Gesetzlicher und vertraglicher Urlaubsanspruch sind gleichrangig

28. Januar 2013

Unterscheidet ein Arbeits- oder Tarifvertrag nicht zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub, besteht Anspruchskonkurrenz. Der Arbeitgeber erfüllt beide Ansprüche zum Teil, wenn er dem Arbeitnehmer Urlaub gewährt.

Der Fall:

Eine Arbeitnehmerin verlangt von ihrer früheren Arbeitgeberin die Abgeltung von zehn zusätzlichen Urlaubstagen für das Jahr 2007. Die Arbeitnehmerin war seit 1986 bei ihrer Arbeitgeberin als Büroangestellte beschäftigt. Ihre Arbeitszeit verteilte sich auf fünf Wochentage. Die Arbeitnehmerin erkrankte am 29.4.2008 und blieb bis zum Ende ihrer Beschäftigung am 28.2.2009 arbeitsunfähig.

Für ihr Arbeitsverhältnis galt der Manteltarifvertrag für das Installateur- und Heizungsbauer-, Klempner-, Behälter- und Apparatebauer-Handwerk im Land Nordrhein-Westfalen vom 13.8.2007 (MTV). Darin war geregelt, dass der Urlaubsanspruch jährlich 30 Tage beträgt und drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres erlischt auch bei Krankheit im gesamten Kalenderjahr. Die Urlaubsvergütung betrug 140 % des Arbeitsentgelts pro Urlaubstag.

Die Beklagte gewährte der Klägerin im Jahr 2007 15 Tage Urlaub und zahlte ihr für dieses Jahr tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 1.049,71 Euro brutto. Die Arbeitnehmerin erhob Klage und forderte zuletzt die Abgeltung zehn weiterer Urlaubstage für 2007 und entsprechende tarifliche Urlaubsgeld. Sie berief sich auf die betriebliche Übung bei der Arbeitgeberin, wonach der Resturlaub noch bis Ende des Folgejahres genommen werden kann.

Das ArbG hatte der Klägerin zum Teil Recht gegeben und ihr die Abgeltung für fünf Tage gesetzlichen Mindesturlaub und Urlaubsgeld zugesprochen. Das LAG hatte ihr in zweiter Instanz Abgeltung und Urlaubsgeld für zehn weitere Tage zugesprochen.

Die Entscheidung:

Das BAG gab in der Revision der Arbeitgeberin Recht. Der Klägerin standen für 2007 höchstens noch die vom Arbeitsgericht rechtskräftig zuerkannten fünf Tage Mindesturlaub mit der entsprechenden Abgeltung zu. Die Arbeitgeberin habe der Klägerin 2007 nicht zuerst den tariflichen Mehrurlaub gewährt, sondern den gesetzlichen und tariflichen Urlaubsanspruch zu gleichen Teilen erfüllt. Daher standen ihr nach § 3 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) für 2007 nur noch fünf Tage Mindesturlaub zu.

Der tarifliche Urlaubsanspruch aus dem MTV ist gegenüber dem gesetzlichen Mindesturlaub kein eigenständiger Anspruch, soweit sich beide Ansprüche decken. Unterscheidet eine Regelung in einem Arbeits- oder Tarifvertrag nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und einem übergesetzlichen Mehrurlaub, liegt in Höhe des Mindesturlaubs eine sog genannte Anspruchskonkurrenz vor.

Daher hat die Arbeitgeberin, indem sie der Klägerin 2007 bereits 15 Urlaubstage gewährte, sowohl den gesetzlichen als auch den tariflichen Urlaubsanspruch teilweise erfüllt. Auch wenn man die von der Klägerin behauptete betriebliche Übung zu Grunde legt, gilt nichts anderes: Die Vorgabe des EuGH, dass der Erholungsurlaub nicht in der kurzen Frist des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen darf, gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub.

Hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs sind die Arbeitsvertragsparteien frei, eine Regelung zu treffen treffen. Durch die betriebliche Übung verlängerte sich der Übertragungszeitraum bis zum 31.12.2008, nicht jedoch darüber hinaus. Der restliche tarifliche Urlaubsanspruch für 2007 wäre damit noch vor Ende des Arbeitsverhältnisses verfallen, so dass kein Anspruch auf Abgeltung entstehen konnte.

Quelle:

BAG, Urteil vom 7.8.2012
Aktenzeichen: 9 AZR 760/10
BAG online

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