Nominierung: Deutscher Personalräte-Preis 2019

Personalrat des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, Berlin
Projekt: Dienstvereinbarung Überlastung

"Die KollegInnen des Landesamtes litten jahrelang an Überlastung. Diese DV gibt jetzt allen Akteuren Orientierung, wie mit einer Gefährdungsanzeige umzugehen ist. Der Komplex „Verbesserung der Arbeitssituation“ ist für unsere Arbeit als PR ganz zentral."

PR-Vorsitzender Marco Olbrich (vorne Mitte)

Daten und Stichworte zum Projekt

Bewerber/in:

Personalrat des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, Berlin

Projekt:

Dienstvereinbarung Überlastung

Beschäftigtenzahl:

201 bis 500

Projektzeit:

Mai 2018 bis Februar 2019

 

Kurzbeschreibung

Mit der Dienstvereinbarung schafft der Personalrat einen klaren Prozess im Umgang mit Überlastungen im Amt.

Motiv

2015 kamen Tausende Flüchtlinge nach Deutschland, zeitweise täglich 1000 Flüchtlinge nach Berlin. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) in Berlin war darauf nicht vorbereitet und das Amt brach aufgrund der Menge an Flüchtlingen und Überforderung der Mitarbeiter im September 2015 zusammen. Als Reaktion darauf wurde im August 2016 das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) gegründet. Von Beginn an gab es zu wenig Personal, dennoch zu wenige Neueinstellungen. Es gab zu wenig Entfristungen, zahlreiche zusätzliche Verwaltungsaufgaben, das Personal litt unter einer starken Arbeitsverdichtung und einer unzureichenden Ausstattung. Seit Beginn der neuen Behörde arbeiteten die Mitarbeiter im Krisenmodus, die Papierberge wurden größer statt kleiner, viele der Mitarbeiter sind nicht ausreichend qualifiziert. Viele Mitarbeiter litten unter Alpträumen, Bluthochdruck, Schlafstörungen und einem ständigen Druckgefühl durch die Überlastung. Der Personalrat erhielt zahlreiche Gefährdungs- und Überlastungsanzeigen, im November 2016 erhielt er die Gefährdungsanzeige einer ganzen Abteilung, die von über 70 Mitarbeitern unterzeichnet worden war. Diese Gefährdungsanzeige gelangte anonym als „Brandbrief“ an die Berliner Medien, der von der Presse als Anlass für zahlreiche Berichte genommen wurde. Die Hausleitung reagierte auf diese Anzeigen nur sehr zögerlich, in Gesprächen wurden die Probleme negiert oder „weggelächelt“. Der Personalrat entschied sich, einen weiteren Brandbrief an die Abgeordneten aller Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus zu verschicken – wieder gefolgt von Berichten in der Presse. Da vonseiten der Leitung nichts passierte, wollte der Personalrat in einer Dienstvereinbarung festschreiben, wie auf eine Gefährdungs-/Überlastungsanzeige zu reagieren ist.

Vorgehen

Im Mai 2018 legte der Personalrat der Dienststelle eine Dienstvereinbarung „Überlastung“ vor. Da die Leitung über einen längeren Zeitraum keine Vorlage einbrachte, machte der Personalrat Druck und es kam schließlich zu Gesprächen. In diesen konnte der Präsident überzeugt werden, dass eine Vereinbarung zu Gefährdungsanzeigen auch für Führungskräfte von Vorteil ist, da sie mit dieser eine klare Anweisung in die Hand bekommen.

Ergebnis

Im Februar 2019 unterzeichneten die Parteien die „Dienstvereinbarung Überlastung“. In dieser wurde festgeschrieben, dass eine Überlastung durch eine dauerhafte personelle Unterbesetzung, durch Mängel in der Arbeitsorganisation, den Arbeitsbedingungen oder durch sonstige Einflussfaktoren verursacht werden kann. Durch klare Prozesse mit Zeitvorgaben und Überprüfungen hat jetzt jeder Mitarbeiter Klarheit über den Verfahrensweg. So ist die schriftliche Anzeige unverzüglich vom Abteilungsleiter dem unmittelbaren Vorgesetzten und den Interessenvertretern zu übermitteln, im Anschluss muss unverzüglich ein Eröterungsgespräch zum Inhalt der Anzeige und wie die Überlastung/Gefährdung abgeschafft werden kann erfolgen. Die Abteilungsleitung muss innerhalb von längstens einem Monat nach dem Erstgespräch einen schriftlichen Zeit-/Maßnahmeplan erarbeiten, diesen dem Betroffenen vorstellen und umsetzen. Regelmäßige muss dem betroffenen Beschäftigten, dem unmittelbarem Vorgesetzten, der Interessenvertretung und auch dem Beauftragten für Arbeitsschutz und dem Personalbereich über die Umsetzung Bericht erstattet werden. Ist die Anzeige begründet, informiert die Abteilungsleitung die Behördenleitung und die Fachaufsicht unverzüglich. Die Prozesse haben sich mittlerweile stark verbessert, bis jetzt gab es in 2019 sehr viel weniger Überlastungsanzeigen. Das mit der Dienstvereinbarung festgeschriebene Verfahren hat sich bewährt und alle Beteiligten sind mit der Lösung zufrieden. Besonders wichtig ist dem LAF-Personalrat auch, dass Überlastungsanzeigen von der Führung nun nicht mehr als Störung oder als Angriff gesehen werden, sondern als wichtiges Instrument der Personalentwicklung. Die Anzeigen werden als „Hilferufe“ verstanden, die auch ernstgenommen werden.