1. Basisdaten zu Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnissen 2017

1.1 Arbeitszeit und Gesundheit: die Datenlage

Die Gestaltung der Arbeitszeiten ist für den Arbeits- und Gesundheitsschutz und die Arbeitsqualität von zentraler Bedeutung. Ohne humane Arbeitszeiten kann es keine gute, menschengerechte Arbeitsgestaltung geben. Das Thema Arbeitszeit steht daher – generell in dieser Ausgabe wie auch hier in diesem Datenanhang – im Mittelpunkt der Betrachtung. Was die Gestaltung der Arbeitszeiten in Deutschland heute betrifft, ist der generelle Trend am ehesten der: Es gibt eine massive Zerklüftung der Arbeitszeitlandschaft, eine »neue Vielfalt«, wie Steffen Lehndorff in seinem Beitrag in diesem Buch feststellt. »Der Basistrend der Arbeitszeitentwicklung kann mit den Worten Entstandardisierung, Ausdifferenzierung und Flexibilisierung zusammengefasst werden. Der Anteil der Beschäftigten, deren Arbeitszeiten von Tarifverträgen beeinflusst werden, geht zurück — nicht nur, aber auch wegen des Rückgangs der Tarifbindung. Zunehmende Frauenerwerbstätigkeit und wachsender Dienstleistungssektor lassen klassische (männlich dominierte) Industriebereiche mit eher standardisierten Arbeitszeiten schrumpfen, während Sektoren mit hohen Anforderungen an zeitliche Verfügbarkeit und Flexibilität wachsen« (Lehndorff, Seite 82). Die Digitalisierung der Arbeitswelt verstärkt diese Trends noch.

Die nachstehend aufgeführten Daten bestätigen diesen Trend und verdeutlichen ihn in seinen Details. Es liegt auf der Hand, dass von dieser Zerklüftung der Arbeitszeiten vielfältige Gesundheitsgefährdungen für die Beschäftigten ausgehen. Dieser Teil des Datenanhangs stützt sich in der Hauptsache auf den neuen Arbeitszeitreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (siehe Kasten) sowie auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu Arbeitszeiten in Deutschland (Bundestagsdrucksache 18/9499 vom 21.8.2016) sowie auf immer noch aktuelle und aussagekräftige Befunde des DGB-Index Gute Arbeit, vor allem aus den Jahren 2014 und 2015. Zentrale Daten ihrer Arbeitszeitbefragung hat die BAuA der Redaktion des Jahrbuches freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Die Arbeitszeitbefragung der BAuA

Das BAuA-Projekt »Arbeitszeitberichterstattung für Deutschland« ist ein langfristig angelegtes Projekt mit dem Ziel, anhand von für die Erwerbsbevölkerung repräsentativen Daten Arbeitszeitregime in Deutschland zu beschreiben und ihre Entwicklung zu verfolgen sowie die Rolle von Arbeitszeitmerkmalen für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Beschäftigten zu untersuchen. Die Befunde werden der Öffentlichkeit zielgruppenorientiert über Publikationen zugänglich gemacht. Zum Auftakt des Projekts wurde 2015 die erste BAuA-Arbeitszeitbefragung durchgeführt, deren Wiederholung im sechsjährlichen Abstand geplant ist.

An der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 nahmen 20 000 Erwerbstätige teil, die über zufallsgenerierte Telefonnummern erreicht wurden, um die Repräsentativität der Stichprobe herzustellen. In etwa halbstündigen Telefoninterviews machten die Beschäftigten Angaben zu verschiedenen Aspekten ihrer Arbeitszeit, aber auch zu weiteren Arbeitsbedingungen sowie ihrer Gesundheit und Zufriedenheit. Ein Teil dieser umfangreichen Befragung wurde für den Arbeitszeitreport Deutschland 2016 ausgewertet, weitere BAuA-Publikationen werden folgen.

Die Befragung wurde in der Zeit von Mai 2015 bis Oktober 2015 durchgeführt. An der Befragung haben insgesamt 20 030 Erwerbstätige in Deutschland teilgenommen, die einer bezahlten Erwerbstätigkeit von mindestens 10 Stunden pro Woche nachgehen. Die Stichprobengröße der Gruppe der abhängig Beschäftigten (auf die sich die Daten in den Tabellen beziehen) liegt bei 18 119 Personen.

Der im Oktober 2016 veröffentlichte Arbeitszeitreport Deutschland 2016 ist das erste Produkt, das auf den Daten der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 basiert. Eine Aufgabe des Reports ist es, einen Überblick über die Arbeitszeitgestaltung in Deutschland zu geben. Dazu wird aufgezeigt, welche Arbeitszeitmerkmale wie weit verbreitet sind und welche Erwerbstätigengruppen bzw. Wirtschaftsbereiche davon besonders betroffen sind. Zentrales Anliegen des Reports ist es jedoch, die Rolle der Arbeitszeitgestaltung für die Gesundheit und Zufriedenheit von Beschäftigten darzustellen.

