Nominierung Deutscher Betriebsräte-Preis 2018

Betriebsrat DHL Delivery Kassel GmbH
Projekt: Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit bei der DHL Delivery Kassel GmbH

"Gemeinsam haben wir große Hürden überwunden und etwas bewegt: Die Arbeitszeit-BV gibt Sicherheit und schützt unsere Kolleg*innen."

Michael Akinlaton, Betriebsratsvorsitzender

Daten und Stichworte zum Projekt

Projekt: Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit bei der DHL Delivery Kassel GmbH
Bewerber/in: Betriebsrat der DHL Delivery Kassel GmbH
Beschäftigtenzahl: 51-200
Branche: Paketzustellung/ Privates Transport- und Verkehrsgewerbe
Gewerkschaften: ver.di

 

Stichworte

  • Hohe Rechts- und Planungsunsicherheit für die Beschäftigten hinsichtlich Arbeitszeit sowie Freizeitausgleichs- und Bargeldansprüchen
  • Betriebsrat dringt auf Wahrung der Mitbestimmungsrechte und Einhaltung von Dienstplänen
  • Betriebsvereinbarung sichert Beteiligungsrechte des Betriebsrates u.a. bei Dienstplangestaltung und -Änderung sowie bei der der täglichen Arbeitszeit

Motiv

Die DHL Delivery Kassel GmbH ist als Unternehmen durch Ausgliederung aus der Deutschen Post AG entstanden. Gegenstand der Betriebstätigkeit der Regionalgesellschaft ist die Zustellung von Paketen der Marke DHL am Standort Kassel. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Beschäftigten der DHL Delivery Kassel GmbH richtet sich nach dem Manteltarifvertrag des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes in Hessen (VdV).

Noch vor der Bildung des fünfköpfigen Betriebsrats am 24. November 2015 hatte die Geschäftsführung eine Arbeitszeit-Betriebsordnung in Kraft gesetzt. Diese enthielt in Ziffer 1. folgende Regelung:
„[…]Die tägliche Arbeitszeit beginnt mit dem in dem jeweils gültigen Dienstplan uhrzeitmäßig ausgewiesenen Arbeitsbeginn. Sie endet mit dem tatsächlichen Ende der Arbeit. Das in dem Dienstplan uhrzeitmäßig dargestellte Arbeitsende gilt nur als Durchschnittswert, da wegen des stark schwankenden Sendungsaufkommens und der Unwägbarkeiten des Außendienstes ein tägliches Arbeitsende nicht verlässlich bestimmt werden kann. Die tägliche Arbeitszeit beträgt bis zu 10 Stunden. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt bis zu 60 Stunden.[…]“.

Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit der Beschäftigten der DHL Delivery Kassel GmbH wurde gemäß der Arbeitszeit-Betriebsordnung auf einem Arbeitszeitkonto so erfasst, dass Unter- bzw. Überschreitungen der täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit als Minder- oder Mehrleistungen minutengenau erfasst und fortlaufend saldiert wurden. Ausgehend von der Nulllinie betrug die Schwankungsbreite des Arbeitszeitkontos maximal 200 Stunden. Innerhalb von zwölf Monaten, jeweils zum 31. März eines jeden Jahres, wurde das Arbeitszeitkonto ausgeglichen. Dieser Ausgleichszeitraum galt auch für die 39. und 40. Wochenstunde. Minusstunden wurden dabei auf null gesetzt, Plusstunden durch Freizeitfestlegung ausgeglichen.

Die Beschäftigten der DHL Delivery Kassel GmbH wurden vom Arbeitgeber abgemahnt, wenn sie den Dienstplan einhielten und keine Plusstunden leisteten, die auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben wurden. Für die Zusteller*innen war die Situation im November 2015 daher mit einer erheblichen Rechts- und Planungsunsicherheit verbunden. 

