► Ausführlich vorgestellt in "Arbeitsrecht im Betrieb" 12/2019
Projekt: | Den Strukturwandel aktiv gestalten – Ein paritätisches Arbeitsmodell für mehr Beteiligung |
Bewerber/in: | Gesamtbetriebsrat der Siemens AG, München und Betriebsrat der Siemens AG, Tübingen |
Beschäftigtenzahl: | 70000/ 201-500 in Tübingen |
Branche: | Metall- und Elektroindustrie |
Gewerkschaften: | IG Metall |
Stichworte zum Projekt
Motiv
Die Siemens AG befindet sich durch den digitalen Wandel und dessen Auswirkungen für Personal, Produkte und Prozesse im Umbruch. Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung stehen damit verschiedene Geschäftsfelder zur Disposition, selbst wenn sie derzeit noch profitabel arbeiten. Damit gehen Überlegungen und Planungen für Standortschließungen einher. Bereits vorzeitig hatten die Betriebsräte auf allen Unternehmensebenen gefordert, dass die Qualifizierung der Beschäftigung angesichts der digitalen Transformation unabdingbar sei, um auch in Zukunft wirtschaftlich profitabel arbeiten zu können. Anfang 2017 kündigte das Unternehmen dann für das Werk Tübingen an, die gesamte Montage und angrenzende Bereiche zu verlagern.
Vorgehen
Diese Schließungspläne stießen auf völliges Unverständnis und großen Widerstand des Betriebsrats. Denn das Gremium hatte zuvor schon mehrfach gemahnt und gewarnt, dass weitreichende Umstrukturierungsmaßnahmen notwendig seien, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Für den Betriebsrat war die Verlagerung inakzeptabel, denn er war davon überzeugt, dass durch geeignete Maßnahmen der Standort Tübingen mit seinem Know-how und seinen Fachkräfte konkurrenzfähig bleiben kann. Das Gremium ging in die Offensive, band die Mitarbeiter angesichts des Ausmaßes der anstehenden Veränderungen intensiv ein. Umfangreiche Verhandlungen mit dem Arbeitgeber folgten. Vereinbart wurden schließlich eine Reihe von digitalen Anwendungen, beispielsweise für die Bereiche Transport, Fertigung und Service. Damit verbunden sind der effiziente Umbau und die Modernisierung von Arbeitsplätzen. Dies führt auch dazu, dass Tätigkeiten interessanter und immer wiederkehrende Prozesse zugunsten von höherwertigen Arbeiten reduziert werden können.
Auf Gesamtbetriebsratsebene ist aus den Verhandlungen zu den abgewendeten Standortschließungen unter dem Slogan „Strukturwandel aktiv gestalten“ eine Zukunftsvereinbarung mit einem Zukunftsfond in Höhe von 100 Mio. € entstanden. Die Beantragung und Vergabe dieser Mittel von Siemens bereitgestellten Mittel erfolgt dabei paritätisch. Ziel der Maßnahmen ist es, auf den Strukturwandel frühzeitig mit Umqualifizierungen statt Personalabbau reagieren zu können.
Ergebnisse
Klammer der gemeinsam nominierten Projekte ist die proaktive Gestaltung von Transformationsprozessen aus Arbeitnehmerperspektive auf der Betriebs- und Unternehmensebene. Das Projekt des Betriebsrats am Standort Tübingen zeigt exemplarisch, wie dieser den Betrieb unter Einbeziehung aller beteiligten Interessengruppen auf den Weg zum „Digitalen Vorzeigewerk" gebracht und so die Zukunft des Standortes nachhaltig gesichert hat.
Der Anteil des Gesamtbetriebsrates, München, besteht in den von ihm erzielten Vereinbarungen zum Zukunftsfonds. Der von Gesamtbetriebsrat und IG Metall mit der Firmenseite beschlossene Fonds bietet Siemens-Standorten wie beispielsweise dem in Tübingen, Möglichkeiten, die Digitalisierung vor allem durch Qualifizierung der Beschäftigten zu gestalten und die Belegschaft im Strukturwandel mitzunehmen. Die ersten Projekte sind bereits genehmigt. Das Werk Tübingen nutzt den Fonds, um so die Umwandlung zum Vorzeigewerk der Digitalisierung zu vervollständigen.