»Arbeitszeitreport Deutschland 2016«; verfasst von Anne Marit Wöhrmann, Susanne Gerstenberg; Lena Hünefeld, Franziska Pundt, Anne Reeske-Behrens, Frank Brenscheidt, Beate Beermann; Dortmund; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; 2016; 187 Seiten, ISBN 978-3-88261-206-6. Download als PDF-Datei [hier].

Lange Wochenarbeitszeiten sind Standard bei den Vollzeitbeschäftigten – bei den Männern mehr als bei den Frauen. Nach den BAuA-Daten arbeiten die Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlich 43,5 Wochenstunden knapp 5 Stunden pro Woche länger als vertraglich vereinbart (38,6 Stunden). Die durchschnittliche tatsächliche Wochenarbeitszeit variiert im Branchenvergleich zwischen 35 und 42 Stunden, was insbesondere auf die unterschiedlichen Anteile an Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten zurückzuführen ist (Abb. 1). 44% der Beschäftigten arbeiten nach den Daten der BAuA zwischen 40 und 47 Stunden wöchentlich, weitere 17% auch 48 Stunden und länger – insgesamt haben also 61% aller Beschäftigten lange Wochenarbeitszeiten. Bei den Vollzeitbeschäftigten zeigt sich dieser Trend noch deutlicher: 58% haben Arbeitszeiten von über 40 (bis 47) Stunden, weitere 21% auch darüber hinaus – insgesamt also mehr als drei Viertel (79%).

Die im Durchschnitt längsten Arbeitszeiten gibt es in der Industrie und im Handwerk, was unter anderem mit der nur wenig verbreiteten Teilzeitarbeit in diesen Bereichen zu erklären ist. Je höher das Bildungsniveau, desto länger im Schnitt auch die Wochenarbeitszeit.

In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion geht es u. a. ebenfalls um überlange Arbeitszeiten über 48 Wochenstunden. Die Antworten beruhen nicht auf der BAuA-Arbeitszeitbefragung (deren Ergebnisse erst danach veröffentlicht wurden), sondern auf anderen Daten, u. a. dem Mikrozensus. Sie geben allerdings – anders als die BAuA-Befragung – Aufschluss über die Veränderungen in den vergangenen Jahren. So zeigen die Angaben zu Wochenarbeitszeiten u. a.: Vor 20 Jahren (1995) hatten 1,3 Millionen der damals 32 Millionen abhängig Beschäftigten überlange Arbeitszeiten, also 4,2%. Für 2015 wurde ein Anteil von 4,8% angegeben – 1,7 Millionen von 36 Millionen – wiederum mehr Männer (7,2%) als Frauen (2,1%).

Auch die Daten des DGB-Index 2015 zeigen, dass überlange Arbeitszeiten für einen großen Teil der Beschäftigten zur Regel geworden sind – deutlich über die vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten hinausgehend. Die Hälfte aller Beschäftigten liegt im Bereich von 35 bis 44 Stunden (49%), weitere 12% arbeiten mehr als 45 Stunden. Noch deutlicher zeigt sich dieser Trend, wenn man die Teilzeitbeschäftigten (unter 35 Stunden) aus diesen Durchschnittszahlen herausrechnet – das sind 28% aller Beschäftigten. Bei den Vollzeitbeschäftigten beträgt der Anteil der überlang Arbeiten mit 45 Wochenstunden und mehr 33%. 17% arbeiten mehr als 48 Stunden pro Woche – damit also mehr als die im Arbeitszeitgesetz festgelegte maximale wöchentliche Arbeitszeit (Abb. 2). Bei den Männern beträgt der Anteil der überlang Arbeitenden 74%, bei den Frauen 48%.

Ein großer Teil der Beschäftigten – und eine deutliche Mehrheit der Vollzeitbeschäftigten – hat also – ungeachtet kürzerer vertraglicher Regelungen – überlange Arbeitszeiten, die teilweise sogar über die gesetzliche Grenze von 48 Stunden hinausgehen. Die Daten der BAuA-Arbeitszeitbefragung enthalten dazu eine weitere Ebene von Befunden. Es wurde nicht nur nach den Arbeitszeitrealitäten gefragt, sondern auch, ob und wie die Beschäftigten sich davon »belastet« fühlen. Diese Herangehensweise ähnelt der des DGB-Index Gute Arbeit. So zeigt sich, dass ein beträchtlicher Teil der Beschäftigten mit langen Arbeitszeiten auch häufigen Termin- und Leistungsdruck erlebt und sich vom Arbeitspensum überfordert fühlt.

Arbeiten unter ständigem Zeitdruck ist einer der zentralen psychischen Belastungsfaktoren. Vollzeitbeschäftigte mit überlangen Arbeitszeiten (hier: über 45 Wochenstunden) sind davon deutlich häufiger betroffen als andere in Vollzeit Tätige. Nach den Daten des DGB-Index fühlen sich insgesamt 70% der überlang in Vollzeit Arbeitenden oft oder sehr häufig gehetzt, also unter Zeitdruck stehend. In der Vergleichsgruppe sind es 49% (Abb. 4).

