Tochterunternehmen im Ausland zählen mit
Der Antragsteller, ein Rechtsprofessor aus München, neuerdings auch Aktionär, beantragte die Feststellung, dass der Aufsichtsrat seiner Aktiengesellschaft nicht vorschriftsmäßig besetzt sei. Das für die Zusammensetzung angewandte Drittelbeteiligungsgesetz verstoße gegen das Recht der Europäischen Union. Die Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf inländische Arbeitnehmer schließe Arbeitnehmer, die in anderen Mitgliedstaaten beschäftigt sind, in unzulässiger Weise aus. Das Drittelbeteiligungsgesetz dürfe daher nicht angewendet werden. Vielmehr sei das Mitbestimmungsgesetz maßgebend.
Nach bisheriger Auffassung wurden Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften der inländischen Muttergesellschaft nicht zugerechnet und somit auch bei den Schwellenwerten nicht mitgezählt. Berücksichtigt wurden demnach nur die Beschäftigten der Konzerngesellschaften, die ihren Sitz in Deutschland hatten. Begründet wurde dies mit dem so genannten »Territorialitätsprinzip«, wonach das Hoheitsgebiet anderer Staaten nicht durch die deutsche Rechtsordnung beeinflusst werden könne.
Im zu entscheidenden Fall stellte das Gericht fest, dass der Aufsichtsrat nicht nach den gesetzlich vorgeschriebenen Vorschriften zusammengesetzt wurde.
In diesem Zusammenhang hatte das Gericht bereits früher (LG Frankfurt, DB 1982, 1312) entschieden, dass im Ausland beschäftigte Mitarbeiter an der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat zu beteiligen sind. Diese seien auch bei der Anzahl der für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes maßgeblichen Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Im Unterschied zur damaligen Auffassung änderte das Gericht jetzt aber seine Meinung bezüglich der Arbeitnehmer ausländischer Tochterunternehmen. Diese seien auch mit zu berücksichtigen.
Zur Begründung verweist das LG auf den Konzernbegriff, der einheitlich aus dem Aktiengesetz (AktG) zu entnehmen sei. Der Wortlaut des Mitbestimmungsgesetzes – und auch des Drittelbeteiligungsgesetzes – nehme an keiner Stelle im Ausland Beschäftigte von der Mitbestimmung aus. Auch enthalten weder das Mitbestimmungsgesetz noch das Drittelbeteiligungsgesetz eine diesbezügliche Regelung, sie verweisen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer vielmehr auf die Regelung über den Konzern in § 18 Abs. 1 AktG (§ 5 Abs. 1 MitbestG, § 2 DrittelbG). Hinsichtlich dieser Regelung des AktG ist aber nicht fraglich, dass zum Konzern auch ausländische Unternehmen zählen können. Maßgeblich ist allein, ob ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG besteht. Einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Konzernbegriff gibt es nicht, maßgeblich sind allein die Regelungen des Aktiengesetzes (vgl. BAG, NZA 2007, 999).
Zu beachten bleibt, dass die Entscheidung noch nichts rechtskräftig ist. Es bleibt also abzuwarten, wie die höheren Instanzen entscheiden werden. Sollte die Entscheidung des LG bestätigt werden, führt dies zu einer erheblichen Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung. Für einige Unternehmen könnte die Zurechnung der Mitarbeiter ausländischer Tochtergesellschaften erstmals einen mitbestimmten Aufsichtsrat bedeuten.
Quelle:
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.02.2015
Aktenzeichen: 3-16 O 1/14
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Harald Fuchs, Roland Köstler, Lasse Pütz
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