2.2 Krankenstand 2017: Trends und Ursachen der Arbeitsunfähigkeit

Der Krankenstand der Pflichtversicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist, betrachtet man die Entwicklung seit 1960, in der Grundtendenz Jahrzehnte lang rückläufig gewesen. Er lag 1960 in der alten Bundesrepublik bei 5,11%. 1970 wurden für die alten Bundesländer 5,60% verzeichnet, 1980 erreichte der Krankenstand noch einmal einen Höhepunkt mit 5,67%. Danach fiel er auf unter 5%, um nach der Vereinigung zeitweilig wieder auf 5,07% zu klettern (1995). Seitdem ging es abwärts. 2007 wurde mit 3,22% der niedrigste Stand seit Einführung der Statistik und der Einführung der Lohnfortzahlung im Jahr 1970 überhaupt gemessen.

Seit 2008 steigt der Krankenstand wieder moderat. 2015 lag er bei 3,86%. Für 2016 ist, ausgehend von den Daten der ersten zwei Quartale mit 4,28%, nochmals mit einem Anstieg zu rechnen (Abb. 40). In diesem Anstieg spiegeln sich verschiedene Faktoren wider, neben einer »Normalisierung« historisch niedriger Krankenstände beispielsweise auch die Alterung der Erwerbsbevölkerung und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt.

Betrachtet man das Krankschreibungsgeschehen nach Altersgruppen, so zeigt sich, dass die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU-Fälle) bei den Jüngeren vergleichsweise hoch ist, während hier die AU-Tage je Fall niedrig liegen. Mit zunehmendem Alter sinkt die Zahl der AU-Fälle zunächst deutlich bis zur Altersgruppe 30 bis 34 Jahre, danach steigt sie wieder leicht an, um erst bei den über 60-jährigen wieder abzufallen, hier hauptsächlich wohl durch den healthy-worker-Effekt (die kranken Beschäftigten sind schon aus dem Erwerbsleben ausgeschieden). Die Krankheitsdauer je Fall steigt aber in den Altersgruppen kontinuierlich an und erreicht ihren Gipfel mit durchschnittlich fast 21 Tagen jährlich bei den über 60-jährigen (Abb. 41).

Bei den Diagnosegruppen, die den Krankenstand verursachen, liegen die Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems an erster Stelle. Danach folgen die psychischen Störungen sowie die Krankheiten des Atmungssystems, die Reihenfolge dieser beiden Krankheitsarten kann je nach Kassenart wechseln. Als einzige Krankheitsart weisen die psychischen Störungen eine kontinuierlich steigende Tendenz auf (siehe dazu Abschnitt 2.3) – entgegen dem Trend der Stagnation des Krankenstands bis 2015.

Lothar Schröder, u.a.
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