Je länger die wöchentliche Arbeitszeit, desto schlechter die Selbsteinschätzung der Gesundheit – zumindest bei einem Teil der so Arbeitenden. Dass dieser Anteil nicht noch höher liegt, führt der BAuA-Arbeitszeitreport auf den healthy-worker-Effekt zurück sowie darauf, dass Beschäftigte mit überlangen Arbeitszeiten möglicherweise häufiger Ausgleich durch materielle oder ideelle Anerkennung erhalten. Beschäftigte mit überlangen Arbeitszeiten berichten jedenfalls signifikant häufiger als die übrigen Beschäftigten von körperlicher Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Müdigkeit/Erschöpfung, Schlafstörungen sowie Rücken- und Kreuzschmerzen (Abb. 5).

Überlange Arbeitszeiten haben auch einen negativen Einfluss auf die Work-Life-Balance und darauf, wie die Beschäftigten diese empfinden und einschätzen. Je länger die Wochenarbeitszeiten sind, desto schlechter wird die Work-Life-Balance beurteilt. Vor allem Frauen beurteilen ihre Work-Life-Balance besser, je kürzer ihre Wochenarbeitszeiten sind (Abb. 6).

Daten zu überlangen Arbeitszeiten werfen die Frage nach Ausmaß und Häufigkeit von Überstunden und deren Auswirkungen auf. Die BAuA-Arbeitszeitbefragung definiert Überstunden als die Differenz zwischen vereinbarten und tatsächlichen Arbeitszeiten. Zum Ausmaß der Überstunden liegen unterschiedliche Angaben vor. In der Bundestagsdrucksache 18/9499 beziffert die Bundesregierung die Menge der bezahlten Überstunden auf der Basis des Mikrozensus für 2015 mit 338,9 Millionen und die der unbezahlten Überstunden mit 493,8 Millionen. Das sind zusammen 833,5 Millionen Stunden. Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) allerdings zeigen viel höhere Zahlen: Das IAB beziffert die Gesamtzahl der Überstunden 2015 mit 1,8 Milliarden, davon 997 Millionen unbezahlte und 816 Millionen bezahlte Überstunden. Seit 2013 stellt das IAB überdies einen leichten Anstieg der Überstunden fest. Diese Zahlen sind der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken entnommen (BT-Drucksache 18/9499, Antworten auf die Fragen 1 und 2).

Nach der BAuA-Arbeitszeitbefragung arbeitet von den Vollzeitbeschäftigten knapp jeder Vierte (24%) mehr als 2 bis zu 5 und beinahe jeder Dritte (29%) mehr als 5 zusätzliche Wochenstunden. Von den Teilzeitbeschäftigten leisten 17% mehr als 2 bis zu 5 Überstunden und 7% mehr als 5 Überstunden pro Woche. Selten gehen Überstunden auf betriebliche Anordnung zurück. Stattdessen gibt jeder dritte Beschäftigte mit mehr als 2 Überstunden wöchentlich an, dass die Arbeit in der vertraglich vereinbarten Zeit nicht zu schaffen sei.

Beschäftigte, die Überstunden leisten, berichten deutlich häufiger von Gesundheitsbeschwerden als diejenigen, die keine oder kaum Überstunden machen. Bereits das Überschreiten von 2 Überstunden pro Woche erhöht das Auftreten gesundheitlicher Beschwerden deutlich. Je mehr Überstunden anfallen, desto mehr körperliche und psychische Beschwerden werden verzeichnet. Vor allem körperliche Erschöpfungszustände und Schlafstörungen nehmen bei hoher Überstundenzahl zu (Abb. 7). Auch die Work-Life-Balance von Beschäftigten, die Überstunden machen, fällt erkennbar schlechter aus als bei der Vergleichsgruppe.

Nach den Daten des DGB-Index Gute Arbeit 2014 leisten nur 41% der Beschäftigten in Deutschland keine Überstunden. Nach Daten der BAuA liegt dieser Anteil geringfügig höher. Über die Hälfte der Beschäftigten (53%) arbeitet demnach nicht oder kaum (maximal bis zu 2 Stunden wöchentlich) mehr als vertraglich vereinbart. 59% der Beschäftigten leisten nach dem DGB-Index Überstunden in unterschiedlichem Maß, 9% sogar mehr als 10 Stunden wöchentlich.

Bereits in früheren Datenanhängen dieser Buchreihe wurde eine Zunahme von Arbeitszeiten außerhalb der regulären Arbeitstage Montag bis Freitag registriert. So genannte atypische Arbeitszeiten nehmen zu: abends, nachts, am Wochenende, in Schicht. Was die Arbeit am Wochenende betrifft, nennt die BAuA-Arbeitszeitbefragung folgende Zahlen: Jeder fünfte Beschäftigte (20%) arbeitet regelmäßig samstags, aber nicht sonn- oder feiertags, und fast ein Viertel (24%) der Beschäftigten arbeitet regelmäßig (auch oder nur) sonn- beziehungsweise feiertags (Abb. 8). Insgesamt arbeiten 43% der abhängig Beschäftigten regelmäßig, das heißt mindestens einmal im Monat, am Wochenende.