Vorgehen

Der Betriebsrat forderte den Arbeitgeber erstmals mit Schreiben vom 27. November 2015 sowie in gemeinsamen Sitzungen auf, die Dienstpläne und deren Änderungen sowie die Anweisung von Überstunden dem Betriebsrat vorzulegen und verwies auf die Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG. In der Folgezeit setzte sich der Arbeitgeber darüber hinweg und wich von bereits mitbestimmten Dienstplänen ab bzw. ordnete Überstunden an, obwohl der Betriebsrat vorab entsprechende Anträge des Arbeitgebers abgelehnt hatte. Zudem setzte der Arbeitgeber Beschäftigte regelmäßig außerhalb der Dienstpläne ein, ohne zuvor den Betriebsrat zu beteiligen. Das Gremium wies hierauf wiederholt schriftlich hin und forderte den Arbeitgeber auf, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Das Ziel: eine verbindliche Regelung zur Arbeitszeit, die bestehende Rechts- und Planungsunsicherheit für die Beschäftigten der DHL Delivery Kassel GmbH beseitigt.

Am 8. Juli 2016 übergab der Betriebsrat den Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Der Arbeitgeber legte am 1. August 2016 dem Betriebsrat den arbeitgeberseitigen Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vor. Nach dem Scheitern der Verhandlungen einigten sich beide Seiten im gerichtlichen Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Kassel am 23. August 2016 einvernehmlich auf die Einsetzung einer Einigungsstelle, um eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitregelung abzuschließen. In der Folge verhandelte das Gremium erstmalig am 19. Oktober 2016 mit dem Arbeitgeber in der Einigungsstelle.
 

Ergebnisse

Da keine Einigung erzielt werden konnte, kam es nach insgesamt neun Verhandlungsterminen am 15. März 2017 zum Spruch der Einigungsstelle zur „Arbeitszeit bei der DHL Delivery Kassel GmbH“. In dieser Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit wurde festgelegt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, verteilt auf fünf Werktage pro Woche, 38 – statt der bis dahin geltenden 40 – Stunden beträgt. Alle Beschäftigten erhalten mindestens einen freien Werktag pro Woche.

Arbeitszeitbeginn und -Ende sowie die Ruhepausen werden gemäß § 3 der Betriebsvereinbarung in allgemeinen Dienstplänen festgelegt, die dem vorgegebenen Muster in der Anlage zur Betriebsvereinbarung entsprechen. Auf Basis der Dienstpläne werden Einsatzpläne erstellt, die ebenfalls einer konkreten Vorgabe folgen.

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei der Dienstplangestaltung und- Änderung, bei der täglichen Arbeitszeit und bei deren Überschreitung, beim Einsatz von Springern sowie der Rückholung eines Beschäftigten aus einem dienstplanmäßig freien Tag sind in der Betriebsvereinbarung konkret und umfassend geregelt und gesichert. Für den Fall der Nichteinigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die vorgelegten Einsatzpläne sind kurzfristige Verhandlungen innerhalb von einer Woche vorgesehen.

Dabei werden auch betriebsübliche Schwankungen der Arbeitszeit berücksichtigt und so die nötige Flexibilität für alle Beteiligten gewährleistet: Die Zustimmung des Betriebsrats zu Überschreitungen der dienstplanmäßigen Arbeitszeit gilt als erteilt, sofern sie arbeitstäglich 45 Minuten nicht übersteigen und das Arbeitszeitkonto des betroffene Beschäftigten nicht mehr als 40 Plusstunden und je Kalenderwoche nicht mehr als 180 Minuten aufweist.
Durch die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit ist es gelungen, für die Beschäftigten verbindlich und rechtssicher die tägliche Arbeitszeit sowie eventuelle Freizeitausgleichs- und Barabgeltungsansprüche für Mehrleistungen zu regeln. Eine der wichtigsten Errungenschaften ist die Abschaffung der Erfassung von Minderstunden auf dem Arbeitszeitkonto. Zudem wurde die Schwankungsbreite des Arbeitszeitkontos von maximal 200 Stunden auf maximal 40 Stunden verringert, wobei es sich nun ausschließlich um Mehrleistungen handeln darf. Diese werden minutengenau erfasst und innerhalb von 12 Monaten durch Freizeit oder finanzielle Abgeltung ausgeglichen.