Betriebsversammlung

Gekündigter Arbeitnehmer darf zur Betriebsversammlung

13. April 2017
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Quelle: © Franz Pfluegl / Foto Dollar Club

Ist einem Arbeitnehmer gekündigt worden und hat er dagegen Kündigungsschutzklage erhoben, ist er weiterhin wie ein Betriebsangehöriger zu behandeln. Er darf somit auch an einer Betriebsversammlung (BV) teilnehmen – so das LAG Mecklenburg-Vorpommern. Daran ändere auch ein vom Arbeitgeber erteiltes Hausverbot nichts. Denn das Hausrecht obliegt bei der BV dem Betriebsratsvorsitzenden.

Im zu entscheidenden Fall ging es um einen Arbeitnehmer, der zusammen mit zwei Kollegen Mitte Dezember 2016 eine Einladung zu einer Betriebsversammlung unterschrieben hatte, bei der ein Wahlvorstand zur erstmaligen Wahl eines Betriebsrats bestellt werden sollte. Ende Dezember 2016 und im Januar 2017 wurde dem Beschäftgten jeweils fristlos gekündigt. Zudem erhielt er vom Arbeitgeber ein Hausverbot.

Der Arbeitnehmer legte gegen die Kündigungen Kündigungsschutzklage ein und forderte ein Zutrittsrecht zu der Ende Januar 2017 stattfindenden Betriebsversammlung.

Arbeitnehmer darf an Betriebsversammlung teilnehmen

Das Gericht bejahte ein Zutrittsrecht zu der Betriebsversammlung. Die beiden fristlosen Kündigungen stehen dem Zutrittsrecht nicht entgegen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes beschränkt werden, wobei auch die Einberufung und Durchführung der Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes einbezogen ist. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darf zudem niemand die Wahl des Betriebsrates behindern, wobei jede Behinderung gemeint ist und u.a. dann vorliegt, wenn ein Wähler, Wahlkandidat oder sonstiger an der Wahl Beteiligter in der Ausübung seiner Rechte, Befugnisse oder Aufgaben beeinträchtigt oder beschränkt wird.

Demnach steht allen Arbeitnehmern des Betriebes gemäß § 17 Abs. 3 i.V.m. § 42 Abs. 1 BetrVG jeweils ein Zutrittsrecht zur Betriebsvereinbarung mit dem Ziel der Wahl eines Wahlvorstandes zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl zu. An die Beachtung dieser Zutrittsrechte ist auch der grundsätzlich das Hausrecht ausübende Arbeitgeber gem. § 20 Abs. 1 BetrVG gebunden.

Kündigung muss nicht offensichtlich unwirksam sein

Es kommt auch nicht darauf an, ob die Kündigungen offensichtlich unwirksam sind. Denn wenn einem Arbeitnehmer fristlos gekündigt wurde und er Kündigungsschutzklage eingelegt hat, ist für die Bejahung des Zutrittsrechts an einer – einmaligen und zeitlich begrenzten – Betriebsversammlung die offensichtliche Unwirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung nicht erforderlich – so das Gericht. Lediglich wenn feststeht, dass Arbeitnehmer nicht mehr in den Betrieb zurückkehren werden (z.B. Altersteilzeit im Block-Modell in der Freistellungsphase), erlischt die Teilnahmeberechtigung nach § 42 Abs. 1 BetrVG. Im Falle eines gekündigten Arbeitnehmers bleibt dagegen im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage die rechtswirksame Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und mithin die Zugehörigkeit zur Arbeitnehmerschaft eines Betriebes i.S.d. § 42 Abs. 1 BetrVG ungeklärt. Dieser Unsicherheitszustand führt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 14.05.1997 – 7 ABR 26/96) nicht zum Verlust des aktiven und passiven Wahlrechtes.

Hausrecht steht hier den Wahlinitiatoren zu

Auch das Hausverbot steht der Teilnahme an der Betriebsversammlung nicht entgegen.  Denn das Hausrecht obliegt bei der Durchführung einer Betriebsversammlung i.S.v. § 42 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsratsvorsitzenden. Hier gibt es noch keinen Betriebsrat. Das Hausrecht obliegt demnach gem. § 17 Abs. 3 BetrVG den Wahlinitiatoren. Das diesbezügliche Hausrecht erstreckt sich dabei auf den Versammlungsraum sowie auf die Zugangswege zum Ort der Betriebsversammlung zum Zweck der ordnungsgemäßen Durchführung (BAG vom 22.05.2012 – 1 ABR 11/11).

© bund-verlag.de (ls)

 

Quelle

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (30.01.2017)
Aktenzeichen 3 TaBVGa 1/17
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