Die amtlichen Daten aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken weisen in ähnliche Richtung. Demnach arbeitet rund ein Viertel der Beschäftigten regelmäßig am Wochenende. Seit 1995 ist über alle Branchen hinweg ein deutlicher Anstieg der Wochenendarbeit festzustellen. 1995 arbeiteten 6 Millionen Beschäftigte (18,8%) regelmäßig am Wochenende, 2015 waren es 8,8 Millionen (24,7%). Dabei arbeiteten mit 4,7 Millionen deutlich mehr Frauen als Männer (4,2 Millionen) zu solchen Zeiten (Abb. 9).

Auch die Befunde des DGB-Index Gute Arbeit (2014) zeigen, das gut ein Viertel der Beschäftigten (27%) sehr häufig oder oft am Wochenende arbeitet. Weitere 33% tun das selten, lediglich 40% geben an, nie am Wochenende zu arbeiten (Abb. 10).

Arbeit am Wochenende – also zu einer sozial besonders wertvollen Zeit – ist immer mit gesundheitlichen Beanspruchungen verbunden. Ganz besonders betrifft das Frauen. Generell schätzen aber Frauen und Männer, die am Wochenende (oder nur samstags oder nur sonntags) arbeiten, ihren Gesundheitszustand schlechter ein und sind unzufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen. Beschäftigte, die auch am Wochenende arbeiten, klagen deutlich häufiger über gesundheitliche Beschwerden als Beschäftigte, die am Wochenende frei haben. Besonders deutlich zeigt sich dieser Unterschied bei körperlicher Erschöpfung sowie Müdigkeit/Erschöpfung. Arbeit am Wochenende hängt auch mit einem deutlich höheren Risiko von Schlafstörungen sowie Rückenschmerzen zusammen.

Arbeit am Wochenende belastet außerdem die Work-Life-Balance der Beschäftigten. Beschäftigte mit Wochenendarbeit sind doppelt so häufig unzufrieden mit ihrer Work-Life-Balance wie Beschäftigte ohne Wochenendarbeit (35% zu 18%). Bei teilzeitbeschäftigten Frauen ist das Verhältnis ähnlich (20% zu. 9%).

Auch Schichtarbeit und versetzte Arbeitszeiten haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Nach dem DGB-Index geben 27% der Beschäftigten an, sie arbeiteten sehr häufig oder oft abends (18 bis 23 Uhr). Auf weitere 28% trifft das zumindest manchmal zu.

Nach der BAuA-Arbeitszeitbefragung haben etwa 8% der Beschäftigten versetzte Arbeitszeiten zum Beispiel mit festen Früh- oder Spätschichten, 7% arbeiten in Wechselschicht mit Nachtanteilen oder in Dauernachtschicht und 5% arbeiten in Wechselschicht ohne Nachtarbeit (Abb. 12). Schichtarbeit mit Nachtschicht ist besonders in der Industrie verbreitet (13%), stark aber auch im öffentlichen Dienst (8%).

Davon teilweise abweichende Zahlen sind der Bundestagsdrucksache 18/9499 zu entnehmen, die zudem die Veränderungen im Zeitverlauf angibt. Die Bundesregierung stellt hier fest: Die Anteile der Beschäftigten mit Abend- und mit Schichtarbeit inklusive Nachtschicht seien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Bei der Abendarbeit (18 bis 23 Uhr) habe der Anteil 1995 15,6% betragen, 2015 24,4% (Abb. 13). Bei den Frauen fällt die Zunahme stärker aus als bei den Männern.

Regelmäßige Nachtarbeit verrichteten 1995 7,6% der Beschäftigten. Dieser Anteil stieg bis 2015 leicht auf 9,1% (Männer 11,9%, Frauen 6,1%). Die Zahlen zur Schichtarbeit (inklusive Nachtschicht) aus den Daten der Bundesregierung basieren auf dem Mikrozensus (2016) und fassen verschiedenen Formen der Schichtarbeit (mit Nachtschicht, ohne Nachtschicht) zusammen – anders als der BAuA-Arbeitszeitreport. Demnach ist der Anteil der Beschäftigten, die in Wechselschichten arbeiten, von 12% (1995) leicht gestiegen auf 15,7% (2015) (Abb. 14).

