4 Infrastrukturdaten

4.1 Personalstand und Tätigkeit der Aufsichtsbehörden

Der Personalstand der staatlichen Arbeitsschutzbehörden der Länder ist seit Jahren durch zwei gegenläufige Trends gekennzeichnet: Einerseits einen erheblichen Aufgabenzuwachs und andererseits einen ständigen und massiven Abbau an Personal und Ressourcen. Nach dem Unfallverhütungsbericht 2013 der Bundesregierung (SUGA 2013, S. 177) führt das zu einer ernsthaften »Beeinträchtigung« der Tätigkeit dieser Behörden. Die genannten zusätzlichen Aufgaben (Immissionsschutz, Produktsicherheit, Marktüberwachung u. a. m.) machen SUGA zufolge zwischen 30 und 60% der Tätigkeit des Aufsichtspersonals aus ! Schon allein deswegen müssen die in SUGA genannten Zahlen zum Aufsichtspersonal im Arbeitsschutz mit größter Vorsicht genommen werden: Tatsächlich steht viel weniger Personal für die Aufsicht im Arbeitsschutz zur Verfügung als es die amtlichen Zahlen vermuten lassen. Es kommt hinzu, dass die neueren Zahlen von 2014 und 2015 Fragen hinsichtlich ihrer Validität aufwerfen, so dass es noch schwieriger wird, die tatsächlichen personellen Ressourcen der staatlichen Aufsichtsbehörden festzustellen (s. u.).

Für 2003 geben die jährlichen Berichte der Bundesregierung für Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit (SUGA) den gesamten Personalbestand der Gewerbeaufsichtsämter der Länder (Aufsichtspersonen) mit 4 116 (plus 147 Ärzte) an. Bis zum Jahr 2013 war dieser Bestand kontinuierlich zurückgegangen auf 2 935 Personen (plus 84 Ärzte). Das war insgesamt ein Rückgang um 1 181 Stellen oder rund 28%. Dieser Trend wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass in zehn von 16 Ländern mehr als die Hälfte des Aufsichtspersonals über 50 Jahre alt ist (SUGA 2013, S. 178). Ohne eine starke Ausbildungsoffensive würde also noch nicht einmal der derzeitige schwache Stand gehalten werden können. Nach vielen Jahren kontinuierlichen Personalabbaus weisen nun die Zahlen für 2014 und 2015 einen erstaunlichen Personalzuwachs auf – diesmal erstmals in Vollzeitäquivalenten angegeben. Für 2014 gibt SUGA den Personalstand der staatlichen Aufsichtsbehörden mit 3 246 an (nur Aufsichtspersonen), für 2015 sogar mit 3 319. Das wäre eine absolute Zunahme um 384 Personen – in Vollzeitäquivalenten ausgedrückt! Wenn das so zutrifft, müsste es zumindest in einigen Bundesländern ein deutliches Abrücken von der bisherigen Einsparungspolitik gegeben haben.

In den einzelnen Bundesländern fallen Personalausstattung und Personalentwicklung der Aufsichtsbehörden im Arbeitsschutz sehr unterschiedlich aus (Abb. 63). Im Vergleich zwischen 2003 und 2013 hatte es in den meisten Bundesländern einen deutlichen Personalabbau gegeben. Die Daten für 2014 und 2015 (seit 2014 in Vollzeitäquivalenten) zeigen, dass dieser Personalabbau in den meisten Ländern auch weiter fortgeführt wurde. Ein – gegenüber den Vorjahren – leichter weiterer Personalabbau hat in insgesamt neun Bundesländern stattgefunden: Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Für 2015 verzeichnet Baden-Württemberg einen leichten Zuwachs gegenüber 2014, liegt aber deutlich unter den Zahlen von 2002. Das Gleiche gilt für Nordrhein-Westfalen.

Erstaunlich sind jedoch die Zahlen für Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Bayern weist für 2015 – im Vergleich zu 2014 – eine Personalzunahme von 49 (oder 15%) aus (ausdrücklich nur Aufsichtspersonen). Schleswig-Holstein gibt für 2014 und 2015 die Zahl der Aufsichtspersonen mit 52 an – 19 mehr als 2013. Das wäre ein Personalaufbau von fast 60% in nur einem Jahr! Im Vergleich zu 2013 verfügt Hessen 2015 über 87 Aufsichtspersonen mehr. Das sind plus 58%. Noch auffallender sind die Zahlen von Niedersachsen. Dort wurden für 2013 450 Aufsichtspersonen gemeldet, 2014 schon 749, 2015 sogar 763. Das wäre eine Zunahme von nahezu 70%. Die Vermutung liegt nahe, dass hier tatsächlich keine massive Personalaufstockung stattgefunden hat, sondern dass die gemeldeten Zahlen nach anderen Kriterien ausgewählt werden. Dafür spricht auch, dass Niedersachsen für 2015 die Zahl der Aufsichtspersonen mit 763 angibt, den gesamten Personalstand der Aufsichtsbehörden aber lediglich mit 797. Sollten diese Behörden tatsächlich nur 34 Beschäftigte im Verwaltungsbereich haben und ansonsten ausschließlich Aufsichtspersonen?

