter Realität wird. Was alles möglich ist und wie der Betriebsrat sich dagegen zur Wehr setzen kann, ist sehr anschaulich in Wolfgang Däublers Handbuch zum Beschäftigtendatenschutz »Gläserne Belegschaften« dargestellt, dass ich nur jedem Betriebsrat zur Lektüre empfehlen kann.

4. Zurück zur betriebsbedingten Kündigung: Wann liegen überhaupt betriebliche Erfordernisse für einen Personalabbau vor?

Marc-Oliver Schulze:

Ist der Arbeitgeber zu dem Entschluss gelangt, Änderungen an der betrieblichen Struktur umzusetzen, kann er dies grundsätzlich im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit tun, natürlich nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats.

Die Entscheidung des Arbeitgebers muss zu einem Wegfall oder zu einer Verringerung des Beschäftigungsbedarfs führen. Innerbetriebliche Gründe können zum Beispiel vorliegen, wenn der Arbeitgeber den Betrieb neu organisiert, etwa durch die Fremdvergabe von Tätigkeiten oder durch den Einsatz von Robotik, die zu einer Vollautomatisierung des Betriebsablaufs führt – ggf. sogar in Verbindung mit der Schließung von einzelnen Betriebsteilen oder gar ganzer Betriebe. Außerbetriebliche Gründe, die einen Personalabbau erforderlich machen, können im Auftrags- oder Umsatzrückgang liegen. Aber auch hier gilt: Dieser außerbetriebliche Anlass muss umgesetzt werden und dann tatsächlich zu einem verringerten Beschäftigungsbedarf auf der betrieblichen Ebene führen.

5. Welche Möglichkeiten hat der Betriebsrat, wenn ein Personalabbau vor der Tür steht?

Marc-Oliver Schulze:

Bei jeder Betriebsänderung ist der Betriebsrat einzubinden, Interessenausgleich und Sozialplan sind abzuschließen. Dadurch kann häufig ein Personalabbau verhindert oder zumindest abgemildert werden. Der Betriebsrat sollte sich in solchen Fällen rechtzeitig an die Gewerkschaft und/oder einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden. Je früher solche Unterstützung mit im Boot ist, desto größer die Möglichkeiten, noch etwas aufzuhalten oder im Interesse der Mitarbeiter zu verändern.

Weitere Informationen

Antworten auf die Fragen:

  • Was ist, wenn der Arbeitgeber einen schrittweisen Arbeitsplatzabbau im Wege einer »Salamitaktik« durchführt und somit die Voraussetzungen für eine Betriebsänderung gar nicht vorliegen?
  • Gibt es immer eine Abfindung bei betriebsbedingten Kündigungen?

finden Sie in der »Arbeitsrecht im Betrieb« 1/2019. Jetzt 2 Ausgaben der »Arbeitsrecht im Betrieb« gratis testen!

Der Interviewpartner:

Marc-Oliver Schulze,

Fachanwalt für Arbeitsrecht, AfA Rechtsanwälte, Nürnberg.

www.afa-anwalt.de

 

 

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