Was die gesundheitlichen Auswirkungen von Schichtarbeit betrifft, heißt es im BAuA-Arbeitszeitreport (S. 49): »Beschäftigte, die in Schichtarbeit arbeiten (54% ohne Nacht, 59% mit Nacht) oder versetzte Arbeitszeiten haben (57%), schätzen ihren Gesundheitszustand seltener als gut ein als Beschäftigte mit typischen Arbeitszeiten zwischen 7 und 19 Uhr (64%). Zudem sind sie insgesamt weniger zufrieden mit ihrer Arbeit (…). Schichtarbeiter/-innen berichten auch häufiger gesundheitliche Beschwerden als Beschäftigte, deren Arbeitszeiten zwischen 7 und 19 Uhr liegen (…). Insbesondere Erschöpfungszustände und Schlafstörungen sind unter ihnen deutlich weiter verbreitet als unter Beschäftigten mit normalen täglichen Arbeitszeiten. Von Beschäftigten, die in Nachtschicht arbeiten, werden die meisten Müdigkeits- und Erschöpfungszustände sowie Schlafstörungen berichtet.« (s. a. Abb. 15)

Auch die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben wird durch Abend- und Schichtarbeit stark erschwert. Die schlechteste Work-Life-Balance berichten vollzeitbeschäftigte Nachtarbeiter/-innen (Frauen und Männer). Auch Männer mit versetzten Arbeitszeiten bewerten ihre Work-Life-Balance gegenüber Männern mit regulären Arbeitszeiten deutlich schlechter (Abb. 16).

Im folgenden Abschnitt werden die zeitlichen Handlungsspielräume der Beschäftigten untersucht – in Bezug auf ihren Arbeitsbeginn und das Arbeitsende, auf den Zeitpunkt von Pausen, auf die Möglichkeit, ein paar Stunden frei zu nehmen sowie Urlaub oder ein paar Tage frei zu nehmen. Welche Einflussmöglichkeiten die Beschäftigten hier haben, bestimmt – neben Dauer und Lage der Arbeitszeit – maßgeblich darüber, wie weit die Möglichkeiten humaner Arbeitszeitgestaltung reichen.

Die BAuA-Arbeitszeitbefragung bietet hier ein differenziertes Bild. Die Befunde zeigen unter anderem, dass 38% der abhängig Beschäftigten Einfluss darauf haben, wann sie ihren Arbeitstag beginnen oder beenden. 44% können bei Bedarf ein paar Stunden freinehmen. 52% der Erwerbstätigen haben Einfluss darauf, wann sie Pausen machen (52%) oder wann Sie Urlaub beziehungsweise ein paar Tage freinehmen (57%). Diese Einflussmöglichkeiten hängen stark davon ab, um welchen Wirtschaftsbereich es sich handelt (Abb. 17). In der Industrie haben 45% der Beschäftigten Einfluss auf Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit, im Dienstleistungsbereich und im öffentlichen Dienst sind es mit 39% bzw. 38% weniger. Am geringsten ist dieser Anteil im Handwerk (25%). Aber mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Industrie und über 60% der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich und im öffentlichen Dienst können Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit nicht beeinflussen – selbstbestimmte Flexibilität ist das nicht. Generell etwas besser bestellt ist es darum, den Zeitpunkt der Pausen zu bestimmen oder bei Bedarf mal ein paar Stunden frei zu nehmen. Die größten Einflussmöglichkeiten bestehen beim Urlaub. Die günstigsten Bedingungen finden sich hier wieder in der Industrie. Fast zwei Drittel der Beschäftigten können hier bei der Urlaubsplanung mitreden.

Auch die Befunde des DGB-Index Gute Arbeit ergeben eine gemischte Bilanz, an der eines allerdings besonders auffällt: die hohen Anteile derer, denen selbst im Ausnahmefall gar nichts erlaubt ist. So haben 41% der Beschäftigten überhaupt keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Arbeitsbeginns oder -endes (Abb. 18). Großen Spielraum bei der Festlegung von Arbeitsbeginn und -ende haben nur 15% der Beschäftigten. Die DGB-Index-Befragung zeigt außerdem: Je geringer die Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitszeitgestaltung sind, desto weniger empfinden die Beschäftigten Wertschätzung durch die Vorgesetzten. Von den Beschäftigten beispielsweise, die keinen Einfluss auf die Pausenregelungen haben, fühlen sich 44% auch nicht wertgeschätzt. Dort wo solche Einflüsse bestehen, liegt der Anteil derjenigen, der keine Wertschätzung empfindet, sehr viel geringer, nämlich bei 22%.

In Einklang mit der bisherigen Forschung zeigen die Analysen der BAuA-Arbeitszeitbefragung, dass höhere zeitliche Handlungsspielräume bei der Arbeit mit besserer Gesundheit und Zufriedenheit einhergehen. Und umgekehrt. Unter anderem schätzen über zwei Drittel der Beschäftigten, die viel Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsanfangs- und -endzeiten haben, ihren Gesundheitszustand als (sehr) gut ein, während dies nur auf 58% der Beschäftigten mit geringen Einflussmöglichkeiten zutrifft. Für die übrigen Aspekte des zeitlichen Handlungsspielraums ergeben sich jeweils sehr ähnliche Bilder. Generell: Je stärker der Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung, desto höher die Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance – und umgekehrt.

