Hartz IV

Sanktionen der Jobcenter sind zum Teil verfassungswidrig

05. November 2019
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Quelle: © Fontanis / Foto Dollar Club

Das Bundesverfassungsgericht hat heute über die Leistungskürzungen entschieden, die Jobcenter bei Pflichtverletzungen von ALG-II-Beziehern verhängen. Zwar bleiben Sanktionen zulässig, aber das bisher in Wiederholungsfällen übliche Kürzen der Barleistung um 60 oder gar 100 Prozent verstößt gegen das Grundgesetz - so die Richter in Karlsruhe. 

Welche Sanktionen sind noch erlaubt?

Der Hartz IV-Regelsatz beträgt gegenwärtig 424 Euro für erwachsene Alleinstehende (ab 2020 steigt er auf 432 Euro). Die Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) halten bei Verstößen gegen bestimmte Mitwirkungspflichten höchstens eine Leistungsminderung von 30 Prozent für zulässig (geregelt in  §§ 31 - 31b SGB II). 

In seiner Pressemitteilung führt der Erste Senat des BVerfG aus, der Gesetzgeber könne die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen auf Bezieher beschränken, die ihre Existenz tatsächlich nicht selbst sichern können. Er könne auch die erwerbsfähigen Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II im zumutbaren Rahmen verpflichten, sich um Arbeit zu bemühen und Sanktionen verhängen, indem er staatliche Leistungen vorübergehend entzieht. Dem Entzug der Leistungen setzt das Gebot der Verhältnismäßigkeit aber Grenzen. 

Diese Sanktionen sind verfassungswidrig:

  • die bisher möglichen Abzüge für das Verletzen der Mitwirkungspflicht um 60 oder sogar 100 Prozent, z. B. wenn ein Empfänger eine zumutbare Arbeit wiederholt nicht annimmt oder abbricht
  • das Verhängen von Sanktionen, soweit der Regelbedarf bei einer Pflichtverletzung auch bei außergewöhnlicher Härten zwingend zu mindern ist, und  
  • soweit für alle Leistungsminderungen eine starre Dauer von drei Monaten vorgegeben ist. 

Jobcenter und Verwaltung dürfen die bisherigen Regelungen mit diesen Maßgaben weiterhin anwenden, bis der Gesetzgeber das SGB II geändert hat.

Welche Sanktionen hat das BVerfG noch nicht geprüft?

  • Der Erste Senat hat in diesem Urteil nur über Regelungen entschieden, die für über 25-jährige Langzeitarbeitslose gelten.
  • Die Kürzungen für Leistungsbezieher unter 25 Jahren, die zum Teil strenger ausfallen können (§ 31a Abs. 2 SGB II), waren nicht Gegenstand des Verfahrens. 
  • Nicht geprüft hat das BVerfG zudem den Abzug von zehn Prozent, der verhängt wird, wenn ein Leistungsempfänger unentschuldigt nicht zu einem Termin im Jobcenter erscheint (§ 32 SGB II).

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BVerfG (05.11.2019)
Aktenzeichen 1 BvL 7/16
BVerfG, Pressemitteilung Nr. 74/2019 vom 5.11.2019
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