Sonderpreis Beschäftigungssicherung - Deutscher Betriebsräte-Preis 2009

2009 SP Beschäftigung

Projekt: »FAIR« – Das partizipative Restrukturierungsprojekt
Bewerber/in: Konzernbetriebsrat der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK Rhein-Main GmbH)
Beschäftigtenzahl: ca. 2.400
Branche: Gesundheit und Pflege
Gewerkschaften: ver.di, Marburger Bund, dbb Tarifunion 

Stichworte zum Projekt

  • Gemeinsamer Kooperationsvertrag zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung und Gesellschafter


Motiv

Aufgrund von starken Veränderungen und Belastungen im Gesundheitswesen sind Krankenhäuser und Kliniken immer größeren Einsparungen ausgesetzt. Gesellschafter, Geschäftsführung und Betriebsrat der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) beschlossen, sich dieser Herausforderung gemeinsam zu stellen. In einem Kooperationsvertrag hielten die Parteien fest, dass zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der HSK Wiesbaden als Krankenhaus der Landeshauptstadt Wiesbaden und zur langfristigen Beschäftigungssicherung ein umfassender Beratungs- und Zukunftssicherungsprozess erforderlich sei.

Vorgehen

Um diesen Prozess zielgerichtet durchführen zu können und Maßnahmen zur Verbesserung der ökonomischen Situation der HSK Wiesbaden zeitnah zu realisieren, vereinbarten Geschäftsführung und Betriebsrat ein gemeinsames Projekt zur Rettung des Krankenhauses.
Das FAIR-Projekt mit all seinen 31 einzelnen Teilprojekten, deren Aufgaben die Analyse und die Neuausrichtung der Strukturen, Prozesse und des Leistungsgeschehens sind, ist die erste Säule der Sanierung. Hierbei wurden alle Bereiche des Unternehmens von der Patientenversorgung bis zur Infrastruktur und den Verwaltungsbereichen einbezogen und umfassend neu strukturiert.
Das Ziel der Sanierungsprojekte ist es, Konsolidierung und Wachstum optimal miteinander zu verbinden, um das Unternehmen so auszurichten, dass es den Herausforderungen in der Gesundheitsbranche langfristig gewachsen ist.
Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zogen externe Berater zur Unterstützung der Konzeption und Durchführung des FAIR-Projektes heran.
Durch ein eigens eingerichtetes Projektbüro werden die Restrukturierungsmaßnahmen begleitet und überwacht. In wöchentlichen, gemeinsamen Sitzungen werden die Projekte und die Projektabläufe gesteuert und evaluiert.
Als zweite Säule wurden zeitgleich mit den Gewerkschaften Sanierungs- und Tarifverträge vereinbart.
Nachdem die gewerkschaftlichen Gremien und der Aufsichtsrat der HSK zugestimmt hatten, traten die Sanierungstarifverträge zum 1. April 2007 mit einer Laufzeit von fünf Jahren in Kraft. Die Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung (ZVK) der Mitarbeiter werden in diesem Zeitraum um die Hälfte reduziert, was das Personalkostenbudget um 3 Mio. Euro pro Jahr entlastet. Im Gegenzug verzichtet der HSK-Konzern im gleichen Zeitraum auf betriebsbedingte Beendigungskündigungen sowie auf Aus-, Um- und Neugründungen mit dem Ziel der Anwendung eines finanziell günstigeren Tarifrechts. Alle Mitarbeiter verzichten auf Teile ihrer Vergütung. Für die Berufsgruppe der Ärztinnen und Ärzte werden 2,53% der tariflichen Grundvergütung und für die nichtärztlichen Beschäftigten 26% ihrer tariflichen Jahressonderzahlung dem Arbeitgeber für die Dauer der Sanierungstarifverträge zur Verfügung gestellt. Diese Beiträge der Mitarbeiter werden mit einer Verzinsung von 2% im Januar 2012 oder bei Ausscheiden aus dem Unternehmen zurückgezahlt. Die Gesellschafterin der HSK, die Landeshauptstadt Wiesbaden, erklärte sich zudem bereit, die Mitgliedschaft der Kliniken im kommunalen Arbeitgeberverband beizubehalten und durch Bürgschaften und sonstige Sicherheiten ihren Beitrag zum Sanierungsprozess zu leisten.

Ergebnis

Der auf viereinhalb Jahre angelegte Sanierungsprozess befindet sich gerade im zweiten Jahr. Dennoch konnten einige wichtige Maßnahmen bereits umgesetzt werden. Es finden Personalveränderungen statt, betriebsbedingte Kündigungen sind jedoch ausgeschlossen. Auf die internen Qualifizierungsmöglichkeiten ist der Betriebsrat besonders stolz. Werden Veränderungen für einzelne Kolleginnen und Kollegen oder gar ganze Gruppen der Belegschaft notwendig, kann mittels eines eigens dafür zur Verfügung stehenden Qualifizierungsbudgets der Übergang auch in ein neues Tätigkeitsfeld unterstützt werden.
Als neues Berufsbild wurden zum Beispiel die »Case Manager« eingeführt, die den Behandlungsablauf eines Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung steuern.
Das Besondere am Projekt FAIR ist, dass neben der normalen Linienorganisation eine Projektorganisation etabliert wurde, die strikt umsetzungsorientiert ausgestaltet ist, um das notwendige schnelle Handeln zu ermöglichen und den ökonomischen Erfolg des Sanierungsprozesses zu sichern. Die Akteure im Prozess konnten an vielen Stellen feststellen, dass ein hoher Diskussionsbedarf bestand, um über bestehende Strukturen hinaus innovative und moderne Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden. Stürmische Zeiten sind
gemeinsam zu meistern, um die Zukunftsfähigkeit nachhaltig zu sichern. Betriebsrat, Geschäftsführung und externe Berater arbeiten konstruktiv gemeinsam zum Wohle des Unternehmens zusammen.