Silberpreisträger 2019

Personalrat des Hauptzollamts Singen 
Projekt: Gewalt gegenüber Beschäftigten – Mach meine Kolleg*innen nicht an – Sind eigene Deeskalationsberater eine Lösung?"

► Ausführlich vorgestellt in "Der Personalrat" 2/2020

"Tatenlos zusehen ist nicht unser Ding. Deeskalationstechniken und eine Gesamtkonzeption helfen uns jetzt unseren Kolleginnen und Kollegen zur Seite zu stehen. Praktische Personalratsarbeit eben!"

Andreas Gallus, PR-Vorsitzender (vorne links)

Daten und Stichworte zum Projekt

Bewerber/in:

Personalrat des Hauptzollamts Singen 

Projekt:

Gewalt gegenüber Beschäftigten – Mach meine Kolleg*innen nicht an – Sind eigene Deeskalationsberater eine Lösung?

Beschäftigtenzahl:

501 bis 1000

Projektzeit:

Oktober 2018 bis Oktober 2019

 

Kurzbeschreibung

Personalrat entwickelt Konzept, um Mitarbeiter gegen Gewalt zu schützenü

Motiv

Das Hauptzollamt Singen hat neben vollzugsrechtlichen Aufgaben einen großen Servicebereich als Dienstleister für Wirtschaft und Bevölkerung mit einem sehr umfangreichen Kundenkontakt. In den letzten Jahren wird jedoch die Arbeit durch eine Verrohung seitens der Kunden stark beeinträchtigt: Immer öfter werden die Mitarbeiter beleidigt („Arschloch“) oder bedroht („man würde sich wieder sehen und der Beamte bekomme noch sein Fett ab“). Die Mitarbeiter fühlten sich diesen Angriffen gegenüber immer hilfloser und auch massiv bedroht. Es gab zwar ein Stückwerk an Handreichungen, wie man in solchen Situationen vorgehen sollte, es fehlte jedoch an einem Konzept und an klaren Strukturen. Viele der Mitarbeiter glaubten, dass ein solches Verhalten nur strafrechtlich verfolgt werden könnte, allerdings schreckten sie der Aufwand und die Bürokratie. Darüber hinaus fehlen oft Zeugen, um solche Vorfälle beweisen zu können. Der Personalrat wollte die Situation für die Mitarbeiter verbessern und fragte sich, welche Standards es bei einem solchen Verhalten derzeit gibt. Wo besteht Verbesserungsbedarf? Wie kann man präventiv tätig werden? Wie können nachhaltige Strukturen geschaffen werden? Sind Deeskalationspartner aus dem eigenen Personalbestand eine Möglichkeit, präventiv tätig zu werden? Wie sieht die Finanzierung aus? Wie können geeignete Mitarbeiter als Deeskalationspartner gefunden werden? Wie wird erreicht, dass die Mitarbeiter diesem Plan zustimmen?

Vorgehen

Eine Initialzündung, gegen das Gefühl der Hilflosigkeit anzugehen, war das DGB-Projekt „Wider die Normalisierung – Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und privatisierten Dienstleistungssektor“. Der Personalrat und die Leitung der Dienststelle vereinbarten, dass der Personalrat alles, was er tut, mit der Leitung abstimmt. Der Personalrat machte eine Bestandsaufnahme, bei der die Mitarbeiter die Möglichkeit hatten, per Mail Vorfälle zu schildern. Es sollte keine rechtssichere Beweislage geschaffen werden, sondern Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, ihre Ängste und Sorgen mitzuteilen. In kurzer Zeit erhielt der Personalrat eine umfangreiche Datensammlung und seine Wahrnehmung, dass etwas schiefläuft, wurde bestätigt. Es folgte eine 3-tägige Klausurtagung, in der in Arbeitsgruppen zusammengetragen wurde, was es schon an Hilfestellungen gab. Nach der Tagung führte der Personalrat intensive Gespräche mit der Verwaltungsleitung. Er schlug vor, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die neben Personalratsmitgliedern auch mit betroffenen und erfahrenen Mitarbeitern sowie Vertretern der Leitung besetzt sein sollte. Es sollten auch Deeskalationstrainer eingesetzt werden, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten, außerdem wäre es künftig so möglich sein, fortlaufend das Personal schulen zu lassen.

Ergebnis

Basierend auf dem Ergebnis der Klausurtagung erstellte der Personalrat die Broschüre „Mach meine Kolleginnen und Kollegen nicht an …“, in dem der Personalrat eine Bestandsaufnahme macht, Ideen zur Selbsthilfe vorstellt und ein klares Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit abgibt. Die Broschüre enthält eine ausführliche Liste mit Angeboten, wie zollinterne Schulungen, Seminare der Unfallkassen zum Umgang mit schwierigen Kunden, Schulungen des Beauftragten für Eigensicherung auch für Mitarbeiter aus dem nicht bewaffneten Bereich. Zum Thema „Deeskalation“ legte der Personalrat dar, welche Möglichkeiten es gibt, darunter auch, einen Deeskalationspartner auszubilden, der ein Kollege/eine Kollegin sein soll. In einer Grundsatzerklärung äußerte sich der Personalrat klar, dass es für Gewalt „null Toleranz“ gibt und dass sich die Leitung des Hauptzollamts verpflichtet, jede Art von Straftat konsequent zu ahnden. Darüber hinaus wurde eine Arbeitsgruppe zum Thema „Gewalt gegenüber Beschäftigten“ eingesetzt und es konnte die Finanzierung für eine 2-tägige Inhouse-Schulung mit 10–12 Beschäftigten organisiert werden. Ziel ist es, aus diesem Kreis geeignete Personen zu finden, die nach der Schulung eine Ausbildung zum Deeskalationstrainer beginnen sollen, um Übergriffe zu verhindern und somit gesundheitlichen Schaden von den Kollegen und Kolleginnen abzuwenden. Sollte es einen Vorfall gegeben haben, steht ein Nachsorgeteam zur Verfügung, das bereits bei den ersten Anzeichen psychischer Probleme zur Verfügung steht, zusätzlich besteht bei Beleidigungen die Möglichkeit, einen Antrag auf Dienstunfallschutz zu stellen. Damit das Problem präsent ist, empfiehlt der Personalrat, beim Gesundheitstag einen Infostand einzurichten, um zu diesem Problem zu informieren. Ergebnisse von Strafverfahren bei Beleidigungen sollen intern, aber auch in der Presse kommuniziert werden, um so das Problembewusstsein in der Bevölkerung und bei den Entscheidungsträgern zu stärken.