Die Einflussmöglichkeiten auf Pausen und Urlaub sagen allerdings noch nichts darüber aus, ob diese Erholungszeiten auch tatsächlich genutzt werden. Die Befragung des DGB-Index Gute Arbeit 2015 hat nämlich gezeigt, dass das bei einem beträchtlichen Teil der Beschäftigten nicht immer der Fall ist (Abb. 19). Etwa ein Drittel der Beschäftigten (32%) lässt Arbeitspausen sehr häufig oder oft ausfallen oder verkürzt sie zumindest. Dass dies mit Zeitdruck und hoher Arbeitsmenge zusammenhängt, belegt die Tatsache, dass Beschäftigte mit sehr langen Arbeitszeiten über 45 Stunden zu 48% angeben, Pausen nicht zu nehmen. Bei den Beschäftigten, die mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen müssen und unter Zeitdruck arbeiten, beträgt dieser Anteil 52%. Und bei denjenigen, die ständig erreichbar sein müssen oder sich so fühlen, sind es sogar 55%.

Ein weiterer Aspekt der Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten auf die Arbeitszeitgestaltung betrifft die Arbeit von zu Hause aus. Dieser Aspekt bleibt im BAuA-Arbeitszeitreport 2016 unberücksichtigt. Allerdings hat der DGB-Index Gute Arbeit 2014 die Beschäftigten auch zu diesem Thema befragt. Beschäftigte, die kurzfristig Arbeit von zu Hause aus erledigen können, haben einen überdurchschnittlich großen Einfluss auf die Planung sowie die Menge ihrer Arbeit und sehen sich insgesamt auch stärker wertgeschätzt; allerdings leisten sie auch deutlich mehr unbezahlte Arbeit und sind öfter gehetzt. Dieser widersprüchliche Befund zeigt, dass der Komplex Teleheimarbeit beispielsweise unbedingt über eine Betriebsvereinbarung geregelt werden sollte.

In Abbildung 18 wurde schon gezeigt, dass derzeit nur sehr wenige Beschäftigte die Möglichkeit haben, auch mal kurzfristig zu Hause zu arbeiten. In sehr hohem oder hohem Maß können das nur 14%, weitere 12% betrifft das in geringem Maß. Drei Viertel der Beschäftigten haben diese Möglichkeit überhaupt nicht. Mit Blick auf die Anforderungen der digitalisierten Arbeitswelt 4.0 ist das ein anachronistischer Zustand.

Bisher wurde unter verschiedenen Aspekten gezeigt, dass und wie selbstbestimmte Flexibilität für die Beschäftigten eine Ressource für Gesundheit und Wohlbefinden ist. Das betrifft auch die Verfügung über Arbeitszeitkonten. Das setzt voraus, dass die Arbeitszeit im Betrieb überhaupt erfasst wird.

Nach den Daten der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 wird die Arbeitszeit derzeit für etwa die Hälfte der Beschäftigten betrieblich erfasst (47%). Von einem Drittel der Beschäftigten wird sie selbst dokumentiert (32%) und ein Fünftel (21%) gibt an, dass die Arbeitszeit ihrer Kenntnis nach nicht erfasst wird.

Der DGB-Index 2014 kommt zu leicht abweichenden Ergebnissen: Für 53% der Beschäftigten wird sie – auf unterschiedliche Weise – erfasst, 27% der Beschäftigten erledigen das selbst, und für 20% wird sie gar nicht erfasst (Abb. 20).

Von den Beschäftigten, deren Arbeitszeit entweder durch den Betrieb oder eigenständig erfasst wird, verfügen – nach den Daten der BAuA-Arbeitszeitbefragung – mehr als drei Viertel über ein Arbeitszeitkonto, auf dem die tägliche Arbeitszeit verbucht wird. Insgesamt betrifft dies 61% der abhängig Beschäftigten. Arbeitszeitkonten sind weiter verbreitet, wenn die Arbeitszeit betrieblich erfasst wird: 88% derjenigen mit betrieblicher Arbeitszeiterfassung verfügen über ein Arbeitszeitkonto, während dies auf 63% derjenigen zutrifft, die ihre Arbeitszeit selbst dokumentieren.

Für die zeitlichen Handlungsspielräume von Beschäftigten kommt es darauf an, ob die Guthaben auf den Arbeitszeitkonten hauptsächlich aus betrieblichen Gründen genutzt werden oder ob die Beschäftigten selbst darüber verfügen können. Betriebliche Gründe können beispielsweise in unregelmäßigen Arbeitszeiten bei Schichtarbeit oder in wechselnden Anforderungen aufgrund schwankender Auftragsvolumen liegen. Nach den BAuA-Daten können 60% der Beschäftigten, für die ein Arbeitszeitkonto geführt wird, über das darauf angesparte Zeitguthaben selbst verfügen. Für 15% der Beschäftigten bestimmen betriebliche Vorgaben die Verwendung des Zeitguthabens und weitere 25% geben an, dass beides zu gleichen Teilen zutrifft (Abb. 21).

