Schwerbehindertenvertretung (SBV)

SBV ist auch bei Bewerbung der Vertrauensperson zu beteiligen

23. August 2013

Der Arbeitgeber musss die SBV an der Entscheidung über die Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen auch dann beteiligen, wenn die gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten ebenfalls zu den Bewerbern gehört, entschied das BAG.

Der Fall

Die Parteien streiten um eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil sich der Kläger als schwerbehinderter Mensch bei der Entscheidung über seine Bewerbung diskriminiert sieht.

Die beklagte Arbeitgeberin ist eine Spielbank. Bei der Beklagten ist eine SBV gewählt, die aus einem Schwerbehindertenvertreter (Vertrauensperson gemäß § 96 SGB IX) und zwei Stellvertretern besteht. Die Beklagte hatte zwei Beförderungsstellen für so genannte »Tischchefs« ausgeschrieben. Tischchefs üben die Aufsicht über einen Spieltisch in einer Spielbank aus, etwa beim Roulette oder bei Karten-Glücksspielen (Black Jack und Poker).

Darauf bewarben sich drei Frauen und 22 Männer, unter ihnen auch der Schwerbehindertenvertreter und der Kläger, der stellvertretendes Mitglied der SBV ist. Die Beklagte teilte dem Schwerbehindertenvertreter mit, dass sie wegen der aus ihrer Sicht bestehenden Interessenkollision weder ihn noch den Kläger als seinen Stellvertreter an der Auswahlentscheidung beteiligen werde. Die SBV wurde nicht am Verfahren beteiligt.

Die Beklagte entschied sich schließlich für eine Frau und einen Mann, mit denen sie die Stellen besetzte. Mit seiner Klage macht das stellvertretende SBV-Mitglied eine Entschädigung in Höhe von mindestens 10.500,00 EUR geltend. Er sehe sich durch die Auswahlentscheidung als schwerbehinderter Mensch diskriminiert. Dafür spreche auch die unterlassene Beteiligung der SBV.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen (zuletzt LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.11.2011 - 24 Sa 1606/11).

Die Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des BAG Erfolg. Der Senat verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurück.

Die Entscheidung des LAG war nach Ansicht des BAG falsch, denn bei der Entscheidung über die Bewerbung des Klägers hätte die SBV nach § 81 SGB IX beteiligt werden müssen. Dem stand nicht entgegen, dass sich die gewählte Vertrauensperson selbst und der Kläger als einer ihrer Stellvertreter auf die Stellen beworben hatten.

Einen möglichen Interessenkonflikt zwischen Bewerbern hätte der Kläger verhindern können, indem er nach § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX die Beteiligung des Schwerbehindertenvertreters als seines direkten Konkurrenten um die zu besetzende Stelle ausdrücklich hätte ablehnen können. Dagegen oblag es nicht dem Arbeitgeber, von der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der SBV Abstand zu nehmen.

In einer neuen Verhandlung muss das LAG klären, ob die Verletzung der Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Menschen nach dem Sozialgesetzbuch IX vorliegend eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung indiziert, oder ob die Arbeitgeberin ihre Vorgehensweise so zu rechtfertigen vermag, dass ein Entschädigungsanspruch des Klägers nach AGG ausscheidet.

Quelle
BAG, Urteil vom 22.08.2013
Aktenzeichen 8 AZR 574/12
BAG, Pressemitteilung 50/13 vom 22.08.2013

Lesetipp der AiB-Redaktion
»Diskriminierung wegen einer Behinderung - Auszug aus der Rechtsprechung des BAG seit Inkrafttreten des AGG« von Julia Grimme in »Arbeitsrecht im Betrieb« 9/2012, S. 514–518.

(c) bund-verlag.de (ck)

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