Abb. 63: Personalentwicklung beim staatlichen Arbeitsschutz: Personalstand der Gewerbeaufsicht nach Ländern 2003, 2013–2015 (nur Aufsichtspersonen, in Vollzeitäquivalenten)
Land 2002 2013 2014 2015
Baden-Württemberg        
Bayern 614 577 512 534
Berlin 533 356 325 374
Brandenburg 126 96 105 98
Bremen 162 111 92 88
Hamburg 44 37 34 33
Hessen 95 61 66 63
Mecklenburg-Vorpommern 161 150 243 237
Niedersachsen 393 450 749 763
Nordrhein-Westfalen 652 416 466 495
Rheinland-Pfalz 156 184 169 169
Saarland 32 24 25 29
Sachsen 202 151 144 126
Sachsen-Anhalt 224 98 104 98
Schleswig-Holstein 48 31 52 52
Thüringen 122 110 73 73

 

Abb. 63: Personalentwicklung beim staatlichen Arbeitsschutz: Personalstand der Gewerbeaufsicht nach Ländern 2003, 2013–2015 (nur Aufsichtspersonen, in Vollzeitäquivalenten)
Land 2002 2013 2014 2015
Baden-Württemberg 614 577 512 534
Bayern 533 356 325 374
Berlin 126 96 105 98
Brandenburg 162 111 92 88
Bremen 44 37 34 33
Hamburg 95 61 66 63
Hessen 161 150 243 237
Mecklenburg-Vorpommern 145 83 87 86
Niedersachsen 393 450 749 763
Nordrhein-Westfalen 652 416 466 495
Rheinland-Pfalz 156 184 169 169
Saarland 32 24 25 29
Sachsen 202 151 144 126
Sachsen-Anhalt 224 98 104 98
Schleswig-Holstein 48 31 52 52
Thüringen 122 110 73 73
Quelle: SUGA 2003–2015        

 

Der Vergleich zwischen den Jahren 2014, 2013 und 2003 zeigt generell einen Rückgang der Besichtigungstätigkeit der staatlichen Aufsichtsbehörden (Abb. 64) (die gemeldet Zahl der Beanstandungen schließt auch solche ein, die sich nicht auf den Arbeitsschutz beziehen, sondern auf den Verbraucherschutz; allerdings ist das nur eine relativ geringe Zahl). An dem Rückgang haben auch die neuerdings angezeigten Personalaufstockungen in einigen Ländern nichts geändert. Mehr als halbiert hat sich auch die Zahl der Beanstandungen. Niedriger als 2013, aber noch etwa auf dem Niveau von 2003 ist die Gesamtzahl der verschiedenen Durchsetzungsmaßnahmen.

Auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung leiden unter Personalabbau, allerdings nicht im gleichen Maße wie die Länderbehörden. Für 2013 gibt der Bericht der Bundesregierung die Gesamtzahl der Aufsichtspersonen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger mit 3 090 an (in Vollzeiteinheiten). 2014 lag der Personalstand bei 2 762 (Aufsichtspersonen im Arbeitsschutz einschließlich AufsichtshelferInnen und Betriebsrevisoren). Gegenüber 2003 ist das ein Rückgang um inzwischen 370 Personen (knapp 12%). (Abb. 65).

Auch bei der Beratungs- und Überwachungstätigkeit der Unfallversicherungsträger ist, verglichen mit dem Jahr 2003, generell ein immer weiter gehender Rückgang zu verzeichnen (Abb. 66). Die Anzahl der Besichtigungen war auch 2014 weiter rückläufig, ebenso die Zahl der besichtigten Betriebe. Bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand gab es allerdings eine Zunahme: 2013 wurden 4 962 Betriebe besichtigt, 2013 waren es 5 027. Ähnlich bei den Landwirtschaftlichen BGen: 2013 wurden 56 805 Betriebe besichtigt, 2014 waren es 60 432.

SUGA 2014 gibt erstmal auch Auskunft über die Anzahl der Sicherheitsbeauftragten (nach Sozialgesetzbuch VII) und der in Unternehmen tätigen Sicherheitsfachkräfte. Hier ist jeweils eine Zunahme zu verzeichnen. 2012 wurden 610 224 Sicherheitsbeauftragte gezählt, 2014 639 603.

Die Zahl der in Unternehmen tätigen Sicherheitsfachkräfte gibt SUGA für 2013 (keine Angaben für 2012) mit 75 623 an, 2014 mit 80 362.

Lothar Schröder, u.a.
Streit um Zeit - Arbeitszeit und Gesundheit
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