Wenn Beschäftigte selbst über das Guthaben auf ihrem Arbeitszeitkonto verfügen können, bewerten sie ihre Gesundheit und Zufriedenheit mit der Arbeit durchgängig besser. Auch ihre Work-Life-Balance schätzen sie besser ein. Beschäftigte, die keine oder nur eingeschränkte Verfügung über ihr Arbeitszeitkonto haben, sind dagegen weniger zufrieden und bewerten ihren Gesundheitszustand schlechter (Abb. 22).

Im nächsten Abschnitt geht es um flexible Arbeitszeiten, die hohe Anforderungen an die Beschäftigten stellen, die von ihnen oftmals als belastend empfunden werden und von denen erwartet werden muss, dass sie sich negativ auf Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten auswirken: Das sind häufige betriebsbedingte Änderungen der Arbeitszeit, oftmals durch Arbeit auf Abruf, außerdem Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Anforderungen an ständige Erreichbarkeit.

Nach den BAuA-Daten liegt der Anteil derjenigen, die häufige Änderungen ihrer Arbeitszeit hinnehmen müssen, je nach Wirtschaftszweig zwischen 14% und 16%. Die Anteile der von Arbeit auf Abruf Betroffenen sind niedriger – zwischen 4% und 8%. Am niedrigsten sind sie in der Industrie (4%), besonders hoch im Dienstleistungssektor (8%) (Abb. 23).

Nach einer Studie des DGB (arbeitsmarkt-aktuell 06/2016) ist Arbeit auf Abruf längst keine Randerscheinung mehr. Mittlerweile nutzen rund 13% der Betriebe mit mindestens 10 Beschäftigten diese Arbeitszeitform. Nach Daten auf der Grundlage des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) leisteten in 2014 rund 5% der Arbeitnehmer/innen Arbeit auf Abruf. Das sind rund 1,9 Millionen Beschäftigte – mehr als Leiharbeitende. Eventuelle Dunkelziffern berücksichtigt, dürfte die Zahl sogar noch höher liegen. Nach Berechnungen des DGB-Index Gute Arbeit auf der Basis von Zahlen des IAB fühlen sich sogar 17% der Beschäftigten von Arbeit auf Abruf betroffen. Vor allem in kleineren Betrieben ist Arbeit auf Arbeit auf Abruf stärker verbreitet (Abb. 24).

Arbeit auf Abruf ist für kleinere und mittlere Betriebe leichter einzuführen, da sie seltener mitbestimmt sind. Sofern ein Betriebsrat existiert, unterliegt die Entscheidung des Arbeitgebers über die Nutzung von Arbeit auf Abruf dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Arbeit auf Abruf ist auf wenige Branchen beschränkt: Einzelhandel (12% der Beschäftigten), Verkehr und Nachrichtenübermittlung (11%), Verarbeitendes Gewerbe (11%), unternehmensbezogene Dienstleistungen (11%), Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (9%), Baugewerbe (8%), Gastgewerbe (7%) und private Haushalte (5%).

Arbeit auf Abruf meint Tätigkeiten, bei denen der Beginn und / oder das Ende der täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit vom Arbeitgeber nach Bedarf angesetzt werden. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 12) müssen die Beschäftigten mindestens 4 Tage im Voraus über die Lage ihrer Arbeitszeit informiert werden. In der Praxis geschieht das oft nicht.

Von den 14% der Beschäftigten, die ihre Arbeitszeiten häufig an betriebliche Erfordernisse anpassen müssen, wird nach den Daten der BAuA jeder Zweite entweder am selben Tag (26%) oder am Vortag (23%) über die geänderten Arbeitszeiten informiert. Nur jeder Zehnte wird bis zu einer Woche im Voraus und nur 3% werden mehr als eine Woche im Voraus über Änderungen ihrer Arbeitszeit informiert. Für die größte Gruppe der Beschäftigten ist der Ankündigungszeitraum für Änderungen der Arbeitszeit unterschiedlich und damit ebenfalls schlecht vorhersehbar (39%).

Die Mehrheit derjenigen, die ihre Arbeitszeiten häufig an betriebliche Erfordernisse anpassen müssen, fühlt sich dadurch belastet (55%). Ob die Arbeitszeitänderungen als belastend empfunden werden, hängt unter anderem mit individuellen Faktoren wie Geschlecht und Alter zusammen. Frauen (63%) fühlen sich dadurch häufiger belastet als Männer (48%). Besonders hoch ist das Belastungsempfinden für alleinerziehende Frauen (69%). Zudem zeigt sich, dass Änderungen der Arbeitszeit von Beschäftigten im mittleren Alter als besonders belastend wahrgenommen werden (57%) (Abb. 25). Beschäftigte mit häufigen Änderungen der Arbeitszeit und insbesondere mit Arbeit auf Abruf empfinden bei ihrer Arbeit häufiger als andere Beschäftigte Zeitdruck und Arbeitshetze.

