Corona-Pandemie

Hartz-IV-Empfänger haben Anspruch auf FFP2-Masken

15. Februar 2021
Maske Corona FFP2 Pandemie Gesundheit Gesundheitsschutz Hygiene
Quelle: www.pixybay.com/de | Bild von Antonio Cansino

Empfänger der Grundsicherung haben wegen der derzeitigen Pandemiesituation Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für wöchentlich 20 FFP2-Masken, zumindest bis zum Sommeranfang am 21.6.2021. Dies teilt das Sozialgericht Karlsruhe mit. Auf günstigere OP-Masken müssten sie sich nicht verweisen lassen. Das Jobcenter müsse die FFP2-Masken entweder als Sachleistung verschicken oder monatlich 129 Euro mehr gewähren - so das Gericht.

Darum geht es:

Der Antragsteller ist arbeitssuchend und bezieht Leistungen der Grundsicherung. Er beantragte beim Jobcenter die Zahlung eines Mehrbedarfs für FFP2-Masken oder die Erhöhung des monatlich gezahlten Grundsicherungsbetrages, um die Masken kaufen zu können.

Das sagt das Gericht:

Die 12. Kammer des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe gab dem Eilantrag eines Arbeitsuchenden statt. Die Kammer entschied, dass für den Kläger, bedingt durch die derzeitige Epidemiesituation, ein im Einzelfall unabweisbarer Hygienebedarf an FFP2-Masken bis Sommeranfang (21.6.2021) besteht. Das Jobcenter wurde verpflichtet, dem Kläger bis zum Sommeranfang zusätzlich zum Regelsatz entweder als Sachleistung wöchentlich 20 FFP2-Masken zu schicken oder ihm als Geldleistung hierfür monatlich weitere 129,- Euro zahlen.

Anspruch aus Grundrecht auf soziale Teilhabe

Die Kammer teilt mit, ein besonderer Mehrbedarf an wöchentlich 20 FFP2-Masken sei glaubhaft gemacht. Ohne Mund-Nasen-Bedeckungen dieses Standards seien Empfänger:innen von Grundsicherungsleistungen in ihrem Grundrecht auf sozialen Teilhabe in unverhältnismäßiger Weise beschränkt. Nach drei Monaten Lockdown müssten Arbeitsuchende wieder am Gemeinschaftsleben in einer dem sozialen Existenzminimum entsprechenden Art und Weise teilnehmen können.

OP-Masken genügen nicht

Die Empfänger:innen von Grundsicherungsleistungen müssten sich nicht auf Alltagsmasken oder OP-Masken verweisen lassen. Diese seien für den Infektionsschutz vor SARS-Cov-2-haltigen Aerosolen in der Straßenbahn, im Supermarkt, im Treppenhaus, im Wartezimmer, in der Leichenhalle, etc. – auch angesichts der Virusvarianten – nicht gut genug geeignet.

Wer bei der Verrichtung alltäglicher Erledigungen trotzdem lediglich eine OP-Maske gebrauche und einen Mitmenschen mit dem lebensgefährlichen Virus anstecke, schädige eine andere Person an der Gesundheit und verstoße gegen das gesetzliche Verbot gefährlicher Körperverletzungen. Dieses verbotswidrige Verhalten sei auch nicht allein deswegen außerhalb von Krankenhäusern oder Pflegeheimen erlaubt, weil die CoronaVO FFP2-Masken lediglich dort vorschreibe und andernorts OP-Masken genügen lasse.

Keine Pflicht zur Wiederverwendung von FFP2-Masken

Die Anerkennung individueller Mehrbedarfe an FFP2-Masken diene nicht nur der Befriedigung privater Bedürfnisse. Sie bezwecke den Infektionsschutz der Allgemeinheit vor einer weiteren Verbreitung des Virus. Zur effektiven Abwehr dieser gesteigerten Ansteckungsgefahr müsse die Mehrbedarfsgewährung wöchentlich 20 FFP2-Masken umfassen. Dem Infektionsschutz werde »ein Bärendienst erwiesen«, falls nicht mindestens täglich eine neue Maske sowie durchschnittlich ca. zwei weitere neue Ersatz-FFP2-Masken bereitgestellt würden. Es sei davon auszugehen, dass wenige Personen bereit und fähig seien, fortlaufend zuverlässig die sehr hohen Sorgfaltsanforderungen an die private Wiederverwendung von FFP2-Masken zu erfüllen.

Diese seien zum Einmalgebrauch für geschultes Medizinpersonal konstruiert. Ohne die Beachtung der zum Trocknen notwendigen Hygiene-Routinen würden ggfs. über mehrere Tage und Wochen hinweg für den Infektionsschutz ungeeignete oder sogar virushaltige Masken getragen. Diese erweckten nur den falschen Anschein des Infektionsschutzes. Der massenhaft irreführende Anschein der Verwendung pandemie-adäquater FFP2-Masken wäre aber dem Infektionsschutz nicht zu-, sondern abträglich.

Der Kammerbeschluss, nachzulesen unter www.sozialgerichtsbarkeit.de, ist rechtskräftig.

Hinweis für die Praxis

Das Gericht weist in seiner Pressemitteilung darauf hin, dass es nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit im Januar 2021 bundesweit insgesamt 5.351.000 Empfänger:innen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gab, die sich auf diese Argumentation berufen könnten.


© bund-verlag.de (ck)

Quelle

SG Karlsruhe (11.02.2021)
Aktenzeichen S 12 AS 213/21 ER
SG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 12.2.2021
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