Häufige betriebsbedingte Änderungen der Arbeitszeit sowie Arbeit auf Abruf hängen auch mit einem erhöhten Risiko für verschiedene gesundheitliche Beschwerden zusammen. Bei den davon Betroffenen werden signifikant häufiger Rücken- und Kreuzschmerzen registriert, außerdem Müdigkeit / Erschöpfung, körperliche Erschöpfung, Schlafstörungen sowie Niedergeschlagenheit. Auch die Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance nimmt stark ab, wenn Beschäftigte häufigen und kurzfristigen Änderungen ihrer Arbeitszeiten ausgesetzt sind.

Für 12% aller abhängig Beschäftigten gelten entweder Bereitschaftsdienste oder Rufbereitschaften. Bereitschaftsdienst ist im Öffentlichen Dienst und den »anderen Bereichen« (9% und 10%) am weitesten und in der Industrie am wenigsten weit verbreitet (4 %). Auch Rufbereitschaft kommt am häufigsten im Öffentlichen Dienst (9%) und in den »anderen Bereichen« (11%) vor.

Beschäftigte, die in Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft arbeiten, berichten häufiger von Termin- oder Leistungsdruck bei der Arbeit als andere Beschäftigte. Das trifft auf 56% der Beschäftigten mit Bereitschaftsdienst und auf 58% derjenigen mit Rufbereitschaft zu – gegenüber jeweils 51% der übrigen Beschäftigten. Solche flexiblen Arbeitszeitformen sind also häufig mit hoher Arbeitsintensität verbunden. Die davon betroffenen Beschäftigten bewerten ihren Gesundheitszustand durchgängig schlechter als andere Beschäftigte (Abb. 26).

In der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt werden Anforderungen an ständige Erreichbarkeit für eine wachsende Zahl von Beschäftigten zu einem ernsten Problem. Schon bisher liegen dazu ganz unterschiedliche Zahlen vor. Nach der BITKOM-Studie von 2011 sind 29% der Beschäftigten jederzeit erreichbar, 37% sind es zumindest abends nach Feierabend und 8% auch am Wochenende und im Urlaub. Insgesamt seien 88% der Beschäftigten per Handy oder E-Mail auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit für betriebliche Belange erreichbar.

Differenzierte Zahlen präsentierte der DAK-Gesundheitsreport 2013 zu diesem Thema: Eine »hohe Erreichbarkeit« haben demnach 8,4% der Beschäftigten, eine »mittlere Erreichbarkeit« 16%. 40,8% verzeichnen eine »geringe Erreichbarkeit«, und 35% (fast) gar keine. Demnach beträfe das Problem derzeit etwa 25% der Beschäftigten ernsthaft.

Ein ähnliches Bild liefert der DGB-Index Gute Arbeit 2015. Demnach sieht sich etwa ein Viertel der Beschäftigten mit der Erwartung ständiger Erreichbarkeit konfrontiert (Abb. 27).

Die BAuA-Arbeitszeitbefragung ergibt, dass von 22% der Beschäftigten erwartet wird, auch in ihrer Freizeit für berufliche Belange erreichbar zu sein. 12% werden häufiger tatsächlich in ihrer Freizeit beruflich aktiv tätig (Abb. 28). Hinzu kommt: Je länger die wöchentliche Arbeitszeit, desto größer die Erwartung an ständige Erreichbarkeit.

Auch in der Freizeit häufig mit beruflichen Problemen konfrontiert zu werden, führt oftmals zu gesundheitlichen körperlichen und psychischen Beschwerden. Nach dem DGB-Index 2015 berichten 56% der Beschäftigten mit hoher Arbeitsintensität, sie könnten sehr häufig oder oft nach der Arbeit nicht richtig abschalten. Die dem DAK-Gesundheitsreport 2013 zugrunde liegenden Befragungen ergaben: Das Risiko einer Depressionserkrankung steigt bei ständiger Erreichbarkeit rasch an: Personen mit mittlerer Erreichbarkeit haben zu 16,7% eine Depression, bei hoher Erreichbarkeit 24%. Insgesamt wiesen 13,6% der Befragten mit ständiger Erreichbarkeit eine Depression auf. Die BAuA-Arbeitszeitbefragung verzeichnet ebenfalls einen deutlichen Zusammenhang zwischen ständiger Erreichbarkeit und gesundheitlichen Problemen. Beschäftigte, die ständiger Erreichbarkeit ausgesetzt sind, sind häufiger unzufrieden mit ihrem Gesundheitszustand als nicht betroffene Beschäftigte (46% zu 36%). Beschäftigte, die im Privatleben beruflich kontaktiert werden oder von denen das zumindest erwartet wird, berichten häufiger von Gesundheitsbeschwerden als andere Beschäftigte (Abb. 29). Auch die Bewertung der Work-Life-Balance ist bei den ständig Erreichbaren geringer als bei den nicht davon Betroffenen (38% zu 21% unzufrieden).

Lothar Schröder, u.a.
Streit um Zeit - Arbeitszeit und Gesundheit
39,90 €